Firmen im Rems-Murr-Kreis investieren in Energieeffizienz

Alles wird teurer (7) Der massive Preisanstieg bei Strom, Öl und Gas belastet energieintensive Betriebe besonders stark. Der Verbrauch lässt sich aber in den meisten Fällen reduzieren. Immer mehr Unternehmen sind bereit, dafür Geld in die Hand zu nehmen.

Christian Vockel ist beim Automobilzulieferer Stoba für das Energiemanagement zuständig. Mit dem Blockheizkraftwerk im Hintergrund deckt die Backnanger Firma ihren Wärmebedarf, die Stromproduktion aus Erdgas ist aber zu teuer geworden.Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Christian Vockel ist beim Automobilzulieferer Stoba für das Energiemanagement zuständig. Mit dem Blockheizkraftwerk im Hintergrund deckt die Backnanger Firma ihren Wärmebedarf, die Stromproduktion aus Erdgas ist aber zu teuer geworden.Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Rems-Murr. Ob Privathaushalt oder Großkonzern: Der Preisanstieg bei Gas, Öl und Strom betrifft fast alle. Bei einem energieintensiven Betrieb geht es dabei allerdings um ganz andere Summen. So wie bei der Firma Stoba in Backnang: „Wir rechnen 2023 mit Mehrausgaben von fünf Millionen Euro“, sagt Christian Vockel, der als Leiter des Werkservice auch das Energiemanagement des Automobilzulieferers verantwortet. Die Energiekosten entsprechen bei Stoba etwa sechs Prozent des Umsatzes.

Bei solchen Beträgen lohnt es sich, den Verbrauch ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Das tut man bei Stoba schon länger, und das nicht nur aus Kostengründen. Die Firma, die mit Einspritzdüsen für Dieselmotoren groß geworden ist, hat sich nämlich vorgenommen, bis 2030 klimaneutral zu werden. Bereits 2010 hat Stoba damit begonnen, seine Energieversorgung neu zu organisieren. Wärme, Kühlwasser und Druckluft werden nun für das gesamte Firmengelände zentral produziert, was deutlich effizienter ist, als jedes der insgesamt acht Gebäude einzeln zu versorgen.

Die Firma entschied sich für Gas

2015 und 2017 wurden dafür auch zwei Blockheizkraftwerke gebaut, die Wärme und Strom produzieren. Allerdings entschied man sich damals für den Brennstoff Erdgas. „Das holt uns jetzt ein“, sagt Vockel, denn der Gaspreis habe sich für das Unternehmen im vergangenen Jahr verdreifacht.

Aktuell setzt Stoba seine Kraftwerke deshalb nur noch zur Wärmegewinnung ein und kauft seinen Strom lieber extern ein. Das ist günstiger. Allerdings kommt es dabei auf den richtigen Zeitpunkt an: Anders als Privatkunden bezahlt die Firma keinen Festpreis pro Kilowattstunde, sondern muss stark schwankende Tagespreise akzeptieren. Um darauf flexibler reagieren zu können, will Stoba jetzt in einen Batteriespeicher investieren. So kann man mehr Strom einkaufen, wenn er günstig ist, und davon zehren, wenn die Preise klettern. Auch der Bau einer Fotovoltaikanlage ist geplant: Dafür sollen die Parkplätze mit Solarmodulen überdacht werden.

Einsparpotenzial gibt es in fast jeder Firma

Solche oder ähnliche Gedanken machen sich zurzeit viele Unternehmen. „Seit Herbst bekommen wir verstärkt Anfragen“, berichtet Jürgen Hennrich. Der Ingenieur ist bei der IHK Region Stuttgart als Effizienzmoderator tätig. Die sogenannte Kompetenzstelle für Ressourceneffizienz (KEFF+) bietet Unternehmen eine kostenlose Erstberatung vor Ort an, bei der die Experten nach Einsparmöglichkeiten suchen und diese auch meistens finden.

„Es gibt fast immer irgendwo Potenzial“, berichtet Hennrich. Das kann bei den Thermostaten in den Büros, bei den Rohren im Heizungskeller, aber auch bei den Maschinen in der Produktionshalle sein. „Durch die Umrüstung auf Hocheffizienzmotoren kann man zum Beispiel den Verbrauch bei älteren Maschinen deutlich reduzieren“, weiß Hennrich. Das kostet natürlich Geld, wird aufgrund der gestiegenen Energiekosten aber für immer mehr Betriebe interessant. Gleiches gilt für Investitionen in die Gebäude, wie sie zum Beispiel der Maschinenbauer MBO aus Oppenweiler plant.

