Trinken, Rauchen, Zocken: Die Laster der Arbeitnehmer

dpa/lsw Stuttgart. Übermäßiges Trinken, Rauchen oder auch Computerspielen schränkt die Arbeitsfähigkeit ein - und zwar stärker als zunächst erkennbar. Wie sehr, zeigt ein neue Studie.

Eine junge Frau sitzt hinter leeren Bierflaschen. Foto: Alexander Heinl/Archivbild

Eine junge Frau sitzt hinter leeren Bierflaschen. Foto: Alexander Heinl/Archivbild

Ein Glas Wein am Abend, die Zigarettenpause im Büro, eine Runde Computerspielen zwischendurch: Als Sucht würden das wohl die wenigsten bezeichnen. Doch Hunderttausende Beschäftigte in Baden-Württemberg sind zigarettenabhängig, trinken zu viel oder spielen in riskantem Maße am Computer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der DAK-Gesundheit, die die Krankenkasse am Dienstag in Stuttgart vorgestellt hat. Die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen ist demnach teilweise deutlich eingeschränkt.

„Suchtprobleme im Job sind kein Nischenthema“, sagt der Leiter der DAK-Landesvertretung, Siegfried Euerle. Viele Arbeitnehmer seien im Job abgelenkt und unkonzentriert. Hinzu komme ein erhöhter Krankenstand.

Das nachzuweisen ist allerdings nicht so einfach, da etwa Alkohol oder Tabak nur selten Teil der Diagnose für eine Krankschreibung sind. Deshalb haben die Autoren den Krankenstand von zwei verschiedenen Gruppen verglichen: Mitarbeiter mit auffälligem Konsum von Alkohol, Tabak oder anderen Substanzen haben einen doppelt so hohen Krankenstand wie Beschäftigte ohne Auffälligkeiten. Sie fallen auch aus zunächst unauffälligen Gründen häufiger aus, zum Beispiel wegen psychischer Leiden oder Rückenschmerzen.

Auch während der Arbeit wirken sich Abhängigkeiten aus. Je abhängiger Raucher sind, desto eher rauchen sie auch während der Arbeitszeit, außerhalb von Arbeitspausen. Die meisten Raucher seien zigarettenabhängig; das Suchtpotential sei sehr hoch, sagt Susanne Hildebrandt vom IGES-Institut, das mit der Analyse betraut war.

Der Umstieg auf die E-Zigarette verspricht kaum Abhilfe, da die Mehrheit nikotinhaltige Liquids dampfe. Ein positiver Trend zeigt sich jedoch beim Blick auf die Altersverteilung: Je jünger die Beschäftigten, desto weniger von ihnen rauchen. „Hier haben offenbar die ganzen Diskussionen um den Nichtraucherschutz gefruchtet“, sagt Hildebrandt.

Die Debatte fehle beim Alkohol offenbar noch. Hier ist das Verhältnis von Konsumenten und Nicht-Konsumenten umgekehrt: Während rund 80 Prozent der Beschäftigten in Baden-Württemberg Nichtraucher sind, trinken nur rund 20 Prozent keinen Alkohol. Und auch die Altersverteilung fällt umgekehrt aus. Jüngere Arbeitnehmer zeigen häufiger einen riskanten Alkoholkonsum als ihre älteren Kollegen.

Als riskanter Trinker gelten Männer, die mehr als zwei 0,3- Liter-Gläser Bier am Tag trinken. Bei Frauen liegt die Grenze bei einem Glas. Wer so viel oder mehr trinkt, riskiert bereits gesundheitliche Schäden. Außerdem sind Angestellte, die riskant trinken, häufiger unkonzentriert bei der Arbeit und kommen häufiger wegen Alkohol zu spät.

Zum ersten Mal hat die DAK auch das Computerspielverhalten von Angestellten in den Blick genommen. Bei rund 7 Prozent gehen die Autoren von einem riskanten Verhalten aus. Wie beim Alkohol ist auch hier der Anteil bei jungen Beschäftigten am höchsten. Jeder vierte riskante Spieler spielt sogar während der Arbeitszeit.

Für die Untersuchung hat die Krankenkasse unter anderem die Daten von rund 293 000 Versicherten im Südwesten ausgewertet, rund 1000 Beschäftigte im Land befragt und Experteninterviews geführt.

Maurice Cabanis, Leitender Oberarzt an der Klinik für Suchtmedizin und abhängiges Verhalten am Klinikum Stuttgart, gibt zu bedenken, dass die Untersuchung nur einen geschönten Blick auf das Thema Sucht gewährt. Viele Süchtige seien nicht erwerbstätig und daher nicht Teil der Untersuchung. Dennoch sei der Blick auf das Suchtrisiko von Arbeitnehmern wichtig, um einen sozialen Abstieg zu verhindern.

„Die betriebliche Suchtprävention ist wichtiger denn je“, betont Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Sie kündigt an, den Arbeitsschutz in Baden-Württemberg stärken zu wollen.

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Erstellt:
4. Juni 2019, 16:09 Uhr

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