Ort für das Wort und Raum für den Himmel

Die generalsanierte Stiftskirche in Backnang ist nun innen wie außen fertig. Nach dem Kirchweihfestgottesdienstes am gestrigen Sonntag steht sie für die Bevölkerung offen. Der Schirmherr der Renovierung, SKH Bernhard Prinz von Baden, spricht von einer Gedenkstätte für seine Familie.

Lücken in den Bankreihen wegen der Coronapandemie beim gestrigen Kirchweihfestgottesdienst. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Lücken in den Bankreihen wegen der Coronapandemie beim gestrigen Kirchweihfestgottesdienst. Foto: A. Becher

Von Jutta Rieger-Ehrmann

Backnang. Orte für das Wort – Raum für den Himmel. Ein Kollege habe das Besondere des Kirchenraums in dieser Weise beschrieben, so Pfarrerin Sabine Goller-Braun in ihrer Predigt. Eine Kirche ist in erster Linie ein Raum der Verkündigung des Wort Gottes, ein sakraler Raum. Doch eine Kirche ist noch weit mehr. Sie hat, wie die Geschichte der Stiftskirche St. Pankratius zeigt, historische, religiöse, kulturelle, baugeschichtliche, identitäts- und sinnstiftende Bedeutung. Bis heute. Eigentlich hätte 2016 die Sanierung abgeschlossen sein sollen, 900 Jahre nach ihrer Gründung durch Markgraf Hermann I. von Baden und seiner Frau Judith von Backnang. Nicht zuletzt coronabedingt verzögerte sich die Fertigstellung. Um 1116 bestätigte Papst Paschalis II. das in der Backnanger Pfarrkirche gegründete Augustiner-Chorherrenstift. Die Stiftskirche wurde St. Pankratius geweiht, den man besonders im Kloster Cluny verehrte, wo der Vater des Stiftsgründers, Hermann von Verona, eingetreten war.

„Backnang wäre nicht das,

was es heute ist, ohne das Stift“

Über fünf Generationen wurde das im badischen Herrschaftszentrum liegende Stift als Hausstift und Familiengrabstätte der Markgrafen genutzt. Entsprechend wichtig sei dieser Ort als Erinnerungs- und Gedenkstätte für seine Familie, wie der Schirmherr, SKH Bernhard Prinz von Baden, in seinem Grußwort betonte. Doch er hob auch die Bedeutung des Stifts für die Stadt- und Landesgeschichte hervor. Für seine Unterstützung wurde er mit einer Urkunde als Ehrenmitglied des Kirchbauvereins Stiftskirche Backnang geehrt. „Backnang wäre nicht das, was es heute ist, ohne das Stift, was zur Gründung und Blütezeit Backnangs führte,“ erklärte Ute Ulfert, Vorsitzende des Kirchengemeinderats und 1. Vorsitzende des Kirchbauvereins.

Es waren zahlreiche helfende Hände und Unterstützung auf allen Ebenen notwendig, um das Wahrzeichen der Stadt zu „retten“, wie Oberbürgermeister Maximilian Friedrich in seinem Grußwort verdeutlichte. Allein die Stadt Backnang steuerte 500000 Euro zu dieser Herkulesaufgabe bei. Finanzielle Beiträge kamen ebenfalls vom Kirchbauverein, dem Land mit rund 800000 Euro für den Denkmalschutz sowie der Landeskirche und der Kirchengemeinde, aber auch von den Ehrenamtlichen der Stiftsbauhütte, privaten Spendern und etlichen Firmen.

Es galt, 4,7 Millionen Euro zu stemmen. Ohne den langen Atem und das Engagement von Dekan Wilfried Braun, dem „Motor“ des Projekts, sowie vielen weiteren Beteiligten und Verantwortlichen, wäre das Vorhaben nicht gelungen. Friedrich wies darauf hin, dass „sich die Teams von Baurmann-Dürr-Architekten und SchmidTreiber-Partner-Landschaftsarchitekten als wahrer Glücksfall“ entpuppten. In seinem Grußwort erklärte Professor Henning Baurmann, Karlsruhe, seine Leidenschaft für Kirchen, da diese nicht nur bau- und religionsgeschichtlich interessant seien, sondern auch als öffentliche Räume in einer Stadt, in der bis zum heutigen Tag die Belange der Gesellschaft verhandelt würden, obwohl manche Kritiker meinten, dass es Wichtigeres gebe, als einen alten Sakralbau zu renovieren. Auch die Prinzipalien-Künstler Sabine Straub und Werner Mally (beide München) erläuterten die Kernpunkte und symbolische Bedeutung ihrer Arbeit.

Der Kirchenraum mit seinem Zugang zur Krypta, den Gräbern der Ahnen, der Taufkapelle als Symbol für den Beginn des Lebens und dem Altar in der Mitte, darüber der segnende Christus, der helle, sternennetzgewölbte Chor, alles umrahmt von den leuchtenden bunten Fenstern und umhüllt von einem außergewöhnlichen Klang, dies alles mache die Besonderheit dieses Raums aus, betonte Pfarrerin Goller-Braun. „Andersorte“, so nennt der Philosoph Michel Foucault Orte mit spezieller Bedeutung in einer Stadt, die „einerseits fremd und nicht alltäglich und andererseits auf eine geheimnisvolle Art Heimat darstellten“, so Goller-Braun weiter.

Für den Klang vor der Kirche sorgten die Turmbläser und der Posaunenchor der Gesamtkirchengemeinde, innerhalb des Raums der Kirchenmusikdirektor Hans-Joachim Renz (Orgel) sowie Nora B. Hagen (Gesang) und Susanne Stree (Violine) beim Vortrag der Buxtehude-Kantate. Der Stehempfang im Freithof mit weiteren Gruß- und Dankesworten rundete die Gesamteinweihung ab. Ein würdevoller und fröhlicher Abschluss der Renovierungsarbeiten und eine feierliche Übergabe der Kirche an die evangelische Stiftskirchengemeinde.

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Erstellt:
18. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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