Arbeitsmarktzulage in der Kreisverwaltung kommt

Der Rems-Murr-Kreis will den Aderlass in seiner Führerscheinstelle und Kfz-Zulassung nicht länger hinnehmen. Die Mitarbeiter erhalten deshalb künftig mehr Geld und zwar 120 Euro im Monat nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit. Damit reagiert man auf das Vorgehen der Stadt Stuttgart.

Die Führerscheinstelle hat mit einer großen Mitarbeiter-Fluktuation zu kämpfen. Foto: Benjamin Büttner

Die Führerscheinstelle hat mit einer großen Mitarbeiter-Fluktuation zu kämpfen. Foto: Benjamin Büttner

Von Martin Winterling und Lorena Greppo

Rems-Murr. Der Rems-Murr-Kreis bekennt sich grundsätzlich zu den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst. Das betonte Landrat Richard Sigel in der jüngsten Sitzung des Verwaltungs-, Schul- und Kulturausschusses des Kreistags (VSKA). Doch in der Führerscheinstelle und bei der Kfz-Zulassung möchte er gern eine Ausnahme machen. Er will die rund 50 Mitarbeiter unbedingt halten und zahlt ihnen lieber eine Zulage von 120 Euro im Monat, als sie zu verlieren. „Unser Ziel ist es, Kontinuität zu schaffen“, begründet er diesen Schritt. Die Zulage sei überschaubar, sie solle vor allem Signalwirkung für die Mitarbeiter in den betroffenen Bereichen haben: Ihre Arbeit wird wertgeschätzt. „Und sie macht uns konkurrenzfähig“, so Sigel weiter. Denn die Konkurrenz ist groß. Allen voran lockt die Landeshauptstadt Stuttgart mit Prämien und Zulagen – und wirbt der Kreisverwaltung ein ums andere Mal eingearbeitetes Personal ab.

Im vergangenen Jahr scheiterte der Anstoß

Kein Wunder: Die Stadt Stuttgart braucht dringend gute Leute, vor allem für die Bearbeitung von Führerscheinsachen und in der Kfz-Zulassung, wo es am Nesenbach bekanntlich gewaltig hapert. Und der Wettbewerb um Fachkräfte verschärft sich weiter im öffentlichen Dienst. Von 1. Juli an zahlt die Landeshauptstadt zudem nämlich eine „Stuttgart-Zulage“ von 150 Euro monatlich. An alle Beschäftigten – bis auf die Beamten.

Im Dezember 2023 war Landrat Sigel im VSKA mit seinem Ansinnen einer Zulage noch gescheitert. Den Bürger- und Oberbürgermeistern im Kreistag hatte die zu allgemein gehaltene Formulierung dieser Arbeitsmarktzulage nicht gepasst. Sie befürchteten, dass das Landratsamt mit dem Lockmittel Geld künftig auch in den Gefilden ihrer Rathäuser wildern könnte. Konkurrenz in der kommunalen Familie? Das war nicht erwünscht. In der Bürgermeisterversammlung wurde das Ansinnen thematisiert. In der Folge hat das Landratsamt die Zulage konkretisiert. Eine Erhöhung erfolgt nur auf klar definierte Bereiche in der Verwaltung und soll die Ausnahme bleiben. Am Montag stimmte der VSKA der Zulage zu, weil sie auf das Amt für Zulassung und Fahrerlaubnis begrenzt ist. Kosten: 85000 Euro pro Jahr.

Seit 2019 hat das Amt insgesamt 54 Mitarbeiter verloren

Begründet wird die Arbeitsmarktzulage damit, dass dieser Bereich besonders kundenintensiv sei und „aufgrund des Konkurrenzdrucks zu anderen Führerschein- und Zulassungsstellen, insbesondere der Landeshauptstadt, daher bereits seit längerer Zeit einer erheblichen Fluktuation ausgesetzt ist“, heißt es in der Vorlage für den Ausschuss. Seit 2019 verlor das Amt insgesamt 54 Mitarbeiter, also jeweils 27 pro Fachbereich. Begründet worden seien die Kündigungen in aller Regel mit den Servicezeiten. Die notwendige Präsenz am Schalter vor Ort steht einer flexiblen Arbeitszeiteinteilung entgegen.

In den kommenden Jahren stehen in diesem Bereich viele Aufgaben an

Obendrein sind diese Schaltertätigkeiten kein Spaß, vor allem, „wenn Serviceleistungen aufgrund von fehlenden Unterlagen oder medizinischen Auffälligkeiten, zum Beispiel Drogen- oder Alkoholmissbrauch, nicht unmittelbar im Sinne der Kundschaft erbracht werden können“. Der Ärger wird dann meist an den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern ausgelassen. Im Rems-Murr-Kreis sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weit überwiegend in den Entgeltgruppen 6/7 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst eingruppiert. In der Landeshauptstadt Stuttgart werden sie bei der gleichen Tätigkeit eine Entgeltgruppe höher bezahlt. Also wechseln sie.

Gerade dieser Bereich benötige aber Stabilität, um den in den kommenden Jahren notwendigen Umtausch von Führerscheinen aufgrund europarechtlicher Vorgaben bewältigen zu können, betonte Landrat Richard Sigel im Ausschuss. Also gibt’s mehr Geld, nämlich 120 Euro im Monat nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit – und sofern die Leistung stimmt.

CDU-Kreisrat Armin Mößner, seines Zeichens Bürgermeister der Stadt Murrhardt, hatte sich im Dezember noch gegen den Vorschlag der Kreisverwaltung positioniert. Er sah noch Abstimmungsbedarf. Nun dankte er für die „Nachschärfung“ des Antrags, mit dem der Frieden in der kommunalen Familie gewahrt bleibe.

Kreisräte sehen auch Risiken

Allerdings blieb das Vorgehen auch dieses Mal nicht ohne Kritik. Anne Kowatsch (Grüne) befürchtete, dass die Zulage zu Unfrieden unter den Beschäftigten im Landratsamt führen könnte, nach dem Motto: Warum die und nicht wir? Schließlich sei die Arbeit etwa im Ausländeramt derzeit sicherlich auch kein Zuckerschlecken. FW-Kreisrat Andreas Hesky, einst Oberbürgermeister in Waiblingen, sah wiederum das Risiko, dass sich Rathäuser und Landratsämter mit derartigen Zulagen „gegenseitig hochschaukeln“. Ein Szenario, das auch der Landrat vermeiden möchte, wie er daraufhin versicherte. Auch sei die Notwendigkeit der Zulage in der Belegschaft transparent kommuniziert worden. Den Nöten und Argumenten der Kreisverwaltung konnte und wollte sich Hesky nicht verschließen: „Wir Freien Wähler drücken die Daumen, dass die Zulage hilft.“ Wiederum anders argumentiert Klaus Harald Kelemen (SPD): Er sagte nicht nur, dass die Zulage gerne noch etwas höher hätte ausfallen dürfen. Ihm missfiel darüber hinaus auch das Vorgehen: Wegen eines für den Kreis überschaubaren Betrags noch eine Diskussion innerhalb der Bürgermeisterversammlung anzuberaumen, hielt er für übertrieben.

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Erstellt:
20. März 2024, 11:30 Uhr

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