Neuer Tesat-Chef sucht dringend Personal

Am 1. März hat Thomas Reinartz die Führung bei Backnangs größtem Arbeitgeber übernommen. Seine wichtigste Aufgabe besteht darin, die Kapazitäten dem Wachstum anzupassen, denn das Geschäft mit der Satellitenkommunikation boomt wieder.

Thomas Reinartz im Ausstellungsraum von Tesat: Nachdem das Backnanger Unternehmen die Krise hinter sich gelassen hat, steht der neue Chef vor der Aufgabe, das Wachstum zu managen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Thomas Reinartz im Ausstellungsraum von Tesat: Nachdem das Backnanger Unternehmen die Krise hinter sich gelassen hat, steht der neue Chef vor der Aufgabe, das Wachstum zu managen. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Als Marc Steckling Ende 2018 die Leitung bei Tesat übernahm, kündigte er an, er werde mit Sicherheit lange in Backnang bleiben. Gut drei Jahre später ist der Chief Executive Officer (CEO) allerdings schon wieder weg. Die Aussicht, beim Mutterkonzern Airbus als Leiter des Bereichs Weltraumerkundung unter anderem für Mars- und Mondmissionen verantwortlich zu sein, war dann wohl doch zu verlockend. Einmal mehr hat sich der Chefsessel bei Tesat damit als Sprungbrett erwiesen. Schon für Stecklings Vorgänger Andreas Hammer und Peter Schlote war Backnang nur eine Zwischenstation auf der konzerninternen Karriereleiter.

Auch der neue Mann an der Spitze ist wieder ein Airbus-Gewächs. Thomas Reinartz hat 1996 direkt nach seinem Studium an der Universität Augsburg in der Rüstungssparte von Siemens begonnen, die zwei Jahre später von Daimler-Benz Aerospace (DASA) übernommen wurde. Im Jahr 2000 wurde das Unternehmen schließlich Teil des europäischen Airbus-Konzerns.

Reinartz hat seitdem zwar mehrfach seine Stelle gewechselt – unter anderem war er drei Jahre in Paris tätig –, seinem Arbeitgeber ist er aber immer treu geblieben. Und auch dem Rüstungsgeschäft: Zuletzt war er als Vertriebsleiter unter anderem für das europäische Drohnenprogramm zuständig. In Gewissenskonflikte hätten ihn die Waffengeschäfte nie gebracht, erklärt der 49-Jährige: „Wir haben der Bundeswehr geholfen, bei ihren Auslandseinsätzen sicher zu sein. Das habe ich eher als Privileg denn als Bürde empfunden.“ Und er hat den Eindruck, dass sich seit Beginn des Ukrainekriegs auch in der Bevölkerung die Einstellung zu diesem Thema gewandelt hat.

Von seinen Vorgängern unterscheidet sich Thomas Reinartz in einem wesentlichen Punkt: Er ist kein Ingenieur, sondern Kaufmann. Während die Begeisterung für die Raumfahrt aus Marc Steckling förmlich heraussprudelte, geht der neue Tesat-Chef seine Aufgabe nüchterner an. Natürlich sei Satellitenkommunikation eine faszinierende Technik, „aber wir machen das nicht der Technologie wegen, sondern um damit Geld zu verdienen“. Bei jeder unternehmerischen Entscheidung stehe für ihn deshalb eine Frage an erster Stelle: „Ist das ein Geschäft für uns oder nicht?“ Seine Aufgabe sieht Reinartz darin, lukrative Geschäftsfelder auszubauen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die Innovation und Produktivität fördern. In einzelne Entwicklungen und Projekte will er sich dagegen nicht einmischen: „Wir haben hier 280 Ingenieure, die alle von ihrem Bereich zehnmal mehr Ahnung haben als ich.“ Reinartz will sich deshalb darauf beschränken, „immer mal wieder kritische Fragen zu stellen“.

