Demos am Wochenende

Ukraine-Krieg bewegt Menschen aus allen politischen Lagern

Sahra Wagenknecht möchte die Demonstration vor dem Brandenburger Tor zum Startschuss für eine neue Friedensbewegung machen. Doch auch die rechte Szene mischt mit.

13 000 Menschen folgten am Samstag dem Aufruf von Sahra Wagenknecht (li.) und Alice Schwarzer zur Friedensdemonstration in Berlin. Dafür gab es von den Grünen und der Union heftige Kritik.

© dpa/Christophe Gateau

13 000 Menschen folgten am Samstag dem Aufruf von Sahra Wagenknecht (li.) und Alice Schwarzer zur Friedensdemonstration in Berlin. Dafür gab es von den Grünen und der Union heftige Kritik.

Von Norbert Wallet

13 000 Menschen haben am Samstag nach Polizeiangaben auf einer Kundgebung, zu der unter anderem die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer aufgerufen hatten, vor dem Brandenburger Tor für Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg demonstriert.

Wagenknecht sagte in ihrer Rede, es gehe darum, „das furchtbare Leid und das Sterben in der Ukraine zu beenden“. Deshalb sei es an der Zeit, Russland ein Verhandlungsangebot zu machen, „statt einen endlosen Abnutzungskrieg mit immer neuen Waffen zu munitionieren“. Das Risiko einer Ausweitung des Krieges auf ganz Europa sei „verdammt groß“. Man demonstriere, „weil wir uns von der deutschen Regierung nicht vertreten fühlen“, sagte Wagenknecht. „Wir fühlen uns nicht vertreten von einer Außenministerin Annalena Baerbock, die wie ein Elefant im Porzellanladen über das internationale Parkett trampelt.“

Auch Pro-Ukraine-Kundgebung zieht Tausende an

Alice Schwarzer warnte, man könne die große Atommacht Russland nicht besiegen. „Wer das ernsthaft versucht, riskiert das Ende der Welt“, sagte sie. Schwarzer nannte es „verbrecherisch, der Ukraine weiszumachen, sie habe eine Chance gegen Russland“. Die Politiker pokerten „mit unserer Existenz“. Wagenknecht machte klar, dass die Kundgebung den Beginn eines gesellschaftlichen Aufbruchs sein solle. „Lasst uns heute den Startschuss geben für eine neue, starke Friedensbewegung in Deutschland.“

Tatsächlich zeigte das Wochenende, wie sehr das Thema Ukraine viele Menschen bewegt – auf sehr unterschiedliche Weise. Zum Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine waren bereits am Freitag mehr als 10 000 Menschen in Berlin auf die Straße gegangen. In Sprechchören vor der russischen Botschaft wurde unter anderem „Russland ist ein Terrorstaat“ gerufen.

Auch die rechte Szene mobilisierte am Sonntag auf Kundgebungen in der Nähe der amerikanischen „Air Base“ in Ramstein. Im Vorfeld der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor war Sahra Wagenknecht der Vorwurf mangelnder Abgrenzung zu rechtsradikalen Milieus gemacht worden. Auf der Kundgebung sagte Wagenknecht dazu, Neonazis und „Reichsbürger“ hätten dort selbstverständlich nichts zu suchen. Sie wiederholte aber ihren Grundsatz: „Jeder, der ehrlichen Herzens mit uns für Frieden und für Verhandlungen demonstrieren will, ist hier willkommen.“

Rechte Szene mischt sich unter die Demonstrierenden

Tatsächlich mischte sich die rechte Szene unter die Demonstrierenden. So war der sächsische Landesvorsitzende Jörg Urban genauso bei der Kundgebung wie der russlandnahe Berliner AfD-Politiker Gunnar Lindemann. Anwesend war auch der Vize-Landeschef der AfD in Sachsen-Anhalt Hans-Thomas Tillschneider. Auch der Herausgeber des rechten Szene-Magazins „Compact“ war vor Ort. Die rechten Gruppen waren keineswegs in der Mehrheit. Aber sie machten sich durchaus bemerkbar. Als die Veranstalter zu Beginn klar machten, dass weder russische Fahnen, noch russische Militärabzeichen oder Fahnen der Ukraine ohne den Donbass gezeigt werden dürften, gab es vernehmliche Pfiffe und Gelächter.

Die Demonstration vor dem Brandenburger Tor stieß im politischen Berlin auf heftige Kritik. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte in Bezug auf die Wagenknecht-Thesen: „Das ist kein Frieden, das ist eine Chimäre, die da aufgebaut wird, das ist eine politische Irreführung der Bevölkerung.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, sagte unserer Zeitung: „Ich habe keinerlei Verständnis für diese kremlfreundliche Position, die die Rolle von Tätern und Opfern umdreht. Das ist schamlos und verantwortungslos gegenüber der Ukraine, wo jeden Tag Menschen getötet, vergewaltigt und verschleppt werden.“ Der ehemalige Vorsitzende der Linkspartei Bernd Riexinger sagte unserer Zeitung, es sei „wichtig und richtig, dass viele Menschen für Waffenstillstand, Verhandlungen und gegen die Lieferung von immer noch mehr, noch schwereren Waffen auf die Straße gehen“. Dabei müsse aber klar sein, „dass Russland einen verbrecherischen und völkerrechtswidrigen Krieg führt“. Zudem müsse es eine „klare Abgrenzung und Distanzierung von rechtsextremen Gruppen und Parteien geben. Sie benutzen die Friedensfrage für ihre nationalistische und autoritäre Politik. Da gibt es keine Gemeinsamkeiten.“

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Erstellt:
26. Februar 2023, 16:14 Uhr

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