Kein kleiner Könner soll durchs Raster fallen

Serie Talente suchen, finden, fördern (Folge 11) Der VfB Stuttgart kooperiert mit insgesamt zehn Vereinen, darunter auch die SG Sonnenhof Großaspach. Mit Sichtungen und speziellen Trainingseinheiten will der Fußball-Bundesligist ein möglichst flächendeckendes Netz spannen.

Die Nachwuchskicker legten sich bei der Talentsichtung des VfB Stuttgart in Großaspach ordentlich ins Zeug, um die Späher des Fußball-Bundesligisten zu überzeugen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Nachwuchskicker legten sich bei der Talentsichtung des VfB Stuttgart in Großaspach ordentlich ins Zeug, um die Späher des Fußball-Bundesligisten zu überzeugen. Foto: A. Becher

Von Steffen Grün

„Zu lasch, wieder Tempo rein.“ Oder: „Jetzt nur mit dem rechten Fuß.“ Die Anweisungen der Trainer sind kurz und knackig. Ohne allzu viele Worte sollen die Nachwuchskicker, die gerade die Kunst der engen Ballführung demonstrieren, wissen, was zu tun ist. Etwa 30 Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren wollen sich bei der Talentsichtung auf dem Kunstrasenplatz im Fautenhau, die der VfB Stuttgart in Kooperation mit der SG Sonnenhof Großaspach organisiert, von ihrer besten Seite zeigen.

Den Traum, von den Spähern entdeckt zu werden und im Trikot mit dem Brustring bis in die Bundesliga durchzustarten, träumen weiter viele Buben aus der Region, obwohl dem VfB abermals der Abstieg droht. „Ich wollte sehen, ob ich gut genug bin“, sagt Lucas, der Dortmund und Freiburg die Daumen drückt und Kai Havertz nacheifert. Bist du es? „Ich glaube, noch nicht“, antwortet er, aber das Lächeln verrät, dass der Befund den Achtjährigen nicht besonders bekümmert. Manchmal sind es eher die Eltern, die der Ehrgeiz gepackt hat. Wie etwa die Mutter, die hinter der Werbebande kauert, ihren Sohn nicht aus den Augen lässt und in leisem, beinahe flehentlichem Ton vor sich hin seufzt: „Du musst dir den Ball holen.“

Damit in Württemberg und im badischen Randgebiet möglichst kein kleiner Könner durch das Raster fällt, will der VfB ein flächendeckendes Netz spannen. Insbesondere diesem Zweck dienen die Kooperationen mit zehn Vereinen: VfR Aalen, TSG Balingen, 1. FC Eislingen, VfB Friedrichshafen, VfR Heilbronn, FSV Hollenbach, SV Kickers Pforzheim, SC Pfullendorf, MTV Stuttgart – und SG Sonnenhof Großaspach. Mit Kai Oswald und Torsten Haubrich kümmern sich zwei hauptamtliche Trainer um alle Aktionen, die mit den Partnervereinen zu tun haben. Dazu zählen die Talentsichtungen wie unlängst in Großaspach. „Das ist ein öffentliches Training, für das sich jedes Kind anmelden kann. Da treffen wir keine Vorauswahl“, erklärt Haubrich. „Wir wollen allen die Möglichkeit geben, mal vorzuspielen.“

Die Motive, es zu tun, sind aber verschieden. „Er soll andere Trainingsformen kennenlernen“, verrät Steffen Winkler, warum sein Sohn Josha mitsamt Kumpel Noah Kirn (beide acht Jahre), die in der F-Jugend der SG Oppenweiler/Strümpfelbach spielen, im Fautenhau mitmischen. Zudem „sollen sie sehen, dass es auch bessere Spieler gibt und sie noch mehr tun könnten“, fügen die Papas lachend hinzu. Andere nutzen einfach die Möglichkeit, vor der Haustür mal etwas Abwechslung zum gewohnten Training zu bekommen. Oder sie sind von einem Verantwortlichen ihres Klubs animiert worden – wie Casimir (9) und Fridolin (11) vom SV Hoffeld, die mit ihrem Vater aus Stuttgart nach Großaspach gefahren sind. „Wir haben keine Erwartungen“, betont Tobias Gaydoul. „Sie sollen Spaß haben und so ein Training mal miterleben.“ Sollten sie in der Folge zu einem Training beim VfB Stuttgart eingeladen werden, „dürften sie natürlich hingehen, aber die Schule geht immer vor“.

