Wieder nur durchschnittliche Pisa-Noten für deutsche Schüler

dpa Berlin. Zum zweiten Mal in Folge gehen die Leistungen deutscher Schüler beim Pisa-Test zurück. Deutschland kann sich zwar international im oberen Mittelfeld behaupten, aber der Abstand zur Weltspitze ist groß - und viele 15-Jährige kommen nicht mal mit einfachsten Aufgaben zurecht.

Bildungsministerin Anja Karliczek stellt die Ergebnisse der aktuellen Pisa-Studie vor. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Bildungsministerin Anja Karliczek stellt die Ergebnisse der aktuellen Pisa-Studie vor. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Fast zwei Jahrzehnte nach dem großen „Pisa-Schock“ und dem anschließenden Aufwärtstrend zeigt die Leistungskurve der deutschen Schüler wieder eindeutig nach unten.

Im internationalen Pisa-Vergleichstest schnitten die Deutschen in allen drei Testbereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften schlechter ab als drei Jahre zuvor. Schon damals hatten sich die Werte in zwei Bereichen verschlechtert. Deutschland liegt zwar weiterhin über dem OECD-Durchschnitt. „Mittelmaß kann aber nicht unser Anspruch sein“, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Dienstag. Die Opposition sprach sogar von einer „Pisa-Klatsche“.

Deutlich wurde im aktuellen Pisa-Test erneut, dass es in Deutschland einen besonders starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Erfolg in der Schule gibt. Jeder fünfte 15-Jährige erreicht beim Lesen gerade einmal Grundschulniveau oder scheitert in Mathematik und Naturwissenschaften an einfachen Aufgaben. Und was allen Beteiligten Sorgen macht: Deutschlands Jugendliche verlieren zunehmend die Lust am Lesen. Die neuen Zahlen wurden 2018 erhoben, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellte sie am Dienstag in Berlin vor.

Die Pisa-Studie ist die größte internationale Schulleistungsvergleichsstudie. Seit dem Jahr 2000 werden dafüralle drei Jahre weltweit Hunderttausende Schüler im Alter von 15 Jahren getestet. Dieses Mal nahmen rund 600.000 Schülerinnen und Schüler aus 79 Ländern teil, in Deutschland knapp 5500. Es war die mittlerweile siebte Runde. Die unterdurchschnittlichen Ergebnisse deutscher Schüler beim ersten Test im Jahr 2000 hatten viele überrascht und eine heftige Bildungsdebatte ausgelöst. Später war immer wieder vom „Pisa-Schock“ die Rede.

Die deutschen Schüler erzielten in den drei Teilbereichen jeweils etwas weniger Punkte als bei der vorherigen Untersuchung, die 2016 veröffentlicht worden war. Die Pisa-Verantwortlichen der OECD verwiesen zwar darauf, dass die deutschen Schüler leistungsmäßig weiterhin auf einem guten Niveau lägen. In Mathematik und Naturwissenschaften sei Deutschland sogar deutlich besser als der Durchschnitt der OECD-Länder. Dennoch müsse die Bundesrepublik ihre Begeisterung für Bildung und Kompetenzen erneuern und ihren Reformgeist wieder auf den Weg bringen, sagte OECD-Vizegeneralsekretär Ludger Schuknecht.

Unverändert groß bleibt Deutschlands Abstand zur Spitzengruppe. Dort haben sich europäische Länder wie Estland und Finnland festgesetzt - und vor allem asiatische Länder und Metropolregionen. Der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), der hessische Minister Alexander Lorz (CDU), sagte: Das deutsche Bildungssystem sei nicht so schlecht, wie es manchmal geredet werde. „Aber es ist auch nicht so gut, wie wir es gerne hätten.“

„Einer der Faktoren hinter dem Leistungsrückgang können die seit der Flüchtlingskrise gestiegenen Ansprüche an das Bildungssystem sein“, hieß es von der OECD. Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) äußerte sich ähnlich. Die Ergebnisse seien weniger auf die Qualität der Schulen als auf einen zunehmenden Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund zurückzuführen, sagte sie „SWR Aktuell“.

Kritische Stimmen zu den Pisa-Ergebnissen kamen von der Opposition. Der FDP-Bildungspolitiker Thomas Sattelberger sieht Deutschland in der Bildungspolitik „auf Sinkflug“, weil sich Bund und Länder im „kleinkarierten Kompetenzgerangel“ verlören. Seine Fraktionskollegin Katja Suding sprach von einer „Pisa-Klatsche“.

Grünen-Chef Robert Habeck bemängelte, dass Deutschland über die letzten Jahre „unterdurchschnittlich wenig“ für die Bildung ausgegeben habe. „Das rächt sich jetzt.“ Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, sagte, am schlechtesten im Pisa-Test habe die Bundesregierung abgeschnitten. „Es gibt kein deutlicheres Zeichen für Politikversagen, als wenn die Zukunft von Kindern abhängig von ihrer sozialen Herkunft ist.“

Im aktuellen Pisa-Test ging es schwerpunktmäßig um die Lesekompetenz. In Deutschland - so wie auch in allen anderen OECD-Staaten - schnitten die Mädchen dabei deutlich besser ab als die Jungen. In Mathe sind die Jungen vorne. Bei den Naturwissenschaften sehen die Autoren in Deutschland keine Unterschiede. Jeder fünfte 15-Jährige in der Bundesrepublik erreicht beim Lesen nur ein sehr geringes Leistungsniveau. Das heißt, er oder sie kann mit ganz einfachen Leseanforderungen nicht umgehen. Auch in Mathe und Naturwissenschaften liegt der Anteil der leistungsschwachen Schüler bei rund 20 Prozent.

Neben den Tests, die die Schüler absolvieren mussten, wurde auch das Thema „Lesefreude“ abgefragt. Im Zehnjahresvergleich wird dabei sichtbar, dass das Interesse der Jugendlichen am Lesen abnimmt. Jeder zweite befragte 15-Jährige in Deutschland sagte: Ich „lese nur, wenn ich lesen muss“ oder „um Informationen zu bekommen, die ich brauche“. Lesen als liebstes Hobby gab nur jeder Vierte an. Mehr Schüler (34 Prozent) sagten dagegen, für sie sei Lesen Zeitverschwendung.

Die Tests für die Pisa-Studie finden inzwischen vor allem am Computer statt. Die Schüler müssen sich durch verschiedene Aufgaben klicken. Zusätzlich müssen die Schüler Fragebögen ausfüllen.

Weltweit wurden für den aktuellen Pisa-Vergleich im Frühjahr 2018 rund 600.000 Schülerinnen und Schüler aus 79 Ländern getestet. Foto: Marijan Murat/dpa

Weltweit wurden für den aktuellen Pisa-Vergleich im Frühjahr 2018 rund 600.000 Schülerinnen und Schüler aus 79 Ländern getestet. Foto: Marijan Murat/dpa

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Erstellt:
3. Dezember 2019, 16:56 Uhr

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