Bundesregierung
Das sind die Beschlüsse aus dem Koalitionsausschuss
Autobahn-Milliarden, E-Mobilität, Aktivrente und Grundsicherung statt Bürgergeld – die Koalition aus CDU/CSU und SPD hat sich einiges vorgenommen.

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Für Merz und Klingbeil gibt es viel zu tun.
Von Michael Maier
Wird es der erhoffte große Wurf für die Bundesregierung nach Wochen und Monaten scharfer Kritik? Inzwischen ist jedenfalls klar, auf was sich der Koalitionsausschuss geeinigt hat. Wir dokumentieren hier auszugsweise die heute bei einer Pressekonferenz bekannt gewordenen Einzelheiten der verabschiedeten Beschlussvorlage.
Die verabredeten Verschärfungen für nicht kooperationsbereite Bezieher des Bürgergeldes gelten jedoch nicht für Menschen mit gesundheitlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, stellte Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) am Nachmittag klar.
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Was ist die Beitragsbemessungsgrenze?
1. Verkehrsinfrastrukturfinanzierung / Infrastrukturbeschleunigungsgesetz
Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur wird als das Rückgrat der Wirtschaft und der privaten Mobilität betrachtet. In der laufenden Legislaturperiode werden 166 Milliarden Euro investiert, was die bisher höchste Investitionssumme darstellt. Zusätzlich werden erhebliche Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität (SVIK) bereitgestellt, um in den vergangenen Jahren vernachlässigte notwendige Investitionen nachzuholen.
Der Koalitionsvertrag legt den Schwerpunkt auf Sanierung und Modernisierung nach dem Grundsatz „Erhalt vor Neubau“. Es ist zentral, vorrangige Verkehrsprojekte zu identifizieren, zu priorisieren und Planungs- sowie Genehmigungsverfahren effizienter und kostenschonend zu gestalten.
Maßnahmen für die Straße
Die Sanierung von Brücken und Tunneln soll im SVIK durch eine Erweiterung der Zweckbestimmung gestärkt werden, wofür 3 Milliarden Euro bereitgestellt werden sollen. Um die Planungssicherheit zu erhöhen und auf kurzfristige Entwicklungen reagieren zu können, wird die Flexibilität im Haushaltsvollzug des SVIK verbessert.
Angestrebt wird ein Sparpotenzial durch eine effizientere Mittelbewirtschaftung und serienmäßiges oder standardisiertes Bauen. Die Eckpunkte für das Infrastruktur-Strukturgesetz sollen dem Bundesministerium für Verkehr vorgelegt und der Gesetzentwurf zügig bis Dezember 2025 ins Kabinett eingebracht werden.
Mittelfristig ist die stärkere Mobilisierung privaten Kapitals geplant, insbesondere durch die Etablierung der nachhaltigen Kreditfähigkeit der Autobahn GmbH (Öffentlich-Privater Partnerschaften/ÖPP). Es erfolgt eine zusätzliche Mobilisierung von insgesamt 3 Milliarden Euro für die Straße durch eine Umschichtung von SVIK-Mitteln aus dem Bereich der Mikroelektronik für den Zeitraum 2026-29.
2. Förderung Klimaneutraler Mobilität für niedrige Einkommen
Ziel ist es, spürbare Vorteile für Verbraucher durch die Nutzung emissionsfreier Fahrzeuge und den Umstieg auf klimaneutrale Mobilität zu schaffen. Die Förderung richtet sich gezielt an Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen. Für dieses Förderprogramm werden die Mittel des EU-Klimasozialfonds zuzüglich Geldern aus dem KTF (Klima- und Transformationsfonds) in Höhe von insgesamt 3 Milliarden Euro bis 2029 verausgabt.
3. Vereinbarung zum Rentenpaket (inklusive Aktivrente)
Der Koalitionsausschuss hat am 28. Mai und 2. Juli eine umfassende Rentenreform vereinbart. Wichtige Bestandteile sind die „Haltelinie“ beim Rentenniveau, die Vollendung der Mütterrente, die Aufhebung des Vorruhestandsverbots, die Stärkung der Betriebsrente sowie die Aktivrente und die Frühstartrente. Diese Gesetze sollen noch in diesem Jahr beschlossen werden und am 1. Januar 2026 in Kraft treten.
