Blow Up: Eine Anlaufstelle auch für die Jugendlichen

Nachtleben in alten Zeiten (18) Das Lokal Blow Up beziehungsweise später Old Dad in der Gerberstraße ließ nachmittags Jüngere ein.

Fotos aus dem Blow Up konnte die Redaktion leider keine mehr auftreiben, ein paar Gäste erinnern sich aber noch an die Zeit, die sie dort in jungen Jahren hatten. Symbolbild: privat

Fotos aus dem Blow Up konnte die Redaktion leider keine mehr auftreiben, ein paar Gäste erinnern sich aber noch an die Zeit, die sie dort in jungen Jahren hatten. Symbolbild: privat

Von Kristin Doberer

Backnang. Die Pinte in der Gerberstraße war jahrelang ein fester Bestandteil des Backnanger Nachtlebens. Doch schon zuvor gab es Kneipen in dem Gebäude in der Gerberstraße 47. Zunächst gab es dort das Blow Up, später wurde der Name in Old Dad geändert, bis erst 1979 die Pinte daraus wurde. Zunächst unter einem anderen Betreiber, bis Vassilios Artzoglou („Wasili“) das Lokal 1982 übernahm und es bis zum Abriss des Gebäudes im Jahr 1999 behielt (wir berichteten).

Mit dem ersten eigenen Lohn die Freunde ins Blow Up eingeladen

Eröffnet hat das Blow Up Ende 1969 oder Anfang 1970, erinnert sich Jürgen Weissmann, der in Backnang aufgewachsen ist und als Jugendlicher immer mal wieder dort war. Mit dem Lokal verbinde er zwei wesentliche Erinnerungen. „Erstens war das meine erste Disco generell, weil sie kleine Jungs bereits mit 15 Jahren einließ, während das Mindestalter von 16 woanders strikter kontrolliert wurde“, erzählt Jürgen Weissmann.

So war er zum ersten Mal im Frühjahr 1970 dort. „Im Sommer 1970 verdiente ich dann den ersten Lohn meines Lebens in der Maschinenfabrik Kaelble, als Ferienjob in der Härterei. Nach dem Zahltag am Ende der tatsächlichen drei, aber gefühlten sechs Wochen war natürlich ein kleines Fest fällig. So lud ich ein paar Freunde ins Blow Up ein, meinen ersten eigenen Verdienst zu feiern.“ Der Moment sei für ihn besonders gewesen. „Danach ging ich noch ein paarmal hin, es wurde aber zusehens weniger“, erinnert sich Jürgen Weißmann. Für ihn sei dann eher das Gasthaus Rose in der Stuttgarter Straße zu einer Anlaufstelle geworden, dieses wurde über 30 Jahre lang von dem legendären Wirt Eugen Hammer betrieben.

Dass das Blow Up beziehungsweise Old Dad eine Anlaufstelle für die jüngeren Partygänger war, das kann auch Reinhard Kobald, genannt Chap, aus eigener Erinnerung bestätigen. „Eine Besonderheit war, dass das Lokal am Wochenende schon nachmittags für Jugendliche geöffnet hatte“, erzählt er. Dort konnten sich die jungen Leute zum Beispiel vor einem Kinobesuch treffen und eine Cola oder Ähnliches trinken.

Um 18 Uhr war Pause, um aufzuräumen

Aber selbst nachmittags wurde in dem Lokal teilweise getanzt, erinnert sich Reinhard Kobald. „Um 18 Uhr war dann Kehraus und alle Gäste mussten das Lokal verlassen.“ Dann wurde aufgeräumt, sodass um 19 Uhr für die Erwachsenen geöffnet werden konnte. „Für junge Menschen unter 16 war das eine gern genutzte Alternative zum ansonsten unvermeidlichen Kinobesuch. Einer der DJs hieß damals Daisy beziehungsweise Günter Daus“, meint Kobald weiter. Die Musik sei eher poporientiert gewesen.

Das bestätigt auch Rainer Böttcher, der selbst als DJ im Blow Up und später dem Old Dad aufgelegt hat. „Gespielt wurde vor allem Pop und Indie-Pop“, erzählt der 69-Jährige, der damals in mehreren Backnanger Discos und später deutschlandweit als DJ unterwegs war.

Er erinnert sich, dass das Blow Up von vier Freunden geführt wurde, darunter Benni Wolf, Siggi Kölner und Klaus Krimmer. „Die haben das zu viert geführt und es wurde auch sehr gut angenommen. Am Wochenende war der Laden immer voll“, erinnert sich Böttcher. Bei der „Kinderdisko“, wie er die offenen Nachmittage nennt, habe er zwar nicht gespielt, aber auch sonst sei der Abend eher ein Ort für jüngere Gäste gewesen.

Die Betreiber haben das Lokal trotz Erfolg aufgegeben

Obwohl das Blow Up gut lief, haben sich die Inhaber nach einigen Jahren dazu entschieden, damit aufzuhören, „aus Altersgründen“, erinnert sich Böttcher. Alle seien in ihren Berufen immer mehr eingespannt gewesen, nebenbei das Lokal zu betreiben sei dann zu viel geworden.

Aber nicht immer wurde Musik in die Poprichtung gespielt. So erinnert sich Ursula von Hennigs an mehrere