Flüssige Salze als Lebenselixier
Ist Leben im Weltall ohne Wasser möglich?
Kein Leben ohne Wasser: So lautet das wissenchaftliche Credo. Doch jetzt haben Forscher im Labor eine Alternative entdeckt. Es geht darum, welche Planeten passende Voraussetzungen außerhalb der Erde mitbringen.

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Viele Supererden, so die Vermutung, sind Wasserwelten, die vollständig von Ozeanen bedeckt sind, die Hunderte von Kilometern tief sein können.
Von Rainer Kayser (dpa)/Markus Brauer
Mehr als 5500 Planeten bei anderen Sternen haben Himmelsforscher bislang aufgespürt. Etwa ein Drittel davon sind sogenannte Super-Erden. Bei vielen Planeten können die Wissenschaftler zwar die Masse und die Größe bestimmen und damit auch ihre durchschnittliche Dichte. Doch Aussagen über den inneren Aufbau und insbesondere darüber, wie viel Wasser es auf ihnen gibt, sind schwierig.
Viele Supererden, so die Vermutung, sind Wasserwelten, die vollständig von Ozeanen bedeckt sind, die Hunderte von Kilometern tief sein können. Da Wasser eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Leben ist, rückt das zunächst Supererden als Kandidaten für die Suche nach Lebensspuren in den Fokus der Forscher.
Gibt es Alternativen zum Leben aus Wasser?
Ohne Wasser gibt es kein Leben. Alles Leben entsteht aus Wasser – überall im Universum. So lautete bisher das Credo der Wissenschaft.
Doch jetzt haben Forscher bei Experimenten im Labor völlig überraschend eine Alternative entdeckt. Worum es dabei geht und welche Himmelskörper die passenden Voraussetzungen außerhalb der Erde mitbringen, zählt ein Forscherteam auf.
Flüssiges Wasser ist – so die vorherrschende Meinung unter Wissenschaftlern – die Voraussetzung für die Entstehung und den Fortbestand von Leben auf anderen Planeten. Doch das muss nicht so sein, erklärt jetzt ein internationales Forschungsteam.
Sogenannte „ionische Flüssigkeiten“ – flüssige Salze – könnten demnach die Rolle von Wasser als Lösungsmittel für biologische Prozesse übernehmen. Und wie Laborexperimente des Teams zeigen, könnten solche Flüssigkeiten auf vielen wasserlosen Gesteinsplaneten existieren. Damit könne es weitaus mehr lebensfreundliche Welten geben als bislang angenommen, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Planets without water could still produce certain liquids, new experiments have found. These “ionic liquids” can form through common planetary processes and might be capable of supporting life even on waterless planets. https://t.co/at0Qh6n5W0 — Massachusetts Institute of Technology (MIT) (@MIT) August 12, 2025
Flüssiges Methan oder Schwefelwasserstoff statt Wasser?
„Viele Exoplaneten werden als lebensfeindlich angesehen, weil sie an der Oberfläche zu warm für flüssiges Wasser sind“, erläutern Rachana Agrawal vom Massachusetts Institute of Technology und ihre Kollegen.
Wasser besitzt als Lösungsmittel Eigenschaften, die für biologische Moleküle von Nutzen sind. Es kann einerseits Reaktionen fördern, ohne andererseits toxisch zu wirken.
Zwar haben Astrobiologen durchaus über Alternativen wie flüssiges Methan oder Schwefelwasserstoff nachgedacht. Doch diese Flüssigkeiten besitzen stets gravierende Nachteile. Schwefelwasserstoff etwa ist chemisch so aggressiv, dass er viele Biomoleküle zu schnell zersetzt.
Ionische Flüssigkeiten als Alternative?
Doch ionische Flüssigkeiten könnten eine Alternative zu Wasser sein, wie Agrawal und ihr Team jetzt berichten. Darunter verstehen Forscher Salze, die einen niedrigen Schmelzpunkt besitzen und deshalb schon bei Temperaturen unter hundert Grad Celsius flüssig sind.
Im Gegensatz zu Wasser bestehen sie nicht aus elektrisch neutralen Molekülen, sondern aus elektrisch negativen und positiv geladenen Ionen. Zwar gibt es Tausende bekannte ionische Flüssigkeiten, doch diese sind alle synthetische Produkte.
„Bislang hat man ionische Flüssigkeiten daher nicht als natürlich vorkommende Substanzen angesehen“, schreiben die Wissenschaftler. Deshalb wurden sie auch nicht als mögliche Basis für Leben in Betracht gezogen.
Doch unter Voraussetzungen, die auf vielen trockenen Gesteinsplaneten erfüllt sein könnten, ist die Entstehung von ionischen Flüssigkeiten möglich. Im Labor hat das Team um Agrawal die Bedingungen auf trockenen Gesteinsplaneten über einen weiten Bereich von Druck und Temperatur simuliert. Dabei zeigte sich: Ionische Flüssigkeiten können sich dort aus Schwefelsäure und stickstoffhaltigen organischen Molekülen bilden.
Nötige Stoffe sind vorhanden
Beide Stoffe könnten auf solchen Planeten häufig vorkommen. So gelangt durch Vulkanismus Schwefel in die Atmosphäre, aus dem sich Schwefelsäure bilden kann. Und stickstoffhaltige organische Moleküle kommen bereits im Weltall sowie in Kometen und Meteoriten vor – also vermutlich auch auf vielen jungen Planeten.
Die Forscher heben einen entscheidenden Vorteil solcher Flüssigkeiten hervor: Sie besitzen einen extrem niedrigen Dampfdruck und würden deshalb auch auf Planeten mit sehr dünnen Atmosphären oder sogar ganz atmosphärelosen Welten stabil sein, ohne zu verdampfen wie Wasser.
Damit könne es also eine weitere Klasse von Planeten geben, die für Leben geeignete Flüssigkeiten auf ihrer Oberfläche besitzen, so Agrawal und ihre Kollegen. „Das erweitert das Konzept der planetarischen Lebensfreundlichkeit über das traditionelle Wasser-Paradigma hinaus.“