„Ich habe keine zwei Minuten nachgedacht, als mir diese Stelle angeboten wurde.“

Thomas Reinartz, seit 1. März Chief Executive Officer (CEO) bei Tesat

Der neue Chef übernimmt Tesat in einer absoluten Boomphase. Die Jahre 2016 und 2017, als das Unternehmen mit Kurzarbeit und einer Beschäftigungssicherung auf einen Auftragseinbruch reagieren musste, sind längst vergessen. Aktuell herrsche bei Satellitenprojekten eine regelrechte Goldgräberstimmung, sagt Andreas Reinartz. Von Tesla-Gründer Elon Musk bis Amazon-Chef Jeff Bezos drängen alle ins Weltall. Neue Anwendungen wie autonomes Fahren erfordern stabile Netzverbindungen selbst in entlegenen Gebieten. Das lässt sich nur mit Satelliten verwirklichen. Und Tesat hat die passenden Produkte dafür. Die vor mehr als zehn Jahren entwickelte Laserkommunikation, die es erlaubt, Daten in Lichtgeschwindigkeit über eine Entfernung von bis zu 80000 Kilometern zu verschicken, ist inzwischen marktreif und die Kunden haben ihre anfängliche Zurückhaltung abgelegt. Aktuell lägen Bestellungen für mehr als 250 Laserterminals vor, verrät Unternehmenssprecherin Nina Backes. Die Geschäftsleitung plant in den kommenden Jahren mit einem jährlichen Umsatzwachstum zwischen fünf und zehn Prozent.

Daraus ergeben sich allerdings neue Herausforderungen: Tesat braucht jede Menge qualifiziertes Personal. „Aktuell haben wir 70 offene Stellen und weitere 60 in der Hinterhand“, sagt Thomas Reinartz. Sie alle zu besetzen wird nicht einfach in einer Region, wo das Unternehmen mit Mercedes, Porsche und Bosch um die besten Köpfe konkurriert. Für den neuen Tesat-Chef ist deshalb klar: „Wir müssen uns noch stärker um neue Mitarbeiter kümmern.“ Dafür will er den Kontakt zu den Universitäten intensivieren, aber auch die Ausbildung ausbauen und Tesat möglichst schon an den Schulen bekannter machen. Denn selbst in Backnang wüssten viele gar nicht, was für ein innovatives Unternehmen hier mitten in der Stadt seinen Sitz hat.

Den Standort Backnang bezeichnet Thomas Reinartz als „alternativlos“. Noch vor dem Sommer soll auf dem Firmengelände der Spatenstich für ein neues Gebäude stattfinden, in dem Tesat unter anderem weitere Reinraumflächen schaffen will. Die Investitionskosten liegen bei rund 20 Millionen Euro. Parallel investiert das Unternehmen aber auch in einen neuen Produktionsstandort in den USA (wir berichteten). Das sei aber überhaupt keine Entscheidung gegen Backnang, sondern einzig der Tatsache geschuldet, dass in dem neuen Werk auch Satellitentechnik für militärische Anwendungen produziert werden soll. „Wenn wir das nicht in den USA machen würden, hätten wir den Auftrag nicht bekommen“, macht Reinartz deutlich. Letztlich werde in dem amerikanischen Werk aber nur noch die Endmontage erledigt. „Der Großteil der Fertigung wird in Backnang bleiben.“

Seine neue Aufgabe im Schwabenland reizt den gebürtigen Bayern sehr: „Ich habe keine zwei Minuten nachgedacht, als mir diese Stelle angeboten wurde.“ Privat zieht es ihn allerdings nicht an die Murr. Seine Frau und die drei Kinder bleiben vorerst in München wohnen, an den Wochenenden fährt Reinartz nach Hause. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass auch der neue Geschäftsführer auf das eingebaute Sprungbrett in seinem Chefsessel hofft.

Technik aus Backnang im Weltall

Produkte Bei Tesat in Backnang entwickeln, produzieren und vertreiben rund 1050 Mitarbeiter Systeme und Geräte für die Telekommunikation via Satellit.

Die Produktpalette reicht von kleinsten Komponenten bis hin zu Modulen, Baugruppen und kompletten Nutzlasten für Satelliten.

Geschichte Bereits im Jahr 1967 wurde bei AEG Telefunken in Backnang ein Fachgebiet Raumfahrt gegründet. Später wurde diese Sparte von den Firmen ANT und Bosch Satcom weitergeführt. Seit 2001 gehört das Unternehmen zum Airbus-Konzern und firmiert unter dem Namen Tesat.

Wachstum Bereits das vergangene Jahr verlief für das Backnanger Unternehmen sehr erfolgreich: Der Umsatz konnte im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 18 Prozent auf rund 280 Millionen Euro gesteigert werden. Der Gewinn (EBIT) hat sich fast verdoppelt von 12,7 auf 23,5 Millionen Euro.

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Erstellt:
30. März 2022, 06:00 Uhr

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