Conti geht in heikles Autojahr 2020

dpa Hannover. Branchenwandel, Verkaufsflaute, jetzt noch das neue Coronavirus. Für Autozulieferer kommt es knüppeldick. Continental sieht schwierigen Monaten entgegen. Man sei aber vorbereitet - so gut es eben geht.

Continental-Mitarbeiter überprüfen im Test Center Robotics von Continental die Funktionen neuer Roboter. Foto: Armin Weigel/dpa

Continental-Mitarbeiter überprüfen im Test Center Robotics von Continental die Funktionen neuer Roboter. Foto: Armin Weigel/dpa

Der weltweite Auto-Abschwung, der Umbruch der Branche und die Risiken der Coronavirus-Epidemie lassen Continental mit großer Sorge ins neue Geschäftsjahr blicken.

Der Dax-Konzern aus Hannover meldete am Donnerstag einen Milliardenverlust für 2019 - gleichzeitig muss er sich auf weitere schwierige Monate einstellen. „Die Autoindustrie durchlebt derzeit einen der heftigsten Stürme“, sagte Vorstandschef Elmar Degenhart zur Vorstellung der vorläufigen Jahreszahlen. „Die Auswirkungen werden uns noch lange beschäftigen.“

2019 fiel bei dem Zulieferer unterm Strich ein Fehlbetrag von über 1,2 Milliarden Euro an, nachdem er 2018 knapp 2,9 Milliarden Euro verdient hatte. Conti kündigte im Herbst hohe Abschreibungen an, die vor allem das Geschäft mit Innenausstattungen von Autos betreffen. Außerdem wird die Bilanz durch beträchtliche Umbaukosten belastet.

„Das Geschäftsjahr ist für uns absolut nicht zufriedenstellend verlaufen“, räumte Finanzvorstand Wolfgang Schäfer mit Blick auf schwache Verkäufe von Autoherstellern in vielen Ländern ein. Daneben gebe es „erhebliche zusätzliche Sondereffekte“ - darunter eine schon berichtete Milliarden-Wertberichtigung früherer Zukäufe. „Insgesamt wird das wirtschaftliche Umfeld 2020 sehr herausfordernd bleiben“, meinte Schäfer. Der Betriebsrat warnte vor möglichen Kündigungen.

Die Conti-Aktie sackte auf den tiefsten Stand seit sieben Jahren ab, zwischenzeitlich verlor sie über 12 Prozent. Der Konzern stellt sich auf eine nochmals verringerte Gewinnspanne im laufenden Geschäft ein.

Schon 2019 lief es bestenfalls durchwachsen. Das Unternehmen kam bezogen auf den Gesamtmarkt noch relativ glimpflich davon: Der Umsatz legte leicht um 0,2 Prozent auf 44,5 Milliarden Euro zu. Bereinigt um die Abschreibungen betrug das operative Ergebnis 3,2 Milliarden Euro, ein Minus von gut einem Fünftel. Die Mitarbeiter erhalten eine Sonderzahlung, die Dividende soll von 4,75 Euro auf 4 Euro sinken.

Das Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern rutschte allerdings von 4 Milliarden auf minus 268 Millionen Euro ab. Und der Ausblick lässt wenig Gutes erahnen. Unter anderem erhöhen die möglichen Folgen des neuen Coronavirus die Risiken für Nachfrage und Produktion. „Wir sehen es bereits an den Fieberkurven der Börsen: Das wirtschaftliche Klima ist ebenfalls von dem Virus befallen“, erklärte Degenhart.

Während Conti 2020 mit einer Abnahme der weltweiten Produktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen um 2 bis 5 Prozent kalkuliert, werden allein für China - das Ursprungsland des Erregers - 5 Millionen weniger hergestellte Autos erwartet als noch 2017. Beim Großkunden VW hieß es, die Lage entspanne sich. „Aber wir fahren auch auf Sicht.“

Degenhart will noch stärker auf Sparen setzen. „Es ist gerade mal fünf Monate her, dass wir dachten, wir gehen tief genug“, sagte er. Heute müsse man erkennen, dass weitere Maßnahmen nötig seien. Das Programm „Transformation 2019-2029“ richtet den Konzern auf Sensorik, Elektronik und Software aus, Felder wie Hydraulik werden gekappt. Angesichts der angespannten Lage prüft man „zusätzliche Maßnahmen“ - bis zum Mai will Conti sich mit den weiteren Plänen Zeit geben.

Möglichst viele Mitarbeiter sollen weiterqualifiziert werden, es könnte jedoch auch zu einem empfindlichen Personalabbau kommen. Bis 2023 dürfte es bei Continental weltweit für 15 000 Arbeitsplätze „Veränderungen“ geben. Degenhart sagte, etwa 1000 Beschäftigte seien bereits von Kürzungen betroffen - diese seien in der Summe von 1768 enthalten, um die die Zahl der Mitarbeiter bis Ende 2019 zurückging.

„Im Extremfall können wir auch betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen“, bekräftigte Degenhart. Dies sei jedoch „die letzte drastische Maßnahme, die vorstellbar ist“. Man bewerte jedes Werk. Zu Verhandlungen mit den Betriebsräten nannte der Vorstandschef keine Details: „Wir machen guten Fortschritt und sind in konstruktiven Gesprächen. Und wir versuchen, verträgliche Vereinbarungen zu finden, den Mitarbeitern wo immer möglich Alternativen zu bieten.“

Konzern-Betriebsratschef Hasan Allak zeigte sich dennoch alarmiert. „Betriebsbedingte Kündigungen sind für uns völlig inakzeptabel“, warnte er. „Mit Kahlschlag lässt sich keine Transformation betreiben.“ Gewerkschafter sehen den Umbau kritisch, ebenso die Abspaltung der Antriebssparte. Für das künftige Unternehmen Vitesco nannte Schäfer Bestellungen im Wert von 1,8 Milliarden Euro im E-Geschäft. In der zweiten Jahreshälfte soll der „Spin-off“ kommen.

Seit 2017 sei das Minus produzierter Pkw und leichter Nutzfahrzeuge nun so stark wie in der Wirtschaftskrise vor gut zehn Jahren, sagte Degenhart. Anders als 2009 stehe Conti aber „bilanziell auf einem soliden Fundament“, betonte Schäfer. So seien auch die Investitionen zwischen 2018 und 2019 von 6,3 auf 6,7 Milliarden Euro geklettert.

Elmar Degenhart, Vorstandsvorsitzender der Continental AG. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Elmar Degenhart, Vorstandsvorsitzender der Continental AG. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

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Erstellt:
5. März 2020, 09:40 Uhr

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