Viele Namen und illustre Gäste im Backnanger Südtor

Nachtleben in alten Zeiten (13) Vom Magic über das Mirage bis hin zum Mixx: Über die Jahrzehnte lockten im Untergeschoss des Hotels am Südtor mehrere Großraumdiskos die Nachtschwärmer aus Backnang und dem Umland an. Eine Konstante blieb dabei immer der Wechsel.

Der Auftritt von DSDS-Gewinner Pietro Lombardi war im Frühjahr 2019 eines der letzten großen Events im Südtor. Archivbild: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Der Auftritt von DSDS-Gewinner Pietro Lombardi war im Frühjahr 2019 eines der letzten großen Events im Südtor. Archivbild: Tobias Sellmaier

Von Kai Wieland

Backnang. Es ist Nachmittag, das Licht fällt durch die geöffneten Fenster des Adenauerz und Wirt Thomas Schlichenmaier rückt bedächtig Stühle und Tische zurecht. Seit 2015 betreibt er die Kneipe am Adenauerplatz, fast nahtlos anschließend an den letzten Akkord im Mirage, das er nach acht Jahren als Betreiber aufgeben musste. In einer ganzen Reihe von Großraumdiskotheken, die seit den 1990er-Jahren im Untergeschoss des Hotels am Südtor in der Stuttgarter Straße ihr Glück versuchten, war es der bislang vorletzte und zweifellos einer der prägendsten Vertreter.

Gesellschaft leistet dem 56-Jährigen ein alter Bekannter aus dem Backnanger Nachtleben: Es ist Udo Bock, der einst als DJ im Hula Hoop für Stimmung sorgte und dieses nach der ersten, nicht zuletzt von der Konkurrenz durch die Diskotheken im Südtor erzwungenen Schließung selbst neu eröffnete (wir berichteten). Trotz der versammelten Erfahrung herrscht Unklarheit über die Abfolge der einzelnen Etablissements im Südtor. „Es muss als Stargate eröffnet worden sein. Das hat nämlich dem ersten Hula 1994 den Todesstoß versetzt“, ist sich Bock sicher. „Nein, am Anfang war es das Magic“, hält Schlichenmaier dagegen. Zum Glück ist man gut vernetzt: Ein kurzer Anruf bei einer Dame, die beim Auftakt Teil des Teams war, bringt Klarheit. „Los ging es als Magic, dann kam der Caruso, dann das Stargate“ – aber der Reihe nach.

Drei Räume für ein Halleluja

Mit einem Dreiklang aus Bistro Valentino, Tanzcafé Honeymoon und Tanzcenter Magic lockten die drei Betreiber Tanja Müller, Klaus Keller und Gerald Henke im November 1994 Besucher ins Erlebniscenter Südtor. Auf 1200 Quadratmetern sollten internationale Hits, Samba- und Rumbaklänge sowie allerlei Spielereien von Billard über Flipperautomaten bis hin zu Dartscheiben das Partyvolk bespaßen.

Schluss mit lustig war aber schon nach knapp zwei Jahren, ehe ein neuer Pächter, besagter Fortunato Caruso, im August 1996 nach einer Renovierung und Umgestaltung im Hurrikan wieder bis zu 2300 Besuchern einen Platz zum Feiern bot. Das Konzept klang vielversprechend: Brasilianische Nacht am Donnerstag, italienische Nacht am Sonntag, dazwischen Black Music und aktuelle Hits, stets mit Liveband. Auch das Tanzcafé Honeymoon wurde wiederbelebt, nun unter dem Namen La Bamba.

Durch die Röhre (links) in den Mirage-Partyraum: Hier liefen nicht nur Dance-Hits der2000er von David Guetta und Guru Josh, sondern es fanden auch viele Liveauftritte statt.

© Mirage Backnang

Durch die Röhre (links) in den Mirage-Partyraum: Hier liefen nicht nur Dance-Hits der
2000er von David Guetta und Guru Josh, sondern es fanden auch viele Liveauftritte statt.

Für Caruso blieb es ebenfalls ein kurzes Intermezzo. Bereits im November 1997 löste ihn das Stargate mit einer Disco, einem Tanzcafé und dem Speiselokal Night House ab. Unter einem guten Stern stand aber auch dieses Unterfangen nicht: Im Mai 1998 überfielen drei maskierte Räuber den Betreiber samt Ehefrau in der Diskothek.

Geprägt waren jene Anfangsjahre zudem vom modernen Billardsportzentrum, das der Unternehmer und Billardenthusiast Hans Mayer im selben Gebäude eingerichtet hatte. Im September 1998 zog dieses dann in den Schweizerbau um.

