Prozess um getöteten Auerhahn: „Heute tut es mir leid“

dpa/lsw Titisee-Neustadt. Vor den Augen von Passanten haben sie laut Anklage einen Auerhahn im Schwarzwald getötet. Nun stehen deswegen zwei junge Männer vor Gericht. Naturschützer sind noch immer schockiert über den Fall, die mutmaßlichen Täter zeigen Reue.

Ein Auerhahn steht im Wald. Foto: Michael Reichel/zb/dpa/Archivbild

Ein Auerhahn steht im Wald. Foto: Michael Reichel/zb/dpa/Archivbild

Sie tranken schon morgens Bier und wanderten feiernd auf dem Feldberg von Hütte zu Hütte - doch der Partyspaß endete jäh, als ein vom Aussterben bedrohter Auerhahn reglos auf dem Boden lag: Zwei 21 und 23 Jahre alte Männer müssen sich nun vor Gericht verantworten, weil sie im vergangenen Sommer am Rande eines Volksfests den streng geschützten Vogel erschlagen haben sollen. Die Angeklagten sagten beim Prozessauftakt am Dienstag vor dem Amtsgericht in Titisee-Neustadt, der Auerhahn habe sie angegriffen und sie hätten sich gegen das feindselige Tier verteidigen müssen. Heute bereuten sie die Tat jedoch.

„Ich hatte Angst um meine eigene Haut. Heute tut es mir leid“, sagte der 21-Jährige. Ihm wirft die Anklage eine Tiertötung vor; beiden Männern einen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz. „Ich habe ein- bis zweimal drauf gehauen, weil ich wollte, dass es ruhiger wird“, sagte der Angeklagte. Laut den Ermittlern tötete der 21-Jährige den Vogel mit einem stumpfen Gegenstand. Womit der Mann auf das Tier einschlug, muss noch geklärt werden - Zeugen berichteten von einer Flasche. Danach habe das Tier benommen auf dem Boden gelegen, aber weiter gelebt.

Zeugen berichteten im Prozess, dass einer der Männer damals zunächst mit dem Handy Bilder von dem Tier gemacht hatte. Beide hätten den Hahn außerdem lautstark nachgeahmt - obwohl mehrere Leute die Männer aufgefordert hätten, den Vogel in Ruhe zu lassen. Eine Zeugin gab die angeblichen Vogelruf-Nachahmungen eines Angeklagten mit „Uh, Uh“ wieder und erntete dafür einige Lacher im Saal. Einer der Angeklagten soll das Tier außerdem mit einer Flüssigkeit bespritzt haben. Auf die angebliche Notwehr angesprochen, sagte ein Zeuge: „Das ist Quatsch. Vor so einem kleinen Tier braucht man keine Angst haben.“

Die beiden Männer hatten nach eigener Aussage an dem Tag bereits morgens angefangen, Bier zu trinken. „Wir sind von Hütte zu Hütte gelaufen, hatten einen Mordsspaß“, erzählte der 21-Jährige. In einem Waldgebiet, in das sie zum Pinkeln gegangen seien, habe der Auerhahn sie dann angegriffen. Nach der Tat seien sie von einer empörten Menschengruppe gejagt, geschlagen, gewürgt und bespuckt worden.

Die Männer haben den Vorfall auch in ihrem Umfeld zu spüren bekommen: Der 21-Jährige verlor seinen Jagdschein und mied anschließend Feste aus Angst vor Beleidigungen. Wenn das Gericht der Anklage folgt, drohen den Männern bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafen. Das Töten eines Tieres ohne vernünftigen Grund ist laut Tierschutzgesetz verboten. Die Tat hatte im vergangenen Sommer überregional Bestürzung hervorgerufen.

Das Auerhuhn ist in Deutschland vom Aussterben bedroht - im Schwarzwald geht der Bestand seit rund 100 Jahren zurück. Das Gebiet am Feldberg gilt als wichtige Heimat für Auerhühner. Der Tierbestand dort beträgt nach Aussage des ehemaligen Auerhahnbeauftragten etwa 130 bis 150 Tiere.

Umwelt- und Naturschützer riefen nach der Tat dazu auf, die Wanderwege am Feldberg nicht zu verlassen. Wildtiere benötigten Rückzugsflächen, Menschen sollten dies respektieren. Dass ein Auerhahn, vor allem in der Balz, sein Revier mit Flügelschlagen verteidige, komme vor. Eine echte Gefahr für Menschen gehe von dem Tier aber nicht aus. Im Zweifel ziehe sich das scheue Tier zurück.

Beim Naturschutzbund Nabu sorgt die Tat nach wie vor für Unverständnis. „Was da geschehen ist, hat mich zutiefst schockiert. Das ist eine Straftat, die ich mir nur mit vollkommener Ignoranz und übermäßigem Alkoholkonsum erklären kann“, sagte der Landesvorsitzende Johannes Enssle. Jedes der aussterbenden Tiere zähle.

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Erstellt:
28. Juli 2020, 10:57 Uhr

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