Die zweite Talentsichtungsrunde in Stuttgart steht unmittelbar bevor

Am Mittwoch präsentieren sich rund 50 Kinder, die den VfB-Spähern bei elf Talentsichtungen besonders ins Auge stachen, auf dem Vereinsgelände an der Mercedesstraße. „Wir schauen noch einmal genau hin, welche Spieler das Potenzial haben“, sagt Torsten Haubrich. Geht der Daumen nach oben, gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens: Sofortiger Wechsel nach Stuttgart, wenn der Anfahrtsweg nicht zu weit ist, es mit der Schule kompatibel ist und die Eltern mitziehen. Zweitens: Verbleib beim Partnerverein oder einem anderen Klub, aber fortan mit intensiver Begleitung seitens der VfB-Trainer.

Zum Talenttraining in den Partnervereinen, das einmal pro Woche von Übungsleitern des Erstligisten angeboten wird, können auch Kicker aus anderen Klubs eingeladen werden. Eine Verpflichtung, sich dem Kooperationspartner anzuschließen, gibt es nicht. „Auch andere Vereine leisten gute Arbeit“, erläutert Haubrich, „aber es macht zu einem gewissen Zeitpunkt schon Sinn.“ In Großaspach gibt es kein Talenttraining, dort seien gute Strukturen vorhanden, weiß der 28-Jährige aus eigener Erfahrung. Er war einst eine Saison als Koordinator für die U 11 bis zur U 15 beim Sonnenhof. In dieser Zusammenarbeit gehe es eher um den Austausch der Trainer und um die regelmäßige Teilnahme einzelner SG-Talente am VfB-Training. Im Sommer zieht es wieder zwei Großaspacher nach Stuttgart, insgesamt werden es aus allen Partnervereinen in den Jahrgängen 2008 bis 2011 etwa zehn sein.

Letzter Baustein des Bundesligisten, um die größten Talente der Region herauszufiltern, ist das zentrale Talenttraining auf dem eigenen Gelände. Kommen darf nur, wer für einen Wechsel wirklich infrage kommt, wer beim Talenttraining „sehr auffällig“ war, so Haubrich. Bisher findet es alle zwei Wochen statt, „aber wir werden das deutlich intensivieren“. Eine wöchentliche Zusatzschicht neben dem Vereinstraining soll es sein.

Die SG Sonnenhof betrachtet es laut Ben Blümle als „Auszeichnung, Partner des VfB zu sein“. Und als Chance, eine Zwischenstation für Spieler zu sein, „für die der Schritt zum VfB vielleicht noch zu früh ist“. Großaspachs Nachwuchsleiter (U 11 bis U 16) erwähnt auch, dass SG-Talente, die in ihrem Altersbereich in der Entwicklung weit sind und denen der Sprung nach Stuttgart zugetraut wird, vom regelmäßigen Zusatztraining profitieren können. Was Wechsel angeht, ist der Weg in die Landeshauptstadt für Ben Blümle auch keine Einbahnstraße, denn „Spieler, die es beim VfB nicht in die nächste Jahrgangsstufe schaffen, kommen manchmal auch zu uns“. Die Rolle als einziger Partnerverein im weiten Umkreis hilft.

Der 40-Jährige betont, dass auch Großaspachs Nachwuchstrainer einen enormen Nutzen aus der Kooperation ziehen können. Sie tauschen sich mit ihren Kollegen über Übungsformen aus, können für längere Zeit bei ihnen hospitieren oder Schulungen besuchen. Es ist sogar möglich, zum Beispiel mal mit der ganzen E-Jugend nach Stuttgart zu fahren und mit den Altersgenossen eine gemeinsame Einheit zu absolvieren.

In der Serie Talente suchen, finden, fördern berichten wir, was es braucht, um es vom kleinen zum großen Sportler zu bringen. Unter anderem geht es um Sichtung und Training in Vereinen und Verbänden.
SG-Kooperation mit Kleinaspach

Gründe Für Thomas Übele gibt es vor allem zwei Argumente für die enge Zusammenarbeit der Vereine. „Wir können die vorhandenen Platzkapazitäten gemeinsam nutzen“, sagt der Abteilungsleiter der Spvgg Kleinaspach/Allmersbach. Zudem geht es ihm darum, alle Kinder und Jugendlichen in der Gemeinde halten zu können und sie nicht zum Wechsel zu auswärtigen Klubs zu nötigen. „Das klappt ganz ordentlich“, meint Übele.

Alleinstellungsmerkmal In der F-Jugend und bei den Bambinis hat die SG keine Teams, der Zulauf in Kleinaspach ist hier besonders groß. In der E-Jugend geht es in Großaspach los, einige Talente kommen dann auch von der Spvgg. Den umgekehrten Weg gehen später auch manche Spieler, wenn sie bei der SG an ihre Grenzen stoßen.

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Erstellt:
30. April 2022, 06:00 Uhr

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