Widerstand gegen autofreie Grabenstraße

Die Idee, die Backnanger Einkaufsstraße mit einem Durchfahrtsverbot vom Autoverkehr zu befreien, stößt auf geteiltes Echo. Während die Stadtverwaltung und eine Mehrheit im Gemeinderat einen Testlauf befürworten, gehen die betroffenen Händler auf die Barrikaden.

Die Händler und Gewerbetreibenden aus der Grabenstraße haben kein Verständnis für die Pläne der Stadtverwaltung (von links): Volksbank-Chef Jürgen Beerkircher, Steuerberater Navarone Fotoglidis, Apotheker Volker Müller, Karin Kübler-Fotoglidis (Eiscafé Portofino), Andrea Hailer (Ananas die Mode), Optiker Jochen Stroh und Stadträtin Charlotte Klinghoffer. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Händler und Gewerbetreibenden aus der Grabenstraße haben kein Verständnis für die Pläne der Stadtverwaltung (von links): Volksbank-Chef Jürgen Beerkircher, Steuerberater Navarone Fotoglidis, Apotheker Volker Müller, Karin Kübler-Fotoglidis (Eiscafé Portofino), Andrea Hailer (Ananas die Mode), Optiker Jochen Stroh und Stadträtin Charlotte Klinghoffer. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Ein BKZ-Artikel vom 27. Januar hat die Händler und Gewerbetreibenden in der Backnanger Grabenstraße in helle Aufregung versetzt. Damals hatten wir berichtet, dass die Backnanger Stadtverwaltung darüber nachdenkt, die Einkaufsstraße zumindest versuchsweise für den Autoverkehr zu sperren. Sie reagiert damit auf eine Forderung aus dem Gemeinderat, wo sich eine Mehrheit aus CDU, SPD und Grünen für eine autofreie Grabenstraße einsetzt. Nach dem Willen der Kommunalpolitiker sollen künftig nur noch Busse, Taxis und Anlieger durch den „Graben“ fahren dürfen. Davon abgesehen soll die Straße für Fußgänger und Radfahrer reserviert sein.

Diejenigen, die ihre Geschäfte in der Grabenstraße haben, halten von dieser Idee allerdings überhaupt nichts. Sie befürchten massive Umsatzausfälle, wenn die Kunden nicht mehr wie bisher mit dem Auto bis vor die Ladentür fahren können. „Die Grabenstraße ist eine der Hauptschlagadern der Innenstadt. Wenn man sie kappt, bekommen wir ein Problem“, sagt Jochen Stroh. Der Optiker fragt sich, warum man im Rathaus überhaupt Handlungsbedarf in der Grabenstraße sieht. Die Straße sei belebt, es gebe keine Leerstände: „Die Grabenstraße ist die einzige Einkaufsstraße in Backnang, die gut funktioniert. Ich verstehe nicht, warum man da eingreifen muss.“

Bernd Mildenberger von der gleichnamigen Großbäckerei verweist auf Erfahrungen aus der Vergangenheit. Als Anfang der 1980er-Jahre die Schillerstraße zur Fußgängerzone wurde, seien die Umsätze in der dortigen Filiale massiv eingebrochen. Dieselbe Erfahrung habe man auch schon in der Grabenstraße gemacht, als diese 2008 wegen Bauarbeiten für mehrere Monate gesperrt war. Einen Verkehrsversuch hält er deshalb für überflüssig, man wisse bereits, was einen bei einer Sperrung erwarte.

Händler befürchten, dass Kunden in die Einkaufscenter abwandern

So wie er sehen es offenbar viele Ladeninhaber in diesem Bereich. Andrea Hailer von der Modeboutique Ananas ist mit einer Liste von Haus zu Haus gezogen und hat mehr als 50 Unterschriften gegen die Pläne gesammelt. Zu den Kritikern gehört auch der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Backnang, Jürgen Beerkircher. Viele Bankkunden, die nur kurz Geld abheben oder eine Überweisung tätigen wollten, kämen mit dem Auto, berichtet er. Viele würden sich bei der Gelegenheit auch noch eine Kugel Eis im Eiscafé Portofino oder eine Brezel von der Bäckerei Mildenberger holen. Würde die Straße für Autos gesperrt, befürchtet Beerkircher, dass diese Kunden ausbleiben: „Wegen einer halben Stunde fahren die Leute nicht ins Parkhaus“, glaubt Beerkircher. Stattdessen würden sie eher ein Einkaufscenter am Stadtrand ansteuern, wo es jede Menge kostenlose Parkplätze gibt.

