Toxische Atemluft

Wir atmen täglich Zehntausende Mikroplastikteile ein

Forscher haben berechnet, wie viele Mikroplastik Erwachsene und Kinder einatmen können. Besonders stark belastet war die Luft in Autos und Wohnungen.

Mit der Luft atmen wir die Mikro- und Nano-Plastikpartikel ein. Wo sie im Körper landen, hängt zum Beispiel von der Atemgeschwindigkeit ab, wie Wissenschaftler herausgefunden haben.

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Mit der Luft atmen wir die Mikro- und Nano-Plastikpartikel ein. Wo sie im Körper landen, hängt zum Beispiel von der Atemgeschwindigkeit ab, wie Wissenschaftler herausgefunden haben.

Von Markus Brauer/dpa

Mikroplastik ist überall: auf dem Mount Everest, in der Tiefsee und sogar in der Arktis. So sind Forscher in einem Tiefseegraben im Pazifischen Ozean in 8250 Metern Tiefe massenhaft auf Mikroplastik gestoßen. Mit Regen und Schnee rieseln die Mikro- und Nanoplastik-Teilchen aus der Luft auf die Erdoberfläche. Die winzigen Partikel werden in der Atmosphäre transportiert und können so über weite Strecken verteilt werden.

Plastik-Aufnahme hängt von individueller Atemfrequenz ab

Mit der Luft atmen wir die Mikro- und Nano-Plastikpartikel ein. Wo sie im Körper landen, hängt zum Beispiel von der Atemgeschwindigkeit ab, wie Wissenschaftler herausgefunden haben.

Demnach befördert langsames Atmen die Partikel tief hinein in die Lunge, während schnelles Atmen eine Anreicherung in den oberen Atemwegen begünstigt. Auch die Größe und Form der gesundheitsgefährdenden Partikel spielen eine entscheidende Rolle.

Einmal in unseren Atemwegen abgelagert, begünstigt das Plastik Asthma und Dyspnoe (Kurzatmigkeit). Doch wie genau die Ablagerung in Lunge & Co. funktioniert und was über den endgültigen Ablagerungsort eines Plastikpartikels entscheidet, war bisher unklar.

68.000 winzige Plastikpartikel täglich

Eine neue Studie bringt nun mehr Licht ins Dunkel der Forschung. Demnach atmen Menschen den Berechnungen zufolge deutlich mehr Mikroplastik ein als bislang angenommen. Besonders in Innenräumen wie Wohnungen und in Autos könnten laut einer Studie täglich im Schnitt rund 68.000 winzige Plastikpartikel in die Atemwege eines Erwachsenen gelangen – bei Kindern sind es etwa 47.000.

Die Forscher um Nadiia Yakovenko vom Geowissenschaftlichen Institut der Universität Toulouse berichten in der Fachzeitschrift „PLOS One“, dass die Belastung mit besonders kleinen Teilen zwischen einem und zehn Mikrometern Durchmesser weit höher liegt als zuvor vermutet.

HEALTH ALERT: New study says we're inhaling 100x MORE microplastics indoors than thought, 68,000 tiny particles daily in homes & cars! Over 90% reach deep lung tissue. pic.twitter.com/YcVqaLvhiP — GoodNewsEverybody (@GoodNewsErbody) July 30, 2025

Teilchen dieser Größe gelten als besonders problematisch, weil sie tief in die Lunge vordringen und dort möglicherweise Entzündungen, Zellschäden oder andere gesundheitliche Probleme auslösen können. Frühere Schätzungen, die auf größeren Partikeln basierten, lagen rund hundertfach niedriger. „Die tatsächliche Belastung durch eingeatmetes Mikroplastik wurde bislang massiv unterschätzt“, heißt es in der Studie.

Innenräume stark belastet – besonders Autos

  • Gemessen wurde die Belastung unter anderem in Privatwohnungen und in Auto-Innenräumen in Südfrankreich.
  • Während in Wohnräumen im Schnitt 528 Mikroplastikpartikel pro Kubikmeter Luft nachgewiesen wurden, lag die Konzentration in Autos mit 2238 Partikeln deutlich höher.
  • 94 Prozent dieser gefundenen Teilchen war kleiner als zehn Mikrometern, also fähig in die Lunge einzudringen.
  • Im Anschluss wurden Berechnungen vorgenommen, wie viel davon Menschen durchschnittlich am Tag einatmen.
  • Hauptquellen der Belastung sind laut Studie der Abrieb von Textilien, Kunststoffmöbeln oder der Innenverkleidung von Fahrzeugen. Die Mehrheit der nachgewiesenen Partikel bestand aus Polyethylen und Polyamid – Kunststoffe, die häufig in Alltagsprodukten vorkommen.

Wie der Körper mit Mikroplastik umgeht

Die gesundheitlichen Auswirkungen sind bislang kaum erforscht. Einige der winzigen Partikel können tief in die Lunge eindringen und dort möglicherweise Entzündungsprozesse auslösen.

Eleonore Fröhlich von der Medizinischen Universität Graz und Professorin an der Universität Tübingen weist darauf hin, dass Mikroplastik zwar potenziell gesundheitlich relevant ist. Im Vergleich zur deutlich höheren Feinstaubbelastung jedoch derzeit als weniger gravierend einzuschätzen sei. Feinstaub enthalte oft toxischere Substanzen und sei in deutlich größeren Mengen in der Luft vorhanden.

Aber auch die Form der Partikel spiele eine Rolle für ihre Wirkung im Körper: Während Feinstaub meist aus eher runden Partikeln besteht, handele es sich bei Mikroplastik oft um Fasern oder unregelmäßige Fragmente. Solche faserförmigen Teilchen können laut Fröhlich weniger tief in die Lunge eindringen, da sie sich besonders leicht an Verzweigungen in den Atemwegen ablagern. Da die Lunge Partikel, die sich einmal festgesetzt haben, nur begrenzt abtransportieren kann, kann dies ihre Funktion auf Dauer beeinträchtigen.

Berechnete Werte mit Unsicherheiten

Die Autoren der Studie betonen, dass ihre Ergebnisse ein starkes Argument dafür seien, die gesundheitlichen Folgen der Mikroplastikbelastung in Innenräumen systematisch zu erforschen. Menschen in modernen Gesellschaften verbringen rund 90 Prozent ihrer Zeit in geschlossenen Räumen – potenziell also in einer Umgebung mit erhöhter Belastung durch Plastikpartikel in der Luft.

Der direkte Nachweis von Mikroplastik im menschlichen Körper wurde im Rahmen der Studie nicht versucht. Stattdessen wurden Luftproben in Innenräumen genommen und auf dieser Basis berechnet, wie viele Partikel beim Atmen theoretisch aufgenommen werden – etwa im Alltag zu Hause oder im Auto. Dabei legten die Forscher Standardwerte für das Atemvolumen ruhender Personen zugrunde.

Eleonore Fröhlich weist darauf hin, dass die Daten auf Messungen aus relativ kleinen Luftvolumina und auf der Analyse nur eines kleinen Teils der Gesamtprobe basieren und deshalb mit Unsicherheiten behaftet sein können: „Jeder kleine Messfehler setzt sich fort.“ Zudem könne körperliche Aktivität die tatsächliche Aufnahme deutlich erhöhen. Für belastbare Aussagen sei eine breitere Datengrundlage notwendig.

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Erstellt:
31. Juli 2025, 12:38 Uhr
Aktualisiert:
31. Juli 2025, 17:00 Uhr

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