Umweltminister: Corona-Hilfen auch für Klimaschutz nutzen

dpa/lsw Stuttgart. Um die Folgen der Corona-Krise abzufedern, wird subventioniert und geforscht, was das Zeug hält. Erste Stimmen fordern bereits, der Industrie den Vorzug zu geben und den Klimaschutz zunächst außen vor zu lassen. Umweltminister Untersteller hat eine andere Idee.

Umweltminister Franz Untersteller (Bündnis 90/Die Grünen). Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Umweltminister Franz Untersteller (Bündnis 90/Die Grünen). Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Die Milliarden-Hilfen für die von der Corona-Krise gebeutelte Industrie müssen nach Ansicht des baden-württembergischen Umweltministers Franz Untersteller (Grüne) genutzt werden, um auch den Klimaschutz voranzubringen. „Im Anschluss an die Corona-Krise brauchen wir ein Konjunkturprogramm, das steht außer Frage“, sagte Untersteller der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Und wenn man es richtig aufzieht, kann es auch eine Chance für den Klimaschutz sein.“

Es müsse gelingen, mit den Mitteln von Bund und Land der Industrie wieder auf die Beine zu helfen und gleichzeitig die drohende Klimakrise zu bekämpfen: „Wir müssen die Wirtschaft modernisieren, um ökonomisch und ökologisch stärker aus der Krise zu kommen.“ Wichtig sei eine Art „doppelter Booster“, sagte Untersteller in Anspielung auf Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Der CDU-Politiker hatte zuletzt einen „Start-Up-Booster als Corona-Unterstützung“ für Start-Ups, junge Technologieunternehmen und kleine Mittelständler angekündigt.

Aber wie soll diese Koppelung funktionieren? Konjunkturprogramme könnten nach den Vorstellungen Unterstellers „sozusagen grün gestrickt“ werden und ein Gewicht legen auf Energieeffizienz, CO2-Reduktion sowie neue Technologien für die Mobilität. „Die Industrie wird froh sein, wenn es solche Konjunkturprogramme gibt, auf die man zurückgreifen kann und die bestimmte Prozesse anstoßen“, zeigte sich der Minister überzeugt.

Das Ministerium arbeite derzeit Pläne aus, wie Ideen in diese Richtung umgesetzt werden könnten. „Ich könnte mir etwa eine zusätzliche Förderung von Wärmepumpen vorstellen, mit der der Ausbau alter Ölheizungen vorangetrieben wird“, sagte Untersteller. „Das dient Klimaschutz und Handwerk.“ Außerdem könnten bestehende Förderprogramme für Energie- und Ressourceneffizienz in Unternehmen oder zur energetischen Sanierung von Gebäuden aufgestockt werden.

Möglich sei auch, den Strompreis zu senken, um Haushalte und Unternehmen zu entlasten und so die Binnenkonjunktur anzuschieben. „Und wenn wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien forcieren, schaffen wir Wertschöpfung im Handwerk und Arbeitsplätze in der Solar- und Windindustrie.“ Ein Mittel könnte die für 2022 geplante Photovoltaik-Pflicht für Neubauten sein. „Darüber hinaus könnten wir noch die Abwärme von Rechenzentren zum Heizen nutzen, weil deren Anzahl durch Videokonferenzen und Homeoffice in Zukunft weiter steigen wird“, schlug der Minister vor.

Bei Industrie und Handel stößt er mit seinen Vorschlägen zumindest nicht auf taube Ohren. Zunächst gebe es allerdings eine andere Sorge, sagte Wolfgang Grenke, der Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags. Der Klimaschutz sei ein wichtiges Thema für die Unternehmen. „Allerdings geht es für viele Betriebe derzeit um die pure Existenz mit täglichem Ringen um Liquidität“, sagt Grenke der dpa. „Wir brauchen im zweiten Schritt ein intelligentes Konjunkturprogramm, das auch der Transformation Rechnung trägt, in der viele Unternehmen vor der Corona-Pandemie schon steckten.“

Deutlicher wird nicht ganz unerwartet der NABU Baden-Württemberg: „Wenn die Regierungen in Bund und Ländern es jetzt nicht gebacken kriegen, die anstehenden Konjunkturprogramme für die Wirtschaft mit dem Klimaschutz zu verkoppeln, vergehen sie sich an unserer Zukunft“, sagt dessen Vorsitzender Johannes Enssle. Er fordert neben der Solardach-Pflicht weitere Anreize für Unternehmen, Hausbauer und Verbraucher, besonders klima- und umweltfreundlich zu investieren.

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Erstellt:
23. April 2020, 09:01 Uhr

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