Eckpunkte für die Aktivrente (Start 1.1.2026)
- Die Aktivrente gilt für abhängige/nichtselbstständige Tätigkeiten (sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse), jedoch nicht für Gewerbetreibende, Freiberufler oder selbstständige Land-/Forstwirte.
- Die Aktivrente bleibt steuerfrei bis zu 2.000 Euro im Monat (ohne Progressionsvorbehalt).
- Die Steuerbefreiung wird im Lohnsteuerabzugsverfahren berücksichtigt.
- Aktivrentner unterliegen der regulären Kranken- und Pflegeversicherungspflicht, wobei Arbeitgeber zusätzlich die regulären Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung zahlen.
- Die Regelung soll nach zwei Jahren evaluiert werden.
- Als zusätzlicher Teil der Rentenreform soll die Reform der privaten Altersvorsorge (Nachfolge Riester) noch 2025 im Kabinett beschlossen werden.
4. Neue Grundsicherung statt Bürgergeld
Das bisherige Bürgergeldsystem wird in eine Neue Grundsicherung umgewandelt, um erwerbsfähige Arbeitslose in dauerhafte Beschäftigung zu bringen.
Leistungsberechtigte erhalten künftig einen verbindlichen Leistungsbescheid (inklusive Rechtsbehelfsbelehrung). Nach einem ersten persönlichen Gespräch wird ein Kooperationsplan erstellt, der die gegenseitigen Rechte und Pflichten enthält.
Der Vermittlungsvorrang in Arbeit bleibt grundsätzlich bestehen. Der Fokus liegt darauf, die Erwerbsfähigkeitsdefinition realistischer zu fassen. Langzeitarbeitslose sollen eine engere Betreuung mit deutlicherem Kontakt erhalten. Meldeversäumnisse und Pflichtverletzungen werden künftig konsequent sanktioniert, und die bisherigen Sanktionsstufen entfallen.
Sanktionen bei der Grundsicherung
- Wer einem ersten Termin im Jobcenter unentschuldigt fernbleibt, wird unverzüglich zum zweiten Termin geladen.
- Wird der zweite Termin nicht wahrgenommen, werden die Leistungen um 30 Prozent gekürzt.
- Bleibt auch ein dritter Termin ungenutzt, werden die Geldleistungen komplett eingestellt.
- Bei Einstellung der Leistungen wird der Kostenanteil der Unterkunft für den darauffolgenden Monat komplett eingestellt (es sei denn, es liegen schwerwiegende Gründe wie gesundheitliche Härten vor).
- Bei der ersten Pflichtverletzung (z.B. Arbeitsablehnung) wird die Leistungsminderung 30 Prozent betragen. Im Einklang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts werden bei Arbeitsablehnung die Geldleistungen gestrichen.
- Die Kosten für die Unterkunft werden bei Kürzung oder Einstellung der Leistung direkt vom Jobcenter an den Vermieter abgeführt.
Vermögensanrechnung und Missbrauchsbekämpfung
Die Karenzzeit bei der Vermögensanrechnung entfällt. Stattdessen wird die Vermögensanrechnung an die Lebensleistung der Betroffenen gekoppelt, beispielsweise unter Berücksichtigung von Alter und bisherigen Beitragszeiten in der Arbeitslosenversicherung. Unverhältnismäßig hohe Kosten der Unterkunft entfallen ebenfalls aus der Karenzzeit.
Zur Bekämpfung von Sozialleistungsmissbrauch sind Maßnahmen gegen Schwarzarbeit, eine verstärkte Arbeitgeberhaftung, eine klarere Fassung des Arbeitnehmerbegriffs und verbesserte Datenaustauschprozesse vorgesehen.
Zur Entlastung der Jobcenter soll die temporäre Bedarfsgemeinschaft abgeschafft werden. Eltern, die von der Hauptbetreuung befreit sind, erhalten künftig einen pauschalen Mehrbedarf für den vollen Regelbedarf.