Klimaschützer macht Notstand mit Großkraftwerkaktion geltend

dpa/lsw Mannheim. Klimaaktivisten kletterten auf das Dach einer Förderanlage am Mannheimer Steinkohlekraftwerk. Spezialkräfte nahmen sie nach etwa fünf Stunden fest. Nun erklärt einer sein Motiv vor Gericht.

Der angeklagte Klimaaktivist sitzt im Verhandlungssaal. Foto: Uwe Anspach/dpa

Der angeklagte Klimaaktivist sitzt im Verhandlungssaal. Foto: Uwe Anspach/dpa

Fünf Aktivisten klettern aus Protest gegen Kohlestrom auf das Dach eines Förderbandes des Großkraftwerks Mannheim (GKM) - jetzt verantwortet sich einer von ihnen vor Gericht. Begleitet von einem Dutzend Unterstützer vor dem Mannheimer Amtsgericht bestritt der 21-Jährige am Montag die Anklagepunkte nicht, darunter Hausfriedensbruch. Vielmehr machte der Physikstudent den rechtfertigenden Notstand geltend.

Er verwies auf den entsprechenden Artikel des Strafgesetzbuchs; nach diesem kann unter gewissen Bedingungen eine Tat nicht rechtswidrig sein, wenn sie eine Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre und Eigentum abwenden soll. Es sei deshalb rechtens, sich als Bürger der Klimazerstörung entgegenzustellen, so der Student, auch in Form von Blockadeaktionen wie der Besetzung des GKM im August 2020.

In einem langen Vortrag beschrieb der Kapitalismuskritiker verheerende Umweltschäden, Ausbeutung und Ströme von Klimaflüchtlingen als Folge der Kohlegewinnung. Das GKM sei mit 0,2 Prozent am globalen Treibhausgasausstoß beteiligt (2017). „Für mich bleibt nur der Weg des zivilen Ungehorsams“, resümierte der Angeklagte.

Das GKM sieht sich hingegen dank moderner Technologie als Partner der Energiewende, auf den für die Versorgungssicherheit nicht verzichtet werden könne.

Dem Aktivisten wird überdies versuchte gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Er habe eine Nähnadel so an seinem Hosenbund angebracht, dass sie bei einer Durchsuchung einen Polizisten hätte verletzen können. Der Student gab an, er habe die Nadel mitgenommen, um die Haut seiner Fingerkuppen zu zerstören und damit einen Fingerabdruck zu vereiteln. Zudem ist er angeklagt, weil er mit Schal, bemaltem Gesicht und Sturmhaube gegen das Vermummungsverbot verstoßen habe.

Der Betreiber schaltete das Förderband während der Protestaktion ab. Spezialkräfte nahmen die Aktivisten nach etwa fünf Stunden fest. Die zwei Männer und drei Frauen hatten ihre Finger und Handflächen mit Sekundenkleber präpariert, so dass vier aus dem Gewahrsam entlassen wurden, ohne dass sie identifiziert wurden. Bei dem Freiburger Studenten brachte eine Aufnahme seiner Hände im Abgleich mit Daten des Landeskriminalamtes einen Treffer. Bei seinen vier Mitstreitern sind die Verfahren eingestellt worden.

© dpa-infocom, dpa:210412-99-173622/3

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Erstellt:
12. April 2021, 14:07 Uhr

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