Protest von Landwirten: Sternfahrt mit Traktoren

dpa/lsw Stuttgart. Viele Bauern sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Sie stören sich an den zunehmenden Auflagen der EU, vom Bund und vom Land. Der Ärger treibt die Landwirte auf die Straße.

Landwirte mit ihren Traktoren bei einer Demonstration in Stuttgart. Foto: Oliver Willikonsky/dpa/Archivbild

Landwirte mit ihren Traktoren bei einer Demonstration in Stuttgart. Foto: Oliver Willikonsky/dpa/Archivbild

Bauern haben in Stuttgart ihrem Unmut gegen die Agrarpolitik Luft gemacht: An einer Sternfahrt aus vier Himmelsrichtungen beteiligten sich am Freitag nach Angaben der Polizei mehr als 1000 Traktoren. Es habe größere Verkehrsbehinderungen auf den Zufahrtsstraßen gegeben. Nach Veranstalterangaben waren rund 2500 Schlepper beteiligt. Der Protest der Landwirte richtete sich unter anderem gegen neue Umweltauflagen, das angekündigte Glyphosatverbot, einen verschärften Insektenschutz und ihr niedriges Einkommen.

Alexander Kern von der Organisation „Land schafft Verbindung“, die zum Protest aufgerufen hatte, sagte bei der Kundgebung, inzwischen sei die Politik auf die Probleme der Landwirtschaft aufmerksam geworden. Das reiche aber noch nicht aus. Die Diskussion über die Themen müsse mit den Bauern und frei von Ideologie geführt werden. Die Landwirte waren aus dem ganzen Land gekommen.

Albert Gramling aus Ravenstein (Neckar-Odenwald-Kreis) war um 7.00 Uhr mit seinem Unimog nach Stuttgart gefahren. Die Politik gängele die Landwirtschaft durch immer neue Auflagen, sagte er. Gramling und die anderen Teilnehmer fühlen sich in der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt und fordern von der Politik und den Verbrauchern mehr Verständnis für ihre Arbeit. Besonders verärgert sind sie über die Pläne zur Düngeverordnung.

Nach Bayern und Rheinland-Pfalz könnte auch Baden-Württemberg Teile der Düngeverordnung in ihrer jetzigen Form im Bundesrat ablehnen. Schärfere Regeln seien in diesem Maß nicht akzeptabel für das Land, sagte der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Es würden Existenzen der Bauern im Südwesten gefährdet. „Wir wollen Ausnahmeregelungen haben in regionalen Fragen, wenn es um die sogenannten roten Gebiete mit einer erhöhten Nitratbelastung des Grundwassers und um grüne Gebiete außerhalb geht“, sagte Hauk. Er forderte flexiblere Sperrfristen für das Ausbringen von Düngemittel ebenso wie beim geplanten Verbot der Düngung von Zwischenfrüchten.

Der Staatssekretär im Umweltministerium, Andre Baumann, sagte, der Schutz des Grundwassers habe höchste Priorität. Deshalb müsse die EU-Nitratrichtlinie umgesetzt werden. „Sie dient dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor gefährlichem Nitrit und dem Schutz von Umwelt und Natur. Wir dürfen aber dafür nicht unsere Landwirtschaft kaputt machen.“

Der Protest der Landwirte richtete sich auch gegen das Mercosur-Freihandelsabkommen der EU. Hier befürchten die Betriebe Billigimporte aus Südamerika und weiteren Druck auf ihre wirtschaftliche Existenz.

Auf Plakaten bei der Kundgebung war zu lesen: „Ohne Landwirtschaft wirst Du hungrig, nackt und nüchtern“ oder „Artenvielfalt nur mit uns Bauern“ sowie „Agrarpolitik wir reden mit“. Im Land gibt es nach der amtlichen Statistik 39 600 Betriebe, die durchschnittliche Größe liegt bei jeweils knapp 36 Hektar.

Der Naturschutzbund (NABU) Baden-Württemberg äußerte Verständnis für den Protest. Landeschef Johannes Enssle sagte, wer jedoch glaube, in der Landwirtschaft könnte alles beim Alten bleiben, liege falsch. „Das heutige Agrarsystem ist krank und braucht dringend einen Neustart. Dafür müssen alle an einen Tisch: Landwirte, Naturschützer, Verbraucherinnen und Verbraucher und der Handel müssen gemeinsam an einem neuen Gesellschaftsvertrag für die Landwirtschaft arbeiten.“

An einem Traktor hängt bei einer Demonstration von Bauern ein Schild mit der Aufschrift "Tschuldigung sonscht horcht koiner zua!". Foto: Sebastian Gollnow/dpa

An einem Traktor hängt bei einer Demonstration von Bauern ein Schild mit der Aufschrift "Tschuldigung sonscht horcht koiner zua!". Foto: Sebastian Gollnow/dpa

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Erstellt:
17. Januar 2020, 03:36 Uhr

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