Testlauf für autofreie Grabenstraße geplant

Dass Backnangs wichtigste Einkaufsmeile noch keine Fußgängerzone ist, stört viele Kommunalpolitiker schon seit Jahren. Das könnte sich nun bald ändern: Die Stadt plant, die Grabenstraße für den Durchgangsverkehr zu sperren, zunächst einmal als befristeter Verkehrsversuch.

Rund 3000 Autos rollen jeden Tag durch die Grabenstraße. Stadtverwaltung und Gemeinderat wollen diese Zahl deutlich reduzieren. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Rund 3000 Autos rollen jeden Tag durch die Grabenstraße. Stadtverwaltung und Gemeinderat wollen diese Zahl deutlich reduzieren. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Das Thema ist nicht neu: Immer wieder gab es im Backnanger Gemeinderat in den vergangenen Jahren Forderungen und Anträge, den Autoverkehr aus der Grabenstraße zu verbannen. Vor allem die SPD-Fraktion setzt sich seit Jahren dafür ein. Dabei weiß sie die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich, wie eine repräsentative Umfrage unserer Zeitung im Jahr 2019 gezeigt hat. Beim BKZ-Bürgerbarometer sprachen sich damals 53,2 Prozent der Befragten dafür aus, die Grabenstraße zur Fußgängerzone zu machen, nur 33,1 Prozent waren dagegen (13,7 Prozent: weiß nicht).

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, insbesondere unter den Händlern, die Umsatzeinbußen befürchten. Zu den Skeptikern gehört auch der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Backnang, Jürgen Beerkircher: „Eine Sperrung der Straße halte ich eher für kontraproduktiv. Eine attraktive Innenstadt braucht einen funktionierenden Einzelhandel und die Erreichbarkeit der Geschäfte ist dabei besonders wichtig.“ Die Volksbank betreibt an ihrem Hauptsitz auch eine Tiefgarage, die nur über die Grabenstraße angefahren werden kann. „Wir haben in unserer Volksbank viel Kundenverkehr und möchten ohne Einschränkungen für unsere Mitglieder und Kunden erreichbar sein“, stellt Jürgen Beerkircher klar.

Solche Bedenken waren wohl auch der Grund, warum die Verwaltung unter OB Frank Nopper bei diesem Thema nicht aktiv geworden ist, doch nun zeichnet sich im Rathaus ein Sinneswandel ab. Wie Baudezernent Stefan Setzer bestätigt, gibt es konkrete Pläne für eine Verkehrsberuhigung in der Grabenstraße. „Für Aufenthaltsqualität und Außengastronomie wäre es besser, wenn wir dort weniger Durchgangsverkehr hätten“, erklärt Setzer. Zählungen hatten ergeben, dass täglich rund 3000 Fahrzeuge durch die Grabenstraße rollen.

Die Einkaufsmeile komplett zur Fußgängerzone zu machen, dürfte aber schwierig werden. Zum einen fahren nämlich auch Busse durch die Straße, zum anderen gibt es neben besagter Tiefgarage noch weitere private Stellplätze, die erreichbar bleiben müssen. Auch Taxis sollten die Straße laut Setzer weiterhin nutzen können, um ältere und gehbehinderte Patienten zu den Arztpraxen zu bringen und wieder abzuholen.

Umfrage

Backnang will die Grabenstraße testweise für Autos sperren. Ist das eine gute Idee?

8288 abgegebene Stimmen

Drei der vier großen Fraktionen unterstützen die Pläne

Für alle anderen könnte die Durchfahrt aber bald tabu sein. Stefan Setzer spricht sich dabei für eine „stufenweise Umsetzung“ aus. So soll ein Durchfahrtsverbot zunächst einmal in einem zeitlich befristeten Verkehrsversuch getestet werden: „So könnten wir mal ausprobieren, wie die Auswirkungen in der Praxis sind.“ Setzer kann sich vorstellen, dass die Testphase über die Sommermonate läuft. Anschließend sollen die Ergebnisse ausgewertet und auch Händler und Anlieger dazu befragt werden.

Im Gemeinderat dürften die Pläne eine Mehrheit finden: Drei der vier großen Fraktionen signalisieren bereits Zustimmung. SPD-Fraktionschef Heinz Franke hält einen solchen Verkehrsversuch für „überfällig“. In seiner jüngsten Haushaltsrede hatte Franke die Grabenstraße als „Poserrundkurs“ bezeichnet. Auch CDU und Grüne unterstützen den Vorschlag: „Die Grabenstraße ist die Flaniermeile in Backnang geworden. Mehr Aufenthaltsqualität und weniger Verkehr wären gut“, findet die CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Ulfert. Für Willy Härtner (Grüne) wäre eine Sperrung für Autos auch ein Zeichen an die Fußgänger: „Die Straße ist prädestiniert fürs Flanieren.“

Widerspruch kommt hingegen von Charlotte Klinghoffer: Ihre Fraktion sei grundsätzlich gegen eine Schließung der Grabenstraße für den fließenden Verkehr, sagt die Sprecherin der Fraktion Bürgerforum/FDP/ BIG. Bei einem solchen Schritt müsse man mit massiven Umsatzrückgängen der Händler rechnen, was letztlich sogar zu Standortverlagerungen führen könnte. Klinghoffers Befürchtung: „Wir machen Backnang so attraktiv, dass es zu einem Freilichtmuseum wird.“

Andere Stadträte teilen diese Sorge nicht: „Parkmöglichkeiten sind im Parkhaus Stadtmitte und in der Tiefgarage Biegel in großer Zahl vorhanden, sodass es immer nur wenige Meter bis zu den Geschäften sind und keine Notwendigkeit besteht, direkt vor den Ladentüren zu parken“, findet Heinz Franke. Auch Ute Ulfert erwartet „keine wesentlichen Beeinträchtigungen für den Handel“. Sie selbst fahre übrigens nicht mit dem Auto durch die Grabenstraße, teilt die CDU-Stadträtin mit. Und sie habe das auch noch nie vermisst.

Kommentar
Einfach mal ausprobieren

Von Kornelius Fritz

Die Kunden wollen mit dem Auto am liebsten bis direkt vors Geschäft fahren. Dieses Gegenargument hört man immer wieder, wenn es darum geht, den motorisierten Verkehr aus den Innenstädten zu verbannen. Da ist natürlich was dran, denn seien wir ehrlich: Fast jeder ist doch froh, wenn er für eine schnelle Erledigung nicht erst einen Parkplatz suchen und einen längeren Fußweg auf sich nehmen muss.

Wer diesen bequemen Weg sucht, wird allerdings in der Regel eines der großen Einkaufszentren vor den Toren der Stadt ansteuern. Dort findet man alles, was man braucht, und dazu noch jede Menge kostenlose Parkplätze direkt vor der Tür.

Die Innenstädte haben andere Stärken. Hier kann man nicht nur einkaufen, sondern auch bummeln, Bekannte treffen oder sich in ein Straßencafé setzen. Doch dieser Erlebnischarakter leidet in der Grabenstraße massiv unter den vielen Autos. Deshalb ist es höchste Zeit, die wichtige Einkaufsmeile vom Durchgangsverkehr zu befreien. Dies zunächst in einem Verkehrsversuch zu erproben, ist eine gute Idee. Vielleicht zeigt sich dabei ja, dass die negativen Folgen, die manche befürchten, gar nicht eintreten.

k.fritz@bkz.de

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Erstellt:
27. Januar 2022, 07:48 Uhr

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