Dekan Wilfried Braun und Pfarrerin Sabine Goller-Braun verlassen Backnang

Nach 13 Jahren in Backnang steigt das Ehepaar gemeinsam von der Kanzel. Mit der frisch renovierten Stiftskirche hinterlassen sie der Stadt eine bleibende Erinnerung.

Wilfried Braun und Sabine Goller-Braun im Chor der sanierten Stiftskirche. Hier haben die beiden seit 2010 viele Gottesdienste gehalten und hier spielt der Dekan fast jeden Morgen auf seiner Trompete. Foto: Alexander Becher

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Wilfried Braun und Sabine Goller-Braun im Chor der sanierten Stiftskirche. Hier haben die beiden seit 2010 viele Gottesdienste gehalten und hier spielt der Dekan fast jeden Morgen auf seiner Trompete. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Fast jeden Morgen nach dem Aufstehen schnappt sich Wilfried Braun seine Trompete und geht die wenigen Meter von seiner Dienstwohnung hinüber in die Stiftskirche. Ganz für sich alleine spielt er dort Choräle oder auch mal die Eurovisionsfanfare und genießt die Akustik. „Das gehört für mich zum Gotteslob“, sagt der Dekan. Bald muss er sich dafür einen neuen Ort suchen, denn nach 13 Jahren geht für den 64-Jährigen die Zeit in Backnang zu Ende. Zusammen mit seiner Frau, Stiftskirchenpfarrerin Sabine Goller-Braun, geht der Dekan Ende Mai in den Ruhestand. Weil beide noch Resturlaub haben, werden sie schon diesen Sonntag verabschiedet.

Den Mai werden sie für den Umzug brauchen, denn das Paar wird künftig in Reutlingen wohnen, wo die Mutter und die Schwestern von Sabine Goller-Braun leben. Unter Pfarrern gilt es als ungeschriebenes Gesetz, im Ruhestand das Feld für den Nachfolger zu räumen und nicht in der bisherigen Gemeinde wohnen zu bleiben.

Ein Verdienst: die Sanierung der Stiftskirche

Nun ist die Arbeit von Seelsorgern eigentlich nicht mit Händen zu greifen, aber der Dekan und seine Frau hinterlassen in Backnang auch sichtbare Spuren: Dass die Stiftskirche seit zwei Jahren in neuem Glanz erstrahlt, ist maßgeblich ein Verdienst der beiden. „Schon bei meiner Investitur sagte der Prälat zu mir: Hier wartet Arbeit auf Sie“, erinnert sich Wilfried Braun. Er sollte recht behalten: Von der Planung über die Finanzierung bis zu den zähen Verhandlungen mit den Denkmalschützern kostete die Renovierung viel Kraft und Nerven.

Dass es am Ende geklappt hat und für die Renovierung rund eine Million Euro an privaten Spenden floss, macht das Pfarrerehepaar stolz. Zeigt es ihnen doch auch, dass Kirche nach wie vor Relevanz hat, auch wenn die Mitgliederzahlen sinken. „Mit der Kirche identifizieren sich viel mehr Leute, als sonntags in den Gottesdienst kommen“, sagt Sabine Goller-Braun.

Dass er in der Lage ist, nicht nur die Herzen, sondern auch die Geldbeutel der Menschen zu erreichen, hat Wilfried Braun, der in der Nähe von Nagold aufgewachsen ist, bereits an seinen früheren Wirkungsstätten bewiesen. In seiner ersten Gemeinde in Flözlingen bei Tuttlingen gründete er einen Förderverein und finanzierte so die Stelle einer Jugendreferentin. In Gerlingen, wo er 13 Jahre geschäftsführender Pfarrer war, gründete er ebenfalls einen Verein und startete zudem eine Kooperation mit zwei Nachbargemeinden, die es möglich machte, zusätzliche Personalstellen zu schaffen.

