Zeuge traute Ernst Lübcke-Mord nicht zu

dpa Frankfurt/Main. Stephan Ernst soll aus einer rechtsextremistischen Gesinnung heraus den Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke erschossen haben. Ein Zeuge beschreibt Ernst vor Gericht als ruhig und hilfsbereit. Seine Ehefrau berichtet derweil von einem interssanten Anruf eines Anwalts.

Der Hauptangeklagte im Lübcke-Prozess, Stephan Ernst, wartet auf den Verhandlungsbeginn. Foto: Boris Roessler/dpa pool/dpa

Der Hauptangeklagte im Lübcke-Prozess, Stephan Ernst, wartet auf den Verhandlungsbeginn. Foto: Boris Roessler/dpa pool/dpa

Ein Freundschaftsdienst und Fragen zur Tatnacht standen am Dienstag im Mittelpunkt des Prozesses um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Die Ehefrau des angeklagten mutmaßlichen Rechtsterroristen Stephan Ernst gab in ihrer Zeugenaussage an, am Tatabend zwei Autos vor dem Wohnhaus der Familie gehört zu haben. Gespräche auf der Straße habe sie aber nicht gehört. Ihr Mann habe vor dem Tod Lübckes den wegen Beihilfe angeklagten Markus H. nie erwähnt, sagte die Zeugin vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt. Auch zu seinen Aktivitäten und Bekannten im Schützenverein habe er sich nicht geäußert.

Zu politischen Einstellungen ihres Mannes und dem Familienleben wollte sich die Ehefrau nicht äußern. Lediglich zum Kontakt mit einem früheren Anwalt ihres Mannes machte sie knappe Angaben. Dieser habe sie angerufen und gesagt, sie solle sich keine Sorgen um finanzielle Fragen machen, sagte sie. Die „Kameraden“ würden sich darum kümmern. Die entsprechende Aufnahme auf ihrem Anrufbeantworter existiere aber nicht mehr, sagte sie auf Nachfrage des Gerichts.

In dem Verfahren muss sich der 46 Jahre alte Deutsche Stephan Ernst wegen Mordes verantworten. Er soll den CDU-Politiker Lübcke im vergangenen Sommer auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen haben. Markus H., dem zweiten Angeklagten, wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe vor. Er soll Ernst wieder politisch radikalisiert haben. Die Anklage geht davon aus, dass der Mord aus einer rechtsextremistischen Gesinnung heraus begangen wurde.

Während es nur kurzen Blickkontakt zwischen dem Angeklagten und seiner Frau gab, winkte ihm der zweite Zeuge am Dienstag lächelnd zu, als er den Gerichtssaal betrat. Der gebürtige Iraner, der ein Arbeitskollege von Ernst war, sagte, dass er Ernst nicht als Mensch mit rechten oder rechtsextremen politischen Ideen erlebt habe. „Unsere Meinung ist eigentlich dieselbe“, sagte der 35-jährige, der im selben Schützenverein wie Ernst war.

Wenige Tage nach der Tat habe Ernst ihn angerufen und um einen Freundschaftsdienst gebeten, sagte der Zeuge. Ernst habe ihm erzählt, er habe ein Geschäft gemacht mit jemandem, der ihm nun Ärger machen wolle. Sollten Fragen aufkommen, wo sich Ernst an dem betreffenden Abend aufgehalten habe, solle er angeben, zu der Zeit mit ihm unterwegs gewesen zu sein. Nach der Festnahme Ernsts und nachdem er von dem Mord an Lübcke erfahren habe, habe er zwar über einen Zusammenhang mit der Tat nachgedacht. Er habe sich aber nicht vorstellen können, dass sein Freund jemanden töten könnte, sagte der Zeuge.

Von Schießübungen im Wald und Waffen im Besitz des Angeklagten habe er nichts gehört. „Er ist genau wie ein Bruder“, sagte er über die Freundschaft zu Ernst. Der Angeklagte sei „ein ruhiger Mensch, der seine Arbeit macht.“ Der wegen Beihilfe angeklagte Markus H., den er ebenfalls von der Arbeit kenne, sei „eindeutig der Rechtere“.

Vor der Vernehmung der Zeugen stellte einer der Verteidiger von Markus H. einen Befangenheitsantrag gegen die Richter. Er müsse befürchten, dass das Gericht seinem Mandanten gegenüber nicht unvoreingenommen sei, sagte er. Am vorherigen Verhandlungstag hatte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel dem Anwalt während einer Erklärung das Wort entzogen, weil er ihm ein vorweggenommenes Plädoyer vorwarf.

Der Prozess wird am Donnerstag mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt.

© dpa-infocom, dpa:200901-99-392507/3

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Erstellt:
1. September 2020, 18:11 Uhr

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