Eine Fürsprecherin haben die Ladenbesitzer in Stadträtin Charlotte Klinghoffer gefunden. „Wir wollen doch eine lebendige Innenstadt. Dann muss man sie auch mit dem Auto erreichen können“, sagt die Vorsitzende der Fraktion Bürgerforum/FDP/ BIG. Das Argument, es gebe in der näheren Umgebung genügend Parkplätze, lässt sie nicht gelten. Sowohl das Parkhaus Stadtmitte als auch der Parkplatz auf der Bleichwiese seien größtenteils von Anwohnern belegt. Und zur viel zitierten „Flaniermeile“ taugt die Grabenstraße in ihren Augen ohnehin nicht. Dafür sei sie schlicht zu kurz und das Angebot zu bescheiden.

Dass die Grabenstraße bisweilen von Fahrern aufgemotzter Autos als „Poserstrecke“ genutzt wird, ist für die Anlieger kein Argument, um die Straße gleich für alle Autofahrer dichtzumachen. „Man muss die Poser eben mal kontrollieren, dann ist nach drei Wochen Ruhe“, glaubt Jochen Stroh.

Selbst Portofino-Inhaberin Karin Kübler-Fotoglidis sieht keine Vorteile in einer Fußgängerzone. Sie hat nicht den Eindruck, dass sich die Gäste in ihrem Eiscafé von den vorbeifahrenden Autos gestört fühlen. Und ihren Außenbereich könne sie im Falle einer Sperrung trotzdem nicht erweitern, solange weiterhin Busse und Taxis durch die Straße rollen.

Die Händler sind sich einig: In der Grabenstraße sollte alles so bleiben, wie es ist. „Es gibt hier doch genügend Platz für Fußgänger, Fahrradfahrer und Autos“, findet Navarone Fotoglidis, der über dem Eiscafé eine Steuerberatungskanzlei führt. Das Miteinander der Verkehrsmittel funktioniere wunderbar. Fotoglidis kann sich nur an einen einzigen Unfall erinnern: An dem sei aber kein Auto, sondern nur ein Fahrradfahrer und ein Fußgänger beteiligt gewesen. Die Gewerbetreibenden hoffen, dass die Kommunalpolitiker, ehe sie eine Entscheidung treffen, das Gespräch mit ihnen suchen. „Bevor man plant, sollte man die Betroffenen fragen“, findet Apotheker Volker Müller. Auch Jürgen Beerkircher beklagt eine „unglückliche Kommunikation“.

Baudezernent Stefan Setzer versichert hingegen, noch sei gar nichts beschlossen. Die Entscheidungsfindung solle „selbstverständlich öffentlich und mit den Beteiligten“ stattfinden. Die Stadtverwaltung entwickle gerade „ein geeignetes Format für einen strukturierten und zielführenden öffentlichen Beteiligungsprozess“.

Wie geht es weiter?

Baustelle Sicher ist bis jetzt nur, dass die Grabenstraße voraussichtlich während der Sommerferien für etwa sechs Wochen für den Autoverkehr gesperrt wird. Grund ist in diesem Fall allerdings eine Baustelle:
Die Bushaltestelle „Aspacher Brücke“ wird in dieser Zeit umgebaut. Anschließend wird die Grabenstraße laut Baudezernent Stefan Setzer zunächst wieder für den Verkehr geöffnet.

Verkehrsversuch Um die Auswirkungen einer Sperrung für den Autoverkehr zu testen, reichen diese sechs Wochen nicht. Dafür ist laut Setzer eine Testphase von mindestens sechs Monaten erforderlich. Ein solcher Verkehrsversuch müsste vom Gemeinderat beschlossen werden. „Selbstverständlich wird die Thematik in allen Facetten zu gegebener Zeit öffentlich beraten“, teilt der Baudezernent mit.

Bürgerbeteiligung Stefan Setzer betont, dass die Betroffenen beteiligt werden sollen. „Diese Entscheidung bedarf einer intensiven Beratung unter Einbeziehung aller relevanten Akteure, insbesondere der Händler und Gewerbetreibenden in der Innenstadt sowie der Bürgerschaft“, erklärt Setzer. Da dieser Prozess jetzt erst starte, sei noch nicht absehbar, ob und wann der Testlauf beginnt.

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Erstellt:
12. März 2022, 06:00 Uhr

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