„Unsere Produktionshallen wurden zum Teil Ende der 1960er-Jahre gebaut und sind energetisch in einem schlechten Zustand“, berichtet Geschäftsführer Thomas Heininger. Wegen der gestiegenen Energiepreise will das Unternehmen die Sanierung jetzt angehen. Auch eine zweite Solaranlage möchte MBO auf dem Dach installieren.

Nicht alle Beschäftigte heißen die Sparmaßnahme gut

Bereits im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen, das zu einem japanischen Konzern gehört, alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Energieverbrauch kurzfristig zu senken. Unter anderem führte MBO die Vier-Tage-Woche ein und reduzierte die Temperatur in den Betriebsgebäuden. Das kam nicht bei allen Beschäftigten gut an. „Einige laufen seitdem demonstrativ mit Daunenjacke durch die Firma“, erzählt der Geschäftsführer. Trotzdem hält er die Entscheidungen noch immer für richtig, denn so habe man den Energieverbrauch um rund ein Viertel senken können.

Die Folgen der Inflation spüren aber auch Betriebe, die eigentlich gar nicht zu den energieintensiven Branchen gehören. So wie die Firma Lorch Schweißtechnik aus Auenwald. Da die Schweißgeräte in Mittelbrüden lediglich montiert werden, sei der Energieverbrauch überschaubar, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Wolfgang Grüb. Die energieintensiven Arbeiten erledigen Zulieferer. Doch die verlangen nun natürlich höhere Preise von Lorch. So seien die Materialkosten binnen eines Jahres um knapp 20 Prozent gestiegen.

Neben den Energiepreisen spielt dabei noch ein anderer Faktor eine Rolle: der weltweite Mangel an Mikrochips, Halbleitern und anderen elektronischen Komponenten. Obwohl Lorch langfristige Verträge hat, sind die momentan kaum lieferbar. Doch ohne diese Bauteile kann das Unternehmen seine Maschinen nicht fertigstellen. Um liefern zu können, habe man die benötigten Bauteile deshalb sogar schon bei windigen Brokern zu völlig überhöhten Preisen gekauft, berichtet Grüb. „Für Teile, die früher weniger als 10 Euro gekostet haben, mussten wir über 100 Euro bezahlen.“

Lorch Schweißtechnik schafft die gedruckte Preisliste ab

Nun wäre das alles nicht so schlimm, wenn die Unternehmen die gestiegenen Kosten einfach auf ihre eigenen Preise draufschlagen könnten. Doch das ist nicht immer möglich: „Wir können Preiserhöhungen nur sehr verzögert weitergeben“, erklärt MBO-Chef Heininger. Denn die Kaufverträge für die Maschinen, die heute gebaut werden, wurden schon vor Monaten abgeschlossen und nachträglich können die Preise natürlich nicht mehr erhöht werden. „Deshalb mussten wir die Kostensteigerungen größtenteils schlucken“, berichtet der Geschäftsführer. Trotz einer Umsatzsteigerung im Vergleich zum Vorjahr habe sich der Gewinn 2022 dadurch halbiert.

Noch schwieriger stellt sich die Situation bei Stoba dar, wie Geschäftsführer Gerhard Firlbeck berichtet. Der Backnanger Zulieferer produziert vor alllem für Großkunden aus der Automobilindustrie. Die haben große Marktmacht und sind laut Firlbeck kaum bereit, Preissteigerungen zu akzeptieren.

Und selbst wenn Preiserhöhungen durchsetzbar sind, stellt sich bei jedem Auftrag erneut die Frage, wie man die Preise kalkulieren soll, um am Ende nicht drauflegen zu müssen. Lorch Schweißtechnik aus Auenwald hat daraus schon eine Konsequenz gezogen: „Eine gedruckte Preisliste gibt es bei uns nicht mehr“, erzählt Wolfgang Grüb. So kann er die Preise, wenn es sein muss, auch kurzfristig anpassen.

Die Unternehmer bewahren sich ihren Optimismus

Trotz aller Probleme sehen die Unternehmer aber nicht schwarz. So hofft Wolfgang Grüb, dass die höheren Energiepreise auch die Nachfrage nach den energieeffizienten Schweißgeräten steigen lassen, die Lorch produziert. „Als Unternehmer müssen wir immer die Chancen suchen“, sagt der Firmenchef. Das sieht man auch bei Stoba so: Die Digitalisierung und neue Energiequellen wie Wasserstoff bieten aus Sicht von Gerhard Firlbeck gerade für energieintensive Betriebe noch viel Potenzial. Allerdings stoße ein einzelnes mittelständisches Unternehmen dabei auch an Grenzen. Der Stoba-Chef würde diesen Weg deshalb am liebsten im Verbund mit anderen Firmen und der Stadt Backnang gehen.

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Erstellt:
18. Februar 2023, 11:00 Uhr

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