Ein Erotikmodel im Big

Nachdem es auch für das Stargate nicht mehr weiterging, übernahm um die Jahrtausendwende das Big das Zepter und lockte mit aufsehenerregenden Shows. Zwar fand der 20-minütige Auftritt des Prager Erotikmodels Chantal Chevalier im Januar 2002 nur wenig Anklang beim Publikum, doch punktete man im selben Jahr mit der Ausrichtung der Wahl zur Miss Baden-Württemberg. „Das Big war von den Clubs vor dem Mirage aus meiner Sicht der beste“, sagt Schlichenmaier. „Es war gut besucht und mit dem American Diner gab es einen Raum, der einfach stylish war.“

Am Diner hielt auch der Disco Park B14 fest, der anschließend das Südtor belebte. Ergänzt wurde das Angebot durch den Jam Club und die Partyhütte Purzelbaum. Es war die Zeit, in der die elektronische House Music zunehmend Black Music und Hip-Hop verdrängte – auch im Jam, was nicht allen behagte. „In letzter Zeit viel zu viel House!“, erregte sich eine Nutzerin im Backnang-Forum im März 2006. Neben Themenpartys zu Spring Break und 49-Cent-Angeboten – ein offenkundiger Affront gegen die 50-Cent-Partys im Hula – wurden auch renommierte Acts aufgerufen, etwa die Global Deejays im April und die Vinylshakerz im Mai 2006, die mit „The Sound of San Francisco“ und „One Night in Bangkok“ riesige Erfolge gefeiert hatten.

Oli P. zeigt seine DJ-Qualitäten

Im Oktober 2007 war nach dem Ende des B14 schließlich die Zeit für Schlichenmaier und das Mirage gekommen. Gemeinsam mit einem Partner erwarb er die Räumlichkeiten und führte eine radikale Renovierung durch. „Jeder Boden, jede Decke, jede Schraube, alles wurde ausgetauscht“, erinnert sich der Kneipier. Der Aufwand lohnte sich, insbesondere in den Anfangsjahren waren die beiden Partyräume und das nun als „Gschäft“ betitelte Bistro oft rappelvoll. Bekannte Acts der Partyschlager- und DJ-Szene gaben sich die Klinke teilweise in die Hand. Oli P. habe ihn überrascht, erzählt Schlichenmaier. „Ich dachte, der kann nur ‚Flugzeuge im Bauch‘, aber das ist ein richtig guter DJ.“

Karsten Herm, besser bekannt als DJ Kaba, war Resident DJ im Mirage. Fotos: Mirage

© Mirage Backnang

Karsten Herm, besser bekannt als DJ Kaba, war Resident DJ im Mirage. Fotos: Mirage

Karsten Herm, besser bekannt als DJ Kaba, war Resident DJ im Mirage und legte als solcher nicht nur selbst auf, sondern beriet auch die Betreiber und arbeitete mit ihnen am Konzept. Der Göppinger ist viel unterwegs, doch mit Backnang verbindet ihn eine besondere Sympathie. „Es war eine tolle Zeit und es ist der Wahnsinn, wie viele Menschen mich in Backnang noch immer darauf ansprechen und in Erinnerungen schwelgen.“ Zu den Hochzeiten seien Gäste aus Stuttgart, Ludwigsburg und Schorndorf nach Backnang gepilgert, erinnert er sich.

Andererseits schieden sich am Mirage stets die Geister, manch einer stempelte den Club als Dorfdisco ab und ward nicht mehr gesehen. Schlichenmaier war dieses Image bewusst, dagegen ankämpfen wollte er aber nie. „Backnang ist ein Dorf“, sagt er. „Es ist Quatsch, hier Münchner Verhältnisse durchsetzen zu wollen.“

Geänderte Gegebenheiten

Für das Ende des Mirages seien letztlich zwei Entwicklungen verantwortlich gewesen, erklärt er. „Zum einen mussten wir uns entscheiden, ob wir ein rauchfreier Club oder ein Club ab 18 Jahren sind. Dadurch ist uns der starke Freitag für junge Besucher weggebrochen.“ Zweitens hätten die am Wochenende durchgängig nach Stuttgart verkehrenden S-Bahnen die Lage erschwert, sodass auch hier 2015 das Licht ausging.

Das vorläufige Schlusskapitel setzte der Mixx Club, welcher sich mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, etwa einem Auftritt von DSDS-Sieger Pietro Lombardi, vergeblich gegen den Untergang stemmte und 2019 die Pforten schließen musste.

Und nun? Sowohl Herm als auch Schlichenmaier wissen aus gut informierter Quelle, dass die Räumlichkeit im Südtor verkauft und etwas Neues im Entstehen ist, wenngleich wohl keine Großraumdisco, sondern ein Mix aus Angeboten. „Das Thema Großraumdisko ist in Backnang durch“, glaubt Schlichenmaier. Auch DJ Kaba weiß um die Schwierigkeiten und dennoch: „Man braucht eben ein klares Konzept und muss das wirklich mit Liebe machen und etwas bieten. Dann kann es funktionieren, dafür gibt es auch im ländlichen Raum noch immer genügend Beispiele.“

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Erstellt:
22. Juli 2023, 11:00 Uhr

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