Ministerium: Quarantäneverweigerer auf Hohenasperg denkbar

dpa/lsw Stuttgart. Was geschieht mit Menschen, die sich trotz Corona-Ansteckung oder Kontakt zu einem Infizierten nicht absondern wollen? Dass sie damit damit nicht durchkommen sollen, darüber besteht Einigkeit. Aber wo und von wem sollen sie untergebracht werden?

Ordner mit der Aufschrift „Quarantäneende“ in einem Regal. Foto: Marijan Murat/dpa/Symbolbild

Ordner mit der Aufschrift „Quarantäneende“ in einem Regal. Foto: Marijan Murat/dpa/Symbolbild

Sozialminister Manne Lucha (Grüne) hat mit seinem Vorschlag, hartnäckige Corona-Quarantäneverweigerer auch im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg zwangsweise unterzubringen, Unmut beim Koalitionspartner CDU ausgelöst. Sein Ministerium hatte diese Idee in einer Vorlage für die Corona-Lenkungsgruppe ins Spiel gebracht, die am Mittwoch tagen sollte - ebenso wie die Unterbringung in Krankenhäusern, Kasernen oder Hotels. Für Geflüchtete, die sich nicht an die Auflage halten, kämen Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Frage. Mit seinem Vorhaben stieß Lucha jedoch beim CDU-geführten Justizministerium auf Granit. „Stuttgarter Nachrichten“ und „Stuttgarter Zeitung“ hatten zuvor darüber berichtet.

Ein Sprecher von Justizminister Guido Wolf (CDU) stellte klar: Eine Unterbringung von sogenannten Quarantäneverweigerern im Justizvollzugskrankenhaus auf dem Hohenasperg sei völlig ausgeschlossen. Das habe inzwischen auch das Sozialministerium eingesehen: In der Beschlussvorlage für die Lenkungsgruppe sei der Vorschlag nicht mehr enthalten. „Dass das Sozialministerium ihn unterbreitet, ohne zuerst mit dem zuständigen Ministerium das Gespräch zu suchen, hat uns sehr verwundert.“ Die 100 Plätze für die 6500 Gefangenen im Land seien voll ausgelastet. Das Krankenhaus sei auf Patienten ausgelegt, die länger bleiben. Eine räumliche Trennung für Menschen, die nur wenige Tage bleiben, sei nicht vorgesehen.

Diese Darstellung bestätigte das Sozialministerium nicht. Das Thema stehe voraussichtlich auf der Tagesordnung der Corona-Lenkungsgruppe. Derzeit befinde sich die entsprechende Beschlussvorlage noch in der Ressortabstimmung. „Das Sozialministerium kommentiert deshalb im Vorfeld öffentlich keine Zwischenstände, die innerhalb der Landesregierung noch nicht abschließend geeint sind.“

Lucha ist auch in der Frage einer dezentralen oder zentralen Unterbringung mit dem Koalitionspartner uneins. Der Grüne plädiert für eine dezentrale Zwangsabsonderung, die von den Stadt- und Landkreisen durchgesetzt werden müsse. Sie müssten die notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel sowie das erforderliche Personal für die Unterbringung bereitstellen.

Im Gegensatz dazu favorisiert Innenminister Thomas Strobl (CDU) angesichts von nur wenigen Fällen eine zentrale Unterbringung. Er hält eine ehemalige leerstehende Lungenfachklinik in St. Blasien für geeignet. Der Vorschlag Luchas sei der „Entwurf eines Berichtes zum Thema, aber noch keine Lösung des Problems“. Die Kreise und Kommunen, auch die Ortspolizeibehörden und die Landespolizei, dürften mit diesem Problem nicht alleingelassen werden. Nach Erkenntnissen des Gesundheitsministeriums zählen zu den Quarantäneverweigerer häufig Flüchtlinge und Obdachlose sowie psychisch erkrankte Menschen. Dabei handele es sich um von Kommunen gemeldete Einzelfälle.

Bei psychisch Kranken komme eine Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt in Betracht. Für die Verweigerer aus den Reihen von Geflüchteten und Wohnsitzlosen schlägt das Ressort ein abgestuftes Verfahren vor: Am Anfang steht die Erhebung von Bußgeldern. Wer das nicht kann oder will, dem droht Zwangsunterbringung.

Nach der Vorstellung von Lucha könnte die Lenkungsgruppe mit Vertretern der Ministerien das Sozialministerium beauftragen, unter Beteiligung des Innenministeriums, des Justizministeriums und der kommunalen Landesverbände eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden. Diese solle auf der Grundlage seines Vorschlags ein Konzept zur Unterbringung von Quarantäneverweigerern erarbeiten.

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Erstellt:
18. November 2020, 13:37 Uhr

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