Kühnle-Gutachter: „Keine Tierschutzverstöße“ in Backnanger Betrieb

Das Beratungsinstitut BSI Schwarzenbek kommt zu dem Ergebnis, dass im Schlachtbetrieb der Backnanger Metzgerei Kühnle die Schlachtung der Tiere fachlich korrekt erfolgt ist. Den im Video gezeigten Tieren seien „keine länger anhaltenden Schmerzen und Leiden“ zugefügt worden.

Die Metzgerei Kühnle sieht sich durch das Gutachten des Instituts BSI entlastet. Die Soko Tierschutz hingegen sieht es als problematisch an, dass ausgerechnet BSI mit einem Gutachten beauftragt wurde, da das Institut von der Fleischindustrie abhängig sei. Foto: privat

Die Metzgerei Kühnle sieht sich durch das Gutachten des Instituts BSI entlastet. Die Soko Tierschutz hingegen sieht es als problematisch an, dass ausgerechnet BSI mit einem Gutachten beauftragt wurde, da das Institut von der Fleischindustrie abhängig sei. Foto: privat

Von Matthias Nothstein

Backnang. Als die Backnanger Metzgerei Kühnle Mitte August ihren Schlachtbetrieb in der Sulzbacher Straße vorsorglich geschlossen hat, weil heimliche Aufnahmen der Soko Tierschutz „mögliche Unregelmäßigkeiten“ offenbart hatten, erklärte das Unternehmen, es werde zur Aufklärung des Sachverhalts einen unabhängigen Gutachter hinzuziehen.

Nun liegt das Gutachten vor. Es stammt vom schleswig-holsteinischen Beratungs- und Schulungsinstitut BSI Schwarzenbek aus der gleichnamigen Kleinstadt. In der November-Kundeninformation von Kühnle, die als vierseitiger Flyer in allen Filialen ausliegt, werden auf einer Doppelseite Auszüge dieses Gutachtens ausführlich veröffentlicht. Die Kernaussagen lauten: „Der Gutachter, Dr. Martin von Wenzlawowicz, ist hier zu dem Ergebnis gekommen, dass entgegen der Darstellung der Tierschutzorganisation keine Tierschutzverstöße auf den Aufnahmen zu erkennen seien.“ Nach Ansicht des Gutachters wurden den im Video gezeigten Tieren „keine länger anhaltenden Schmerzen oder Leiden zugefügt“. Auch sei „die Betäubung und Entblutung der Tiere fachlich korrekt erfolgt“. Und: „Bei keinem der Rinder sind Anzeichen einer mangelhaften Betäubung erkennbar.“

Mit der Kundeninformation geht Kühnle geradezu in die Gegenoffensive. Es handele sich um eine „Medienkampagne, bei der teilweise Falschbehauptungen veröffentlicht wurden“. So sei die Traditionsmetzgerei durch heimliche Filmaufnahmen negativ in die Schlagzeilen gekommen. Kühnle schreibt: „Dabei handelt es sich um Zusammenschnitte, die in keiner Weise den realen Betriebsablauf darstellen.“ Das Fazit des Unternehmens, was die Arbeit der Soko Tierschutz angeht: „Die Videos werden aufwendig bearbeitet. Sie sollen dramatisieren und schockieren; um sachliche Aufklärung geht es dabei nicht.“

Aufnahmen zeigen dem Gutachten zufolge kein Fehlverhalten des Personals

BSI bewertete auch die Arbeit der Mitarbeiter. So heißt es an einer Stelle: „Anhand der Videoaufnahmen von der Betäubung der Rinder könne nicht abgeleitet werden, dass die Vorgehensweise unseres Personals fachlich unkorrekt war. Die Zufügung von Schmerzen oder Leiden ist bei keinem Tier erkennbar.“ Und Kühnle schreibt: „Tierschutzverstöße werden bei der Metzgerei Kühnle nicht geduldet. (...) Alle im Schlachtbetrieb und bei den dazugehörigen Abläufen eingesetzten langjährigen Mitarbeiter verfügen über die erforderlichen Sachkundenachweise und werden regelmäßig geschult. Wir sind sehr froh, dass wir so gute Fachkräfte in unserem Betrieb haben.“

Trotzdem hatte Kühnle zwei Mitarbeiter Mitte August unter Fortzahlung der Bezüge sofort freigestellt. Sind diese Mitarbeiter nun wieder im Dienst? Rechtsanwalt Jörn Claßen von der Kölner Kanzlei Brost Claßen, der den Betrieb juristisch vertritt, schreibt dazu: „Zum Schutz der Mitarbeiter werden mitarbeiterbezogene Daten öffentlich nicht thematisiert.“

Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz hat inzwischen auch Kenntnis von der Kundeninformation. Nach der Lektüre hat Mülln einen Fragebogen an die Firma BSI geschickt, da es seiner Ansicht nach ohne weitere Informationen kaum möglich ist, Stellung zu beziehen. Er schreibt: „Das Problem ist, dass weder das Gutachten im Original öffentlich ist, noch klar ist, welches Material ausgewertet wurde oder wer der Auftraggeber und damit Kunde des BSI ist. Wir gehen davon aus, dass es geschickt gekürzt zitiert wurde.“ Den Vorwurf Kühnles, das Bildmaterial sei „aufwendig bearbeitet“, kontert Mülln mit der Bemerkung: „Wir haben das gesamte unbearbeitete Material an die Behörden übergeben.“ Mülln erklärt weiter, es sei problematisch, die Firma BSI als renommiert zu bezeichnen. Seine Begründung: „Es ist eine der wenigen Einrichtungen, die sogenannte Sachkundenachweise anbieten. Die Firma ist also finanziell von der Fleischindustrie abhängig und mit ihr eng verbunden. Demnach dürften diverse der von uns als Tierquäler enttarnten Mitarbeiter aus diversen von uns geschlossenen Betrieben ihre Sachkundenachweise dort gemacht haben. Das lässt uns an der Qualität der Einrichtung zweifeln.“

Darstellung der Soko Tierschutz ist laut Kühnle „einseitig und vorverurteilend“

Für Claßen sind diese Vorwürfe der Soko Tierschutz nicht verwunderlich. Die Darstellungen der Soko Tierschutz nennt er „einseitig und vorverurteilend“. Und so befürchtet der Rechtsanwalt, „dass die Organisation selbst entlastende Informationen von unabhängigen Experten zum Anlass für eine weitergehende Hetzkampagne gegen Kühnle nutzen würde“.

Kurz und knapp fällt die Stellungnahme des Landratsamtes Rems-Murr aus: „Wir stehen mit der Firma Kühnle im Austausch. Das Landratsamt ist grundsätzlich daran interessiert, dass ein tierschutzkonformer regionaler Schlachthof im Landkreis betrieben wird.“ Weil derzeit aber noch vieles im Fluss sei, wollten sich die Vertreter des Veterinäramtes nicht näher äußern.

Die Kundeninformation Kühnles endet mit einem positiven Ausblick: „Wir arbeiten mit einem führenden Tiermediziner an einer neuen Konzeption, damit unsere Mitarbeiter zukünftig bei ihrer verantwortungsvollen Aufgabe noch mehr entlastet werden und damit wir den Tieren ihren letzten Weg, soweit es in unserer Macht steht, so angenehm und stressfrei wie möglich machen können.“ Bis es so weit ist, werden die Tiere in einem Schlachthof in der Nähe von Backnang für das Traditionsunternehmen Kühnle geschlachtet.

In den vergangenen drei Jahren hat Kühnle 300000 Euro in den Schlachtbetrieb investiert

Institut BSI Das Gutachten des Instituts BSI Schwarzenbek liegt weder dem Landratsamt Rems-Murr noch unserer Zeitung vor. Das Landratsamt schreibt über BSI: „Dieses bundesweit tätige Fachinstitut, das Beratungsdienstleistungen für Schlachtbetriebe anbietet, arbeitet nach Einschätzung des Veterinäramtes unabhängig, objektiv, fundiert und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen begründet.“ Auf seiner Homepage schreibt BSI über sich: „Das Beratungs- und Schulungsinstitut für Tierschutz bei Transport und Schlachtung wurde 1993 auf Initiative von Professor Dr. G. von Mickwitz gegründet. Wir sind Tierärzte und bearbeiten Fragen des Tierschutzes bei landwirtschaftlichen Nutztieren, beim Umgang mit den Tieren, beim Tiertransport, bei der Schlachtung und bei der Tötung im Seuchenfall.“

Investitionen Die Metzgerei Kühnle hat eigenen Angaben zufolge regelmäßig in Modernisierungen ihres Betriebs investiert, um den stetig wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Allein in den vergangenen drei Jahren seien etwa 300000 Euro in den Schlachtbetrieb geflossen. Zudem, verspricht Kühnle, werden die baulichen Gegebenheiten stetig optimiert.

Veterinäramt Die Behörde steht im Austausch mit der Firma Kühnle. Derzeit wartet das Amt auf die Entscheidung, ob und wenn ja wann die Firma Kühnle den Schlachtbetrieb wieder aufnehmen möchte und auf den in diesem Zusammenhang angekündigten Maßnahmenplan. Es wurden Umbauplanungen angekündigt. Bislang liegt dem Veterinäramt aber noch nichts vor. Ob nach der Wiedereröffnung des Schlachtbetriebs dort Schweine und Rinder oder nur noch Schweine geschlachtet werden, hängt laut Veterinäramt von den konkreten Umbauplänen und dem neuen Konzept des Betriebes ab.

Antrag im Kreistag Die FDP/FW-Kreistagsfraktion sieht sich aufgrund der Vorfälle um den Schlachthof Kühnle darin bestärkt, mehr dafür zu sorgen, dass die Themen Tierwohl und Regionalität miteinander verbunden werden. In ihrer Stellungnahme zum Haushalt beantragt die Fraktion einen Bericht über die aktuelle Lage der Tier- und Fleischwirtschaft im Rems-Murr-Kreis und über Ergebnisse der Bio-Musterregion Rems-Murr-Ostalb bezüglich der hofnahen Schlachtung von Biotieren. Die Fraktion regt eine Veranstaltung unter dem Titel „Tierwohl und Regionalität“ an, bei der über Angebote aus regionaler Fleischerzeugung und über Hofschlachtungen informiert werden soll. Zudem sollen die Verbraucher dafür sensibilisiert werden, dass der Verzicht auf lange Tiertransporte dem Tierwohl dient.

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Erstellt:
22. November 2022, 06:00 Uhr

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