Kürzere Wartezeiten für die Kassenpatienten

Bundesrat stimmt Terminservice-Gesetz zu – Finanzielle Anreize für Ärzte

Berlin (dpa). Für viele gesetzlich Versicherte ist es frustrierend: Sie warten auf einen Facharztbesuch häufig länger als Privat­patienten. Nach dem Bundestag billigte am Freitag auch der Bundesrat die Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), das zu ändern. Wo ist das Problem? Lange Wartezeiten sind ein Aufreger, auch wenn Ärztevertreter schon mal von „gefühlten Problemen“ sprechen. Dabei ist die Situation nicht überall gleich, wie eine Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zeigt: Auf Facharzttermine musste fast ein Drittel der Befragten nach eigener Auskunft mehr als drei Wochen warten. Dagegen kam beim Hausarzt gut jeder Zweite binnen drei Tagen dran. Bei Hals-Nasen-Ohren-Ärzten geht es schneller als bei Urologen und Frauenärzten. Unterschiede nach der Kasse gibt es vor allem beim Facharzt: Da mussten sich 34 Prozent der Kassenpatienten mehr als drei Wochen gedulden, aber nur 18 Prozent der Privatpatienten.

Was soll sich in den Praxen ändern? Kassenärzte müssen künftig 25 statt 20 Stunden pro Woche für gesetzlich Versicherte da sein – in der Praxis oder bei Hausbesuchen. Viele sagen, dass sie das längst tun und im Schnitt mehr als 50 Stunden arbeiten. Diese Ärzte sollten vor Kollegen geschützt werden, die ihren Arztsitz nicht voll aus­füllen, argumentiert Spahn. Bei Augen-, Frauen- und HNO-Ärzten muss es künftig fünf Stunden pro Woche offene Sprechzeit geben. Mediziner warnen, das könne zu langem Wartezimmer-Rumsitzen führen.

Was sieht die Terminvermittlung vor? Schon seit 2016 gibt es „Terminservicestellen“ der Kassenärztlichen Vereinigungen, die telefonisch Termine bei Fachärzten binnen vier Wochen vermitteln – die Erreichbarkeit variiert aber. Ab 2020 soll bundesweit gelten: jeden Tag, rund um die Uhr, unter der Nummer 116 117, auch online und per Handy-App. Das gilt dann auch für Termine bei Haus- und Kinderärzten.

Wie sollen Ärzte angespornt werden? Geplant sind Anreize für die Ärzte, zum Beispiel mindestens 10 Euro extra, wenn ein Hausarzt bei der Überweisung gleich dafür sorgt, dass man einen dringenden Termin beim Facharzt bekommt. Extra honoriert werden soll auch, wenn Ärzte neue Patienten in der Praxis aufnehmen. Dadurch könnte aber die Höhe des Arzthonorars über Wartezeiten entscheiden, warnte der Bundeschef der Verbraucherzentrale, Klaus Müller. Chronisch Kranke und alte Menschen, die schon in Behandlung sind, bräuchten ihren Arzt oft häufiger, mahnte auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Sie könnten schwieriger Termine bekommen, wenn sich Ärzte nur auf Neupatienten konzentrierten.

Was kostet das alles? Auf die gesetzlichen Krankenkassen, die bisher schon 40 Milliarden Euro im Jahr für Arzthonorare zahlen, dürften Mehrausgaben von bis zu 800 Millionen Euro zukommen. Grüne und Linke halten das für zu teuer und sprechen von Klientelpolitik für Mediziner. „Wer mehr behandelt, soll auch entsprechend besser vergütet werden“, argumentiert Spahn und verweist auf dicke Finanzpolster vieler Kassen. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach erläuterte, bisher verdienten Ärzte teils nichts, wenn sie neue Patienten aufnehmen, was auch noch aufwendiger ist. Für Praxen auf dem Land sind künftig garantierte Zuschläge vorgesehen.

Was soll sich bei der Digitalisierung tun? Mit dem Gesetz will Spahn auch Tempo für neue digitale Angebote machen. Es schreibt die Einführung freiwilliger E-Patienten­akten bis spätestens 2021 fest – nachdem das Gezerre um mehr Funktionen für die elektronische Gesundheitskarte so etwas wie „der Berliner Flughafen des Gesundheitswesens“ geworden sei. Das Ministerium übernimmt dafür nun 51 Prozent der Gematik-Gesellschaft, die sich auch um den Aufbau einer Datenautobahn kümmert – unter Protest der bisherigen Träger aus der Branche. Ab 2021 soll es auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen („gelbe Scheine“) bei längerer Krankheit in digitaler Form geben.

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Erstellt:
13. April 2019, 03:14 Uhr

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