Ehrenamtliche Helfer sind wichtig für die Kirche

„Wenn eine Gemeinde blühen soll, dann müssen sich viele über die Kirchensteuer hinaus engagieren“, sagt Wilfried Braun. Menschen dafür zu gewinnen, war eine seiner Stärken. Das blieb auch dem Oberkirchenrat nicht verborgen: 2003 wurde Braun erstmals gefragt, ob er nicht Dekan werden wolle. Damals lehnte er ab. Er wollte Gerlingen nicht schon nach sechs Jahren wieder verlassen. Als dann 2010 die Stelle in Backnang frei wurde, bewarb er sich, obwohl er die Stadt nicht kannte. „Der Kirchengemeinderatsvorsitzende in Gerlingen kam aber aus Auenwald und hat mir die Region empfohlen“, erinnert sich Braun.

Als Dekan war er Chef des Kirchenbezirks und für insgesamt 22 Gemeinden von Kleinaspach bis Kirchenkirnberg verantwortlich. Daneben engagierte sich Braun auch sechs Jahre in der Landessynode. Seine besondere Leidenschaft galt der Ökumene, also der Zusammenarbeit mit anderen christlichen Kirchen und Glaubensgemeinschaften. „Es ist notwendig und bereichernd, sich mit Christen aus anderen Lebenswirklichkeiten auszutauschen“, findet Wilfried Braun, der dabei auch gerne über den Tellerrand der Landeskirche hinausblickte. In seiner Zeit in Gerlingen organisierte er unter anderem Reisen nach Afrika und engagierte sich beim Ökumenischen Institut des Lutherischen Weltbunds in Straßburg. Seit seinem Studium in Lausanne spricht er fließend Französisch.

Mit seiner Frau Sabine war Wilfried Braun von Anfang an nicht nur privat, sondern auch beruflich ein Paar. Im Studium in Tübingen hatten sich beide kennengelernt. Damit seine Frau ihr Vikariat beenden konnte, stellte Wilfried Braun sogar seine Ordination als Pfarrer zurück und betreute zweieinhalb Jahre als Hausmann die Kinder. „Ich wollte immer eine Frau auf Augenhöhe an meiner Seite haben“, erklärt er. Später hat sich das Paar, das drei Töchter hat, dann die Stellen geteilt. Das hätte Wilfried Braun auch als Dekan gerne getan, doch das passte nicht ins Weltbild des Oberkirchenrats. So musste sich Sabine Goller-Braun in Backnang anfangs mit einem Job als Religionslehrerin und Vertretungspfarrerin begnügen. Zum Glück wurde aber bald die Pfarrstelle an der Stiftskirche frei und das Duo war auch beruflich wieder vereint.

Dekan Braun: „Die gesellschaftliche Anerkennung für den christlichen Glauben hat abgenommen, aber nicht die Wichtigkeit der Botschaft.“

Dass sich Kirche heute immer schwerer tut, die Breite der Gesellschaft zu erreichen, mussten auch die Brauns immer wieder erleben. „Die gesellschaftliche Anerkennung für den christlichen Glauben hat abgenommen, aber nicht die Wichtigkeit der Botschaft“, findet Wilfried Braun. Und wenn er an seine Zeit in Backnang zurückdenkt, dann fallen ihm auch zahlreiche Erlebnisse ein, die Mut machen. Zum Beispiel die Zeltkirchentage auf der Bleichwiese, zu denen 2014 mehr als 10000 Besucher strömten, oder das Reformationsjubiläum 2017, zu dem der Dekan ein Theaterstück verfasste.

„Wir müssen immer wieder kreative Impulse setzen und für das Evangelium werben“, fordert Sabine Goller-Braun. Sie und ihr Mann wollen das auch im Ruhestand weiterhin tun, wenn auch nicht mehr jede Woche. Einmal in der Reutlinger Marienkirche zu predigen, das sei ein Wunsch von ihr, verrät die 63-Jährige. Und vielleicht darf ihr Mann dort ja auch noch mal auf seiner Trompete spielen.

Verabschiedung Dekan Wilfried Braun und Pfarrerin Sabine Goller-Braun werden am Sonntag, 30. April, um 15 Uhr mit einem Festgottesdienst in der Stiftskirche verabschiedet. Die Bevölkerung ist dazu herzlich eingeladen. Im Anschluss findet ein Stehempfang auf dem Freithof statt.

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Erstellt:
28. April 2023, 06:00 Uhr

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