Gefahrenherd Glühwein? Das Bangen um den Budenzauber

dpa/lsw Stuttgart. Weihnachtsmarkt, das bedeutet häufig dichtes Gedränge, enge Hütten und viel Alkohol. Vor allem der Ausschank von Glühwein ist in Corona-Zeiten umstritten. Ministerpräsident Kretschmann will den Kommunen die Entscheidung überlassen - hat aber eine Empfehlung.

Eine Frau hält eine Tasse mit Glühwein in den Händen. Foto: Jens Kalaene/zb/dpa/Archivbild

Eine Frau hält eine Tasse mit Glühwein in den Händen. Foto: Jens Kalaene/zb/dpa/Archivbild

Glühwein, Lebkuchen und Tannenduft, aber gleichzeitig Masken, Abstand und Virusgefahr? Die Entscheidung, ob und wie Weihnachtsmärkte in diesem Jahr im Südwesten stattfinden, liegt nun in der Hand der Kommunen. Solange die allgemeine Corona-Infektionslage das erlaube, sollten die Kommunen es entscheiden, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) der Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch. Kretschmann begründete den Schritt damit, dass „es durchaus unterschiedliche Infektionsgeschehen in den einzelnen Regionen gibt, auch die lokalen Bedingungen zur Durchführung von Weihnachtsmärkten sind von Ort zu Ort verschieden“. Sollte das Infektionsgeschehen stark steigen, müsste fürs gesamte Land entschieden werden. Die Schausteller begrüßen die Entscheidung, warnen aber vor einem Glühwein-Verbot.

Kretschmann bat das Sozialministerium, den Kommunen Leitplanken zu den Hygieneanforderungen sowie der Organisation von Zu- und Abläufen der Besucher zur Verfügung zu stellen. Zuvor hatte die grün-schwarze Koalition lange über die Weihnachtsmärkte zu Pandemie-Zeiten diskutiert. Vor allem der Konsum von Alkohol auf den Märkten war strittig. Kretschmann sagte am Mittwoch, er würde den Kommunen empfehlen, auf den Ausschank von Alkohol zu verzichten.

Gemeindetags-Präsident Roger Kehle lobte die Entscheidung. Es sei gut und richtig, die Frage der Weihnachtsmärkte auf Grundlage der örtlichen Gegebenheiten zu entscheiden, auch ob Glühwein ausgeschenkt werden darf oder nicht. „Was die Kommunen jedoch benötigen, ist ein einheitlicher Rahmen, auf dessen Grundlage der Einzelfall bewertet wird, beispielsweise ob Masken getragen werden müssen.“

Kommunen wie Esslingen und Ludwigsburg hätten nun einen Freibrief der Landesregierung, die Weihnachtsmärkte wie geplant durchzuführen, sagte Mark Roschmann, Vorsitzender des Schaustellerverbands im Südwesten. Er vermisse aber einen Ruck der Landesregierung, die Märkte auch mit Alkoholausschank durchführen zu wollen. „Der Ansporn, wir wollen das, der fehlt mir.“ Es gebe keinen Grund, Alkohol auf den Märkten zu verbieten. „Ich habe noch nie jemanden mit Glühweintassen auf Bierbänken tanzen gesehen.“ Roschmann sprach von einer Ungleichbehandlung im Vergleich zum sogenannten stehenden Gewerbe. Die Problemfälle mit Blick auf die Corona-Pandemie seien private Partys. Wenn auf den Märkten kein Glühwein ausgeschenkt werden dürfe, besorgten ihn sich die Menschen selbst, dann gebe es alkoholisierte Menschentrauben woanders.

Es brauche keinen Schuss im Glühwein oder Hochprozentiges, aber der Glühwein selbst sei wichtig, sagte Roschmann. „Drei Viertel der Besucher kommen nur wegen der Tasse Glühwein zum Weihnachtsmarkt, erst danach kauf' ich Christbaumkugeln und gebrannte Mandeln.“ Die Weihnachtsmärkte machten ein Drittel des Jahresumsatzes der Schausteller im Land aus. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) sieht den Alkoholkonsum auf den Märkten aber kritisch.

Vor allem das CDU-geführte Wirtschaftsministerium hatte sich gegen ein pauschales Verbot von Weihnachtsmärkten eingesetzt. „Wir haben uns für eine flexible Regelung für die Weihnachtsmärkte eingesetzt, um in der Verantwortung der jeweiligen Kommune lokal und regional angemessene Lösungen zu ermöglichen“, sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). „Darum ist es gut, dass sich der Ministerpräsident hier unserem Ansatz angeschlossen hat.“ Pauschale Verbote hätten bei den Betroffenen sowie in der Bevölkerung eher zu einer eingeschränkten Akzeptanz der Corona-Schutzmaßnahmen geführt.

„Der Streit zwischen dem Alkoholverbieter Lucha und der Gegenposition von Frau Hoffmeister-Kraut lässt sich offenbar nicht lösen“, sagte der tourismuspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Erik Schweickert. „Dann müssen das halt die Kommunen entscheiden.“ Die bräuchten aber keine Leitplanken aus dem Sozialministerium für die Hygiene. Schweickert warnte vor Verboten durch die Hintertür.

Tourismusminister Guido Wolf (CDU) sagte, er begrüße, dass ein generelles Glühweinverbot vom Tisch sei. „Die Kommunen sind verantwortungsbewusst und arbeiten schon seit Längerem an guten Plänen und Hygienekonzepten“, sagte er der dpa.

In der Tat entwickeln quer durchs Land Stadtoberhäupter und Standbesitzer derzeit Konzepte für die diesjährigen Weihnachtsmärkte. In den meisten Städten liegt aber noch kein ausgereifter Plan vor. Für Stuttgart habe man noch nicht entschieden, ob - und wenn ja in welcher Form - der Weihnachtsmarkt stattfinden könne, sagte ein Sprecher der Stadt. „Wir beobachten das Infektionsgeschehen und die rechtlichen Rahmenbedingungen sehr genau.“ Auch in Karlsruhe und Tübingen wird noch über Konzepte nachgedacht. Laut der Ulmer Messe findet der Weihnachtsmarkt statt - unter an Corona angepassten Bedingungen. Die Stände würden dezentral in der ganzen Stadt verteilt aufgestellt. Der Esslinger Mittelalter- und Weihnachtsmarkt soll als Sparversion mit viel weniger Ständen stattfinden. Gastronomie ist in deutlich reduzierter Form und mit zusätzlichen Auflagen geplant.

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Erstellt:
30. September 2020, 13:40 Uhr

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