Seehäfen fordern kräftigen Ausbau des Schienennetzes

dpa Hamburg. Im weltweiten Warenverkehr sind Häfen die Schaltzentralen - aber sie funktionieren nur, wenn die Verkehrsanbindung ins Hinterland gut ist. Bei diesem Thema fürchten die deutschen Seehäfen wachsende Probleme.

Der Containerterminal im Hamburger Hafen. Foto: Marcus Brandt/dpa

Der Containerterminal im Hamburger Hafen. Foto: Marcus Brandt/dpa

Die deutschen Seehäfen verlangen von der neuen Bundesregierung erheblich größere Investitionen in den Ausbau des deutschen Schienennetzes - und zwar im Interesse des Klimaschutzes und der Zuverlässigkeit der aktuell extrem gestörten Lieferketten.

„Wenn mehr Verkehr auf die Schiene soll, dann brauchen wir auch mehr Schiene“, sagte der Präsident des Zentralverbandes der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), Frank Dreeke, in Hamburg. Notwendig sei nicht nur eine bessere Taktung des Güterverkehrs auf der Schiene, auch neue Trassen müssten gebaut werden.

Eine Verlagerung des Güterverkehrs von Lkws auf die Bahn gilt als ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Klimawandel: Je mehr Güter statt mit dieselgetriebenen Brummis auf mit Ökostrom fahrenden Zügen zum Ziel kommen, umso weniger Treibhausgas entsteht. Außerdem ist eine funktionierende Hinterlandanbindung eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Waren möglichst pünktlich beim Empfänger landen. Neben der Zuverlässigkeit dürfte vor allem die CO2-Bilanz in der Transportkette künftig ein immer wichtigeres Kriterium für Kunden der Logistikwirtschaft sein.

Zuspruch bekommt die Hafenwirtschaft vom Verband Allianz pro Schiene: „Die Forderung der Seehäfen nach höheren Investitionen in die Schieneninfrastruktur ist nur zu berechtigt“, sagte deren Geschäftsführer Dirk Flege der dpa. „Jahrzehntelang ist das Schienennetz geschrumpft - das gab es bei keinem anderen Verkehrsträger, schon gar nicht bei der Straßeninfrastruktur.“ Nach Berechnungen der Allianz pro Schiene ist das Schienennetz zwischen 1995 und 2019 um fast 15 Prozent geschrumpft. Zugleich sei aber der Personenverkehr um 41 Prozent und der Güterverkehr sogar um 83 Prozent gewachsen. „Das Gedrängel auf dem Schienennetz wird immer größer.“

Dreeke, im Hauptberuf Chef des Bremer Hafen- und Logistikdienstleisters BLG, wies auf den Wettbewerbsdruck hin, unter dem die Hafenwirtschaft steht: „Das internationale Wettbewerbsumfeld zwischen Hafenstandorten und Hafenbetrieben ist hart umkämpft. Auch der Wettbewerb zwischen schiffbasierten und landbasierten Logistikunternehmen verschärft sich.“

Dreekes ZDS-Präsidiumskollege Sebastian Jürgens ergänzte: „Wir müssen echt Infrastruktur bauen, und zwar in ganz Deutschland. Wir müssen anschlussfähig sein, im Ausland wird gebaut.“ Andernfalls drohten den ohnehin unter internationalem Konkurrenzdruck stehenden deutschen Häfen Wettbewerbsnachteile. Die Chefin des Hamburger Hafenkonzerns HHLA, Angela Titzrath, sagte: „Insbesondere in Hamburg sind wir Europas größter Güterbahnhof, das reicht aber nicht, wenn wir noch mehr Güter auf die Schiene bringen wollen.“

Jürgens, der Vorstand der Lübecker Hafen-Gesellschaft ist, betonte, dass ein großer Teil der Güterverkehre von und nach Deutschland über die Häfen an Nord- und Ostsee laufe. „Das heißt, wir können bei dieser Diskussion nicht einfach auf der Seitenlinie stehen und hoffen, dass das irgendwie wird.“

Besorgt blickt Jürgens auch auf den Deutschlandtakt der Bahn. Damit ist der Plan gemeint, dass bis zum Jahr 2030 die Züge zwischen den größten Städten im Halbstundentakt fahren sollen. Die Vermutung der Hafenmanager: Der Deutschlandtakt könnte einseitig dem Personenverkehr nutzen.

© dpa-infocom, dpa:211117-99-36729/3

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Erstellt:
17. November 2021, 16:42 Uhr

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