Witze über Doppelnamen – wer regt sich darüber noch auf?

Bei einer Karnevalssitzung in Köln entert eine Frau empört die Bühne und erntet danach einen Shitstorm – Streit über Humor und die Narrenfreiheit in der Bütt

Köln (dpa). Die Bütt im Karneval gilt als Zone frei von politischer Korrektheit – aber es gibt Ausnahmen. Als Komiker Bernd Stelter am Wochenende bei der Fernsehaufzeichnung einer Karnevalssitzung einen Witz über den Doppelnamen der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer reißt, wird er von einer zornigen Zuschauerin im Matrosenkostüm auf offener Bühne und aus nächster Nähe zur Rede gestellt.

Die Frau will sich Stelters Geläster nicht anhören und poltert los: „Männernamen sind immer toll – und Frauennamen sind immer scheiße. Und Doppelnamen sind Doppelscheiße.“ Sie muss den Saal verlassen. In der „Kölnischen Rundschau“ erklärt sie später ihre Motivation: „Ich habe selbst einen Doppelnamen und muss das nicht über mich ergehen lassen.“

Seitdem tobt bundesweit unter dem Stichwort #steltergate eine heftige Debatte über Doppelnamen – eigentlich ein Thema mit Bart, das mehr in die 1980er Jahre passt –, die Freiheit der Rede, des Karnevals und der Geschlechter. Humorlosigkeit ist dabei das Geringste, was der aus Weimar stammenden Kritikerin in einem wahren Shitstorm mehr oder weniger niveauvoller Beiträge vorgeworfen wird. Manche männliche Schreiber nutzten die Gelegenheit zu einer Generalabrechnung mit den – wie sie es sehen – „durchgeknallten Feministinnen“.

Der erregte Tonfall ist wohl kein Zufall: Der Streit, wer wessen Namen annimmt, ist ein Dauerbrenner in der Geschlechter­debatte. Schließlich mussten Frauen – ob sie wollten oder nicht – bis zu einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1991 bei Uneinigkeit des Paares den Männernamen tragen. Damit hätten die deutschen Frauen in der Neuzeit ihre Identität verloren, klagte die Zeitschrift „Emma“. Da änderte es auch nicht viel, dass der „unterlegene“ Partner seinen Namen voranstellen oder hinzufügen durfte, wodurch vor allem in den 1980er und 1990er Jahren Doppelnamenkonstrukte von manchmal unfreiwilliger Komik entstanden.

Legendär ist natürlich Loriots Erfindung von „Herrn Müller-Lüdenscheid“, gerne bespöttelt wurden auch die Namenskaskade der bekannten Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann nach ihrer Hochzeit mit dem Kernphysiker Heinz Maier-Leibniz oder der wenig radiosprecherfreundliche Name der Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

Die heftigen Reaktionen im Steltergate erklärt sich der Kölner Psychologe Stephan Grünewald mit dem jüngst verschärften Klima im Geschlechterkampf. Machofiguren wie US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin hätten die Türen für ein Rollback der archaischen Männer­rolle geöffnet. Frauen der Metoo-Zeit spürten, dass sich etwas verändere und setzten sich zur Wehr, sagt der Psychologe – und die Männer pochten besonders heftig im Karneval auf ihre Freiheit der Rede, weil die Narrenfreiheit in der Bütt ihnen bisher als unangreifbar galt.

Allen Schwierigkeiten ein Ende zu machen wäre natürlich auch für Männer möglich, indem sie schlicht ihren Namen hinter sich lassen und heißen wie ihre Frau. Damit tun sich aber noch die allermeisten schwer, wie die Gesellschaft für deutsche Sprache Ende vergangenen Jahres in einer großen Studie mit 174 befragten Standesämtern herausfand. Nur sechs Prozent der Paare entscheiden sich danach für den Namen der Frau, einen Doppelnamen wählen etwa acht Prozent. Bei rund zwölf Prozent der Paare behielt jeder Partner seinen eigenen Namen. In etwa drei Viertel der Fälle wurde nach alter Väter Sitte der Namen des Mannes zum gemeinsamen Familiennamen.

Zum Artikel

Erstellt:
27. Februar 2019, 03:04 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen