Backnanger Grabenstraße wieder offen, aber wie lange?

Nach sechswöchiger Sperrung wird die Backnanger Grabenstraße morgen wieder für den Durchgangsverkehr geöffnet. Doch die Frage ist, ob das so bleibt: Noch in diesem Herbst soll der Gemeinderat über eine mögliche Verkehrsberuhigung der Einkaufsmeile diskutieren.

Am Fritz-Munz-Weg vor dem Drogeriemarkt Müller war für Autofahrer in den vergangenen Wochen Endstation. Die Zahl der Fahrzeuge in der Grabenstraße hat sich dadurch während der Bauphase halbiert. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Am Fritz-Munz-Weg vor dem Drogeriemarkt Müller war für Autofahrer in den vergangenen Wochen Endstation. Die Zahl der Fahrzeuge in der Grabenstraße hat sich dadurch während der Bauphase halbiert. Fotos: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Bei der Frage, ob auch künftig Autos durch die Grabenstraße fahren sollen, gehen die Meinungen auseinander. Während manche den motorisierten Verkehr am liebsten ganz aus der Einkaufsstraße verbannen wollen, befürchten die Händler Umsatzeinbußen, wenn ihre Geschäfte nicht mehr mit dem Auto erreichbar sind.

Wie eine Grabenstraße ohne Durchgangsverkehr aussieht, konnte man nun sechs Wochen lang beobachten: Seit Ende Juli war die Durchfahrt nämlich gesperrt. Grund war eine Baustelle an der Bushaltestelle Aspacher Brücke. „Die Fahrbahn hatte dort erhebliche Beschädigungen. Im Zuge der Bauarbeiten in der Eduard-Breuninger-Straße haben wir diese deshalb gleich mit erneuert“, sagt Baudezernent Stefan Setzer. Der Pflasterbelag wurde durch eine Oberfläche aus Beton ersetzt. „Der neue Belag ist wesentlich resistenter gegen Setzungen“, erklärt der Baudezernent. Allerdings braucht Beton auch Zeit zum Aushärten, was die relativ lange Bauzeit erklärt. Doch nun ist alles pünktlich fertig, und die Grabenstraße kann spätestens morgen wieder für den Verkehr freigegeben werden.

Zeitraum war zu kurz für einen echten Testlauf

Zwar hatte die Stadtverwaltung schon vorher betont, dass die baustellenbedingte Sperrung kein Testlauf für eine mögliche Verkehrsberuhigung sei. Dafür sei der Zeitraum zu kurz und wegen der Ferien auch nicht repräsentativ. Trotzdem haben Befürworter wie Gegner einer Verkehrsberuhigung in den vergangenen sechs Wochen natürlich genau hingeschaut. Ihr Fazit fällt höchst unterschiedlich aus.

Stadtrat Heinz Franke, der seit Jahren für einen autofreien „Graben“ kämpft, sieht sich bestätigt: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Sperrung der Grabenstraße geschadet hat. Die Aufenthaltsqualität ist eher besser geworden“, sagt der Vorsitzende der SPD-Fraktion. Die vergangenen sechs Wochen haben aus seiner Sicht gezeigt: „Es ist nicht unmöglich.“

Neuer Eingang zur Grabenstraße? Wenn die Zufahrt über die Sulzbacher Brücke gesperrt würde, könnten Anlieger über die Bácsalmás-Brücke zu ihren Stellplätzen gelangen.

© Alexander Becher

Neuer Eingang zur Grabenstraße? Wenn die Zufahrt über die Sulzbacher Brücke gesperrt würde, könnten Anlieger über die Bácsalmás-Brücke zu ihren Stellplätzen gelangen.

Optiker Jochen Stroh, der seinen Laden in der Grabenstraße hat, bezeichnet die vergangenen Wochen hingegen als „wilde Zeit“. In der Straße habe „totales Chaos“ geherrscht. Besonders gestört hat ihn, dass auch die wenigen legalen Parkplätze vor der Volksbank während der Bauzeit weggefallen sind. „Diese Kurzzeitparkplätze werden dringend benötigt“, findet der Unternehmer. Noch deutlicher wird Andrea Hailer, Inhaberin der Boutique „Ananas – die Mode“. Die Sperrung bezeichnet sie als Zumutung: „Die Straße war tot. Da ist in Unterweissach mehr los.“ Sollten die Autos dauerhaft aus der Grabenstraße verbannt werden, will Hailer ihren Laden, den sie seit 34 Jahren betreibt, schließen. Sie sei bereits auf der Suche nach einer geeigneten Ladenfläche in Winnenden oder Heilbronn.

Autofreie Grabenstraße war der meist genannte Wunsch

Während die Händler froh sind, dass der Verkehr ab morgen erst mal wieder ungestört fließen kann, macht man sich im Rathaus Gedanken über eine künftige Lösung. „Alles so zu lassen, wie es ist, ist in unseren Augen nicht die beste Option“, sagt Stefan Setzer. Das habe auch eine Kundenbefragung gezeigt, die das Marktforschungsinstitut GMA im vergangenen Herbst durchgeführt hatte. Bei der Frage nach Verbesserungsvorschlägen für die Innenstadt war eine autofreie Grabenstraße der meist genannte Wunsch. Auch beim repräsentativen Bürgerbarometer unserer Zeitung hatte sich 2019 eine Mehrheit von 53 Prozent dafür ausgesprochen.

Eine klassische Fußgängerzone wird die Grabenstraße aber wohl in keinem Fall werden. Denn zum einen fährt der Bus durch die Einkaufsmeile und das soll nach dem Willen der Stadtverwaltung auch so bleiben. Zum anderen gibt es öffentliche und private Parkplätze und Tiefgaragen, die nur über die Grabenstraße erreicht werden können.

Unnötiger Durchgangsverkehr soll unterbunden werden

„Diejenigen, die mit dem Auto reinmüssen, sollen das auch weiterhin dürfen“, betont Heinz Franke. Was aus seiner Sicht aber unterbunden werden sollte, ist unnötiger Durchgangsverkehr. Und der macht offenbar rund die Hälfte der Fahrzeuge in der Grabenstraße aus. Das legen zumindest die Zählungen nahe, die die Stadt in den vergangenen Wochen mit einem speziellen Radargerät durchgeführt hat. Demnach ist die Zahl der Autos, die durch die Grabenstraße rollen, währen der baustellenbedingten Sperrung von sonst etwa 2300 auf rund 1000 am Tag gesunken.

Stadt setzt auf „kluge Verkehrsführung“

Eine solche Zahl ließe sich „durch eine kluge Verkehrsführung verträglich abwickeln“, glaubt Stefan Setzer. Denkbar wäre aus seiner Sicht zum Beispiel, dass die Zufahrt über die Sulzbacher Brücke gesperrt wird und der Anliegerverkehr künftig von der Talstraße über die Bácsalmás-Brücke in die Grabenstraße gelangen kann. Von vorne könnten dann nur noch Busse und Taxis in die Grabenstraße einfahren. Im nächsten Schritt könnte man dann auch darüber nachdenken, wie die Aufenthaltsqualität in der Grabenstraße erhöht werden kann. Setzer denkt da zum Beispiel an eine Begrünung und Wasserspiele.

Ob es dazu kommen wird, ist allerdings noch offen. Im Herbst will die Verwaltung das Thema im Gemeinderat, aber auch mit den Betroffenen diskutieren – ergebnisoffen, wie Stefan Setzer betont. Geplant sei ein moderierter Beteiligungsprozess, bei dem sich Bürgerschaft und Gewerbetreibende einbringen könnten. Eine Entscheidung über die Zukunft der Grabenstraße soll dann erst im kommenden Jahr fallen.

Jochen Stroh erklärt, er sei für Gespräche immer offen, allerdings versteht der Optiker nicht, warum in einer „funktionierenden Straße“ überhaupt etwas verändert werden soll. „Dieses Geld könnte man an anderer Stelle sicher sinnvoller ausgeben.“

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Erstellt:
9. September 2022, 06:00 Uhr

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