Streit um Corona-Impfstoff: EU will Erfassung der Exporte

dpa Brüssel. Die EU-Kommission ist in der Kritik, weil bisher in der EU wenig Corona-Impfstoff zur Verfügung steht. Nun macht sie selber Druck: Exportieren Hersteller womöglich lieber als an die EU zu liefern?

Eine Ampulle des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca. Foto: Russell Cheyne/PA Wire/dpa

Eine Ampulle des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca. Foto: Russell Cheyne/PA Wire/dpa

Wegen der Knappheit bei Corona-Impfstoffen sollen alle Exporte solcher Mittel aus der Europäischen Union künftig erfasst und genehmigt werden. Dies kündigte die EU-Kommission an.

Hintergrund ist der Streit mit dem Hersteller Astrazeneca, der vorerst weniger Impfstoff an die EU liefern will als zugesagt. Die EU ist erbost und verlangt die volle vereinbarte Menge. Für Mittwoch ist eine weitere Krisensitzung mit dem Hersteller geplant, wie Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Abend ankündigte.

Die Antworten der Firma seien nicht befriedigend gewesen - weder in einer internen Sitzung mit den EU-Staaten am Nachmittag noch in einer weiteren Zusammenkunft am Abend. „Mit unseren Mitgliedstaaten haben wir von Astrazeneca eine detaillierte Planung für Impfstofflieferungen gefordert sowie die Zeitpunkte, wann die Verteilung an die Mitgliedstaaten stattfinden wird“, schrieb Kyriakides auf Twitter.

Bereits am Nachmittag hatte sie gesagt, die EU wolle, dass die bestellten und vorfinanzierten Impfstoff-Dosen so bald wie möglich ausgeliefert werden: „Wir möchten, dass unser Vertrag vollständig erfüllt wird.“ Aus Kommissionskreisen hieß es abends, die EU fordere das Unternehmen auf, „das Lieferangebot für das erste Quartal deutlich nachzubessern“. Von rechtlichen Schritten oder einer Klage ist aber noch nicht die Rede. Es gehe jetzt um die „rasche Auslieferung einer größtmöglichen Menge an Impfdosen“.

Die EU-Kommission hatte im August mit der Firma die Lieferung von bis zu 400 Millionen Impfstoffdosen vereinbart. Die Behörde zahlte nach eigenen Angaben 336 Millionen Euro dafür, die Produktion schon vor der EU-Zulassung hochzufahren. Nach Darstellung der EU-Kommission hätte der Konzern seit Oktober Mengen für die EU auf Halde fertigen müssen.

Astrazeneca hatte aber am Freitag erklärt, dass nach der für diese Woche erwarteten Zulassung zunächst weniger Impfstoff als vereinbart an die EU geliefert werde. Statt 80 Millionen Impfstoffdosen sollen es nach EU-Angaben bis Ende März nur 31 Millionen sein. Zur Begründung hieß es, es gebe Probleme in der europäischen Lieferkette.

Doch steht die Vermutung im Raum, vorproduzierte Impfstoffdosen könnten an andere Abnehmer verkauft worden sein. Kyriakides sagte: „Die EU will wissen, wo genau welche Dosen bisher von Astrazeneca produziert wurden und an wen sie geliefert wurden.“ Der CDU-Europapolitiker Peter Liese kritisierte, Astrazeneca liefere „offensichtlich in andere Teile der Welt, auch nach Großbritannien, ohne Verzögerung“.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte in Berlin: „Wir müssen als EU wissen können, ob und welche Impfstoffe aus der EU ausgeführt werden. Nur so können wir nachvollziehen, ob unsere EU-Verträge mit den Herstellern fair bedient werden. Eine entsprechende Pflicht zur Genehmigung von Impfstoff-Exporten auf EU-Ebene macht Sinn.“

Dies verfolgt die EU-Kommission mit ihrem „Transparenzregister“, das nach Angaben aus EU-Kreisen binnen weniger Tage eingeführt werden soll. Kyriakides sagte, alle Firmen, die Covid-19-Impfstoffe in der EU produzierten, müssten künftig vorab anmelden, wenn sie in Drittstaaten exportieren wollten. Humanitäre Lieferungen seien nicht betroffen.

Die Kommission steht selbst in der Kritik, weil sie Rahmenverträge mit den Herstellern ausgehandelt hat, vorerst aber nur relativ wenig Corona-Impfstoff in den 27 Ländern ankommt. Die Impfkampagne lahmt, während sich neue Virus-Varianten ausbreiten und die Staaten das tägliche Leben und auch das Reisen weiter einschränken.

Auch dazu machte die EU-Kommission einen Vorschlag. So sollen für bestimmte Länder und Regionen strengere Test- und Quarantäne-Regeln eingeführt werden. In Deutschland gelten schon seit Sonntag für mehr als 20 Länder mit besonders hohen Infektionszahlen neue Regeln bei der Einreise. Auch andere EU-Länder haben ihre Vorgaben schon verschärft.

© dpa-infocom, dpa:210125-99-160465/7

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Erstellt:
25. Januar 2021, 13:25 Uhr

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