Umstrittene Scholz-Aussage
Ist "Hofnarr" eine Beleidigung?
Ist Olaf Scholz unter die Narren gegangen? Oder hat er sich selbst durch eine unpässliche Äußerung auf einer privaten Feier zu einem solchen gemacht? Die „Hofnarr“-Äußerung des Kanzlers zieht immer breitere Kreis. Doch was ist überhaupt ein Hofnarr und welche Aufgabe hatte er am Hof? Eine historische Spurensuche.

© Imago/Steinach
Hofnarr-Figur an einer Hauswand in Süddeutschland.
Von Markus Brauer/AFP/dpa
Nach dem medialen Wirbel um eine Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz hat der SPD-Spitzenkandidat mit dem Berliner Kultursenator Joe Chialo telefoniert. Scholz hat Chialo auf einer privaten Geburtstagsfeier als „Hofnarr“ der Union bezeichnet und damit scharfe Kritik auf sich gezogen.
CDU-Mann Chialo als „Hofnarr“ beleidigt: Scholz leistet sich rassistischen Aussetzer - jetzt äußert er sich https://t.co/MXe3IrLV53 — FOCUS online (@focusonline) February 12, 2025
Scholz: „Nicht rassistisch konnotiert“
Scholz gab nach der Veröffentlichung eines entsprechenden „Focus“-Berichts zu, den Begriff für den CDU-Politiker mit Wurzeln in Tansania verwendet zu haben. Von CDU-Seite wurde ihm Rassismus gegen den schwarzen Kultursenator vorgeworfen, was Scholz und die SPD strikt zurückwiesen.
Der von ihm verwandte Begriff sei „im Sprachgebrauch nicht rassistisch konnotiert (bewertet. d. Red.) und war von mir auch nie so intendiert“, wird Scholz in einer Mitteilung des SPD-Parteivorstands zitiert. Eine Sprecherin bestätigt, dass Scholz sich mit der Erklärung auf den Begriff „Hofnarr“ bezogen habe. „Der erhobene Vorwurf des Rassismus ist absurd und künstlich konstruiert“, erklärt der Kanzler weiter.
In einem Gespräch auf einer privaten Geburtstagsfeier zwischen mir und einem Journalisten ging es vor zehn Tagen um das gemeinsame Abstimmungsverhalten von CDU/CSU und AfD im Deutschen Bundestag. Dies habe ich in dem Gespräch als Tabubruch bezeichnet. Des Weiteren ging es um die… — Olaf Scholz (@OlafScholz) February 12, 2025
Wer war der Hofnarr?
Zum Hofstaat mittelalterlicher Herren gehörte seit dem frühen 12. Jahrhundert vielerorts der Hofnarr. Er galt als geistreicher Spaßmacher, der oft von auffälligem, das heißt kleinwüchsigem, buckligem, langnasigem oder schiefmäuligem Aussehen war.
Nach dem Ende der Kreuzzüge im 13. Jahrhundert kamen Hofnarren als professionelle Spaßmacher an den Höfen der Fürsten sowie in den Häusern von reichen und vornehmen Herren auf. Sie wurden auch Räthe, Tischräthe oder Schalksnarren genannt.
Possenreißer und Spötter
Wer verkrüppelt oder missgestaltet, von zwergenhaftem Wuchs oder bucklig war, konnte mitunter als Hofnarr sein Leben fristen. Lächerlich aufgeputzt mimte er den Possenreißer, der sich auf Späße der derben Art verstand und die feinen Herrschaften durch Grimassen, Zoten, Possen und plumpe Späße ergötzte.
Vielfach handelte es sich bei den Possenreißern geistreiche und witzige Köpfe, welche die Narrenmiene nur aufsetzten, um lauter, ungenierter und beißender die Wahrheit in Spottform sagen zu dürfen.
Privilegien des Hofnarren
Hofnarren hatten das Privileg, über alles zu reden, was ihnen gerade einfiel. Oft nutzten sie diesen Freibrief, um ihren Herren auf witzige Weise Wahrheiten zu sagen, die jeder Andere – aus Angst um sein Wohlergehen – nicht auszusprechen wagte.
Im Gegenzug wurden die Narren oft wie Leibeigene behandelt, was Beleidigungen und Züchtigungen beinhaltete.
Kunterbunte Kleidung, Schellen und Narrenkappe
Auf dem geschorenen Schädel trugen Hofnarren eine eigentümliche Narrenkappe mit Eselsohren und Hahnenkamm– auch Kogel bzw. Gugel genannt. An seiner kunterbunten Kleidung waren Schellen genäht. Die Waffe des Hofnarren war der Narrenkolben bzw. Narrenzepter. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts verschwanden die Hofnarren schließlich vollends von den Höfen.
Gewissen seines Herrn
Der Hofnarr war so über Jahrhunderte fester Standteil eines Hofstaates. Er sollte in erster Linie nicht belustigen, sondern seine Herrschaft ständig daran erinnern, dass auch ihr Dasein vergänglich ist und sie zu jeder Zeit der Sünde verfallen könnte.
Weil der Hofnarr aufgrund seiner besonderen Stellung, die ihn zum Sonderling ohne Bindung an gesellschaftliche Normen machte, Kritik am Herrscher äußern, die sich sonst niemand gewagt hätte. Er hatte buchstäblich Narrenfreiheit.
Info: Hofnarren im Bundestag
Günter Nooke vs Wolfgang Thierse Olaf Scholz ist nicht der erste bundesdeutsche Politiker, der sich für eine „Hofnarr“-Titulierung Ärger eingehandelt hat. Im Februar 2002 wurde der ostdeutsche CDU-Politiker Günter Nooke für seine Kritik an der SPD-Politik für Ostdeutschland von der damaligen Bundestagsvizepräsidentin Anke Fuchs (SPD) gerügt. Um das angebliche Defizit der Regierungspartei in der Politik für Ostdeutschland zu belegen, hatte Nooke in der Etatdebatte über zwei ostdeutsche SPD-Politiker gesagt: „Herr Thierse gibt den Hofnarren, und Herrn Schwanitz kennt keiner“.Fuchs rügte diese Titulierung von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) als Beleidigung von dessen Amt. Zu Nookes Bewertung von Rolf Schwanitz (SPD) – im Kanzleramt damals als Staatsminister zuständig für Ostdeutschland – sagte Fuchs nichts.
Peter Sodann vs Guido Westerwelle Der damalige Kandidat der Linken für das Amt des Bundespräsidenten, Schauspieler Peter Sodann, sah sich im November 2008 nicht als Hofnarren. Diese Rolle sei zwar in früheren Zeiten wichtig gewesen. „Aber damit eines klar ist: Ich übernehme die Rolle des Hofnarren nicht.“ Nach Ansicht Sodanns gibt es in Deutschland noch genügend Hofnarren, „aber keinen von Rang“. Der FPD-Vorsitzende Guido Westerwelle sei ein „absoluter Hofnarr“, weil er sage, er – Sodann – „würde programmatisch das erfüllen, was die NPD will“.