Millionen-Kundgebung gegen Chiles Regierung

dpa Santiago de Chile. Der Ruf nach sozialen Reformen in Chile wird immer lauter. Mehr als eine Million Menschen gehen dafür auf die Straßen. Präsident Piñera will die Botschaft gehört haben.

Großdemonstration gegen die Regierung in Santiago de Chile. Foto: Francisco Estrada/NOTIMEX/dpa

Großdemonstration gegen die Regierung in Santiago de Chile. Foto: Francisco Estrada/NOTIMEX/dpa

Mehr als eine Million Menschen haben am Freitag auf einer Kundgebung in Santiago de Chile tiefgreifende soziale Reformen gefordert.

„Dies ist ein historischer Tag“, sagte Bürgermeisterin Karla Rubilar dem Sender TV Chile. Die Menschen brachten die „Wut und Empörung“ zum Ausdruck, die sich über Jahre hinweg aufgestaut habe. „Heute hat sich Chile verändert“, fügte sie hinzu. Nunmehr müssten alle Politiker darüber nachdenken, wie es zu dieser Vertrauenskrise gekommen sei. Nach ihren Worten waren knapp 1,2 Millionen Menschen zum „größten Marsch“ des Landes gekommen.

„Wir alle haben die Botschaft vernommen“, twitterte Präsident Sebastián Piñera am Abend. „Wir alle haben uns verändert. Mit Einigkeit und Gottes Hilfe werden wir den Weg zu einem besseren Chile für alle gehen.“ Konkrete Maßnahmen nannte er aber nicht.

Die Demonstranten marschierten ohne Zwischenfälle am Regierungsgebäude vorbei, wo sie Präsident Piñera zum Rücktritt aufforderten. Auch in Valparaíso, Punta Arenas, Viña del Mar und anderen Städten gab es Protestmärsche, an denen sich tausende Chilenen beteiligten.

Die Protestwelle hatte sich vor einer Woche an der Erhöhung der Preise für U-Bahn-Tickets in Santiago um umgerechnet vier Euro-Cent entzündet. Sie weitete sich rasch auf das ganze Land aus, mit Forderungen, die weit über die ursprünglich beanstandeten Fahrpreise hinausgingen. Dabei entlud sich aufgestauter Ärger unter anderem wegen niedriger Löhne und Renten, hoher Preise, hoher Studiengebühren und wegen extremer Unterschiede zwischen Armen und Reichen.

In den ersten Tagen arteten die Demonstrationen in Brandanschläge und Plünderungen aus. Ab Mittwoch etwa wurden die Versammlungen der Chilenen zu massiven Protestkundgebungen. Die Proteste nahmen nicht ab, obwohl Piñera erst die Erhöhung der Preise für U-Bahn-Tickets rückgängig machte und ein paar Tage später ein Maßnahmenpaket ankündigte, das auf einige der Forderungen der Demonstranten einging. Die Maßnahmen wurden jedoch als unzureichend angesehen, wie Umfragen chilenischer Medien am Freitag ergaben.

Mindestens 19 Menschen kamen während der Unruhen ums Leben. Nach Angaben des Nationalen Instituts für Menschenrechte (INDH) wurden 585 Demonstranten verletzt und weitere 2840 festgenommen. Die Polizei sprach von 694 Verletzten in ihren Reihen, darunter 55 Schwerverletzte.

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Erstellt:
26. Oktober 2019, 07:59 Uhr

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