Die Wahl zieht die Bevölkerung von Großerlach in ihren Bann

Bürgermeisterwahl Großerlach Mehr als 300 Bürgerinnen und Bürger verfolgen in Grab die Vorstellung der Kandidaten für das Rathausamt. Melih Göksu, Kay Theodor Schloe und Kevin Dispan stellen sich den Fragen der Anwesenden. Viele ihrer Themen sind ähnlich.

Für den noch amtierenden Bürgermeister Christoph Jäger (rechts) ist es ein Musterbeispiel gelebter demokratischer Beteiligung, dass sich so viele Großerlacherinnen und Großerlacher bei der Kandidatenvorstellung der Gemeinde über die Bewerber Kevin Dispan, Kay Theodor Schloe und Melih Göksu (von links) informieren. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Für den noch amtierenden Bürgermeister Christoph Jäger (rechts) ist es ein Musterbeispiel gelebter demokratischer Beteiligung, dass sich so viele Großerlacherinnen und Großerlacher bei der Kandidatenvorstellung der Gemeinde über die Bewerber Kevin Dispan, Kay Theodor Schloe und Melih Göksu (von links) informieren. Foto: Tobias Sellmaier

Von Christoph Zender

Großerlach. „Ich kann mich kaum erinnern, jemals mehr Besucher in der Schwalbenflughalle gesehen zu haben als heute Abend.“ Mit diesen Worten begrüßt Christoph Jäger, Bürgermeister von Großerlach, am Mittwochabend die mehr als 300 Zuschauerinnen und Zuschauer zur Kandidatenvorstellung für die bevorstehende Wahl des neuen Bürgermeisters.

Die baden-württembergische Gemeindeordnung sieht vor, dass der nicht mehr zur Wiederwahl antretende Amtsinhaber das Wahlprozedere zu organisieren hat. Eine durchaus ambivalente Situation für Christoph Jäger, wie er offen eingesteht, könnten doch die neuen Ideen und Verbesserungsvorschläge der Bewerber als leise Kritik an seiner Amtsführung verstanden werden. Souverän und selbstbewusst entkräftet Christoph Jäger diesen Eindruck gleich zu Beginn der Veranstaltung in Grab: „Ich wünsche Ihnen einen neuen Bürgermeister, der genauso gut ist wie ich oder noch besser.“ Mit einem Augenzwinkern fügt er an, dass er natürlich auf Letzteres hoffe.

Der vierte Kandidat fehlt bei der Vorstellung – er ist im Urlaub

Wie sich die drei Kandidaten – Melih Göksu, Kay Theodor Schloe und Kevin Dispan – angesichts dieser ambitionierten Vorgabe schlagen, zeigt sich im Verlauf des Abends. Der vierte Bewerber, der sich nach wie vor um das Bürgermeisteramt bemüht, Simon Beck (49, Inhaber und Geschäftsführer eines Unternehmens für Erdbau und Containerdienst), befindet sich momentan nach wie vor im Urlaub und ist daher nicht bei der Kandidatenvorstellung anwesend.

Das Kandidatentrio präsentiert sich in verschiedener Hinsicht als eine 1:2-Formation: Hier der an Jahren und Körpergröße die beiden Mitbewerber deutlich überragende Kay Theodor Schloe (59 Jahre). In einen braunen Anzug mit Weste, weißem Hemd und Manschettenknöpfen gewandet, blickt er auf eine Karriere als promovierter Biologe im öffentlichen und privaten Gesundheitswesen zurück.

Dort mit Melih Göksu (33 Jahre) und Kevin Dispan (30 Jahre) zwei noch recht junge Verwaltungsfachleute, die sich an verschiedenen Stationen ihre beruflichen Meriten verdient haben. Als hätten sie sich bei der Auswahl ihrer Kleidung vorher abgesprochen, haben sich beide für einen sportlich geschnittenen blauen Anzug mit weißem Hemd entschieden.

Redezeit wird streng überwacht

Parallelen zeigen sich auch in den Vorstellungsreden von Göksu und Dispan. Innerhalb von 15 Minuten, so die von Christoph Jäger streng überwachte Redezeit, präsentieren sie versiert ihre Themen, die von der Ortskernsanierung, möglichen Gewerbeansiedlungen, der Bildung bis hin zu Verkehr und Energie reichen. Da tritt deutlich die langjährige Erfahrung beider im kommunalen Verwaltungssektor hervor.

Weitere Themen

Damit kann der Dritte im Bunde, Kay Theodor Schloe, aufgrund seiner Vita nicht punkten. Die Aufmerksamkeit der Zuhörerinnen und Zuhörer erreicht aber auch er. In einer emotionaleren Vorstellung bedient er sich eines rhetorischen Stilmittels: Er ordnet jedem Buchstaben des Ortsnamens „Großerlach“ einen Punkt zu, der ihn als geeigneten neuen Rathauschef prädestinieren soll. So steht beispielsweise der Anfangsbuchstabe „G“ für Schloe für „Geburt“: Als Kind der Landwirtschaft habe er das „Anpacken“ gelernt und so sehr früh eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Bürgermeister verinnerlicht. Das ihm die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger besonders am Herzen liegen, demonstriert er am Buchstaben „O“: Die „Ohren“ stehen für ihn sinnbildhaft für die Kunst des Zuhörens. Das Reden allein nicht immer den Weg zum Erfolg ebnet, habe er schon als Leiter des Vertriebs einer Medizintechnikfirma gelernt.

Mehr als zwei Stunden lang prasselt ein wahres Feuerwerk an Fragen auf die Kandidaten ein

Genaues Zuhören war auch im zweiten Teil der Kandidatenvorstellung gefragt: Mehr als zwei Stunden lang prasselt ein wahres Feuerwerk an Fragen auf die Kandidaten ein: Neben den bereits genannten Themenschwerpunkten wollten die Fragenstellerinnen und Fragesteller von den Kandidaten auch wissen, wie sie sich zu Landwirtschaft, Tourismus, Jugendarbeit sowie Ärzte- und der allgemeinen Nahversorgung positionieren. Daran wird deutlich, welche Herausforderungen auf den neuen Bürgermeister zukommen werden.

Grund genug für die Zuhörerinnen und Zuhörer, bei der persönlichen Motivation der Kandidaten und deren individuellen Karriereplanungen nachzuhaken. Auch an dieser Stelle präsentiert sich ein vertrautes Bild: Kevin Dispan und Melih Göksu verspürten nach eigener Aussage beide schon früh den Wunsch, einmal Bürgermeister zu werden. Bei Kay Theodor Schloe ist dieser Gedanke quasi erst auf der Zielgeraden seines Berufslebens gereift. Dennoch strebt auch er im Fall seiner Wahl zwei Amtsperioden an. Darauf lassen sich auch die beiden jungen Verwaltungsspezialisten festlegen. Schließlich möchte Melih Göksu, der sich als einziger Kandidat explizit für einen Neubau des Rathauses ausgesprochen hat, dort auch einmal selbst einziehen.

Für die Erstwählerin Jessica Wolf aus Neufürstenhütte liegt das alles noch in ferner Zukunft, sie ist neugierig auf die bevorstehende Wahl. „Für mich war der Abend sehr aufschlussreich“, sagt sie im Anschluss an die Veranstaltung. „Ich fand es spannend, die Kandidaten live zu erleben. Entschieden habe ich mich aber noch nicht. Da muss ich erst mal noch drüber schlafen.“

Das gesunde Schlafbedürfnis seiner Großerlacher im Auge behaltend, schließt Christoph Jäger nach mehr als drei Stunden die Veranstaltung mit einem Dank an die Anwesenden. „Der heutige Abend war ein Musterbeispiel für gelebte demokratische Beteiligung. Sie alle haben durch Ihren wertschätzenden Umgang mit den Kandidaten Werbung für die Gemeinde Großerlach gemacht“, sagte er. Gleichzeitig appellierte Christoph Jäger: „Sie haben ein Wahlrecht. Bitte nutzen Sie es am 28. Januar auch!“

Kevin Dispan entschuldigt sich für abgeschriebene Rede

Rede Die Vorstellung, die Bürgermeisterkandidat Kevin Dispan am Montag beim BKZ-Wahlpodium vorgetragen hat, deckte sich zum größten Teil mit der Rede, mit der sich Sulzbachs neu gewählte Bürgermeisterin Veronika Franco Olias beim Sulzbacher BKZ-Wahlpodium vorgestellt hatte. Veronika Franco Olias wusste vorher nichts davon. Kevin Dispan räumte bereits gegenüber der BKZ ein, dass ihre Rede seine Vorstellung beeinflusst habe: „Wir haben eben eine ähnliche Geschichte.“

Statement Auf Facebook und auf Instagram hat Kevin Dispan gestern eine Stellungnahme veröffentlicht, mit der er sich zu seiner
Rede beim BKZ-Wahlpodium positioniert. Darin entschuldigt er sich bei den Großerlacherinnen und Großerlachern. Er habe sich bei seiner Rede von Veronika Franco Olias inspirieren lassen „und bin dabei, das räume ich ein, leider über das Ziel hinausgeschossen“. Er habe sich bereits persönlich mit Veronika Franco Olias in Verbindung gesetzt und sich bei ihr entschuldigt, so Dispan. Zwischen den beiden gebe es keine Differenzen. Seine Ziele verfolge er aufrichtig. „Deshalb appelliere ich nunmehr an Ihr geschätztes Urteilsvermögen“, richtete er sich an die Bürgerinnen und Bürger. „Geben Sie mir eine faire Chance.“ Zuletzt verweist der Bürgermeisterkandidat auf die Rede, die er bei der Kandidatenvorstellung in Grab gehalten hat – die, wie er betont, „komplett aus eigener Feder“ stammt.

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Erstellt:
19. Januar 2024, 06:00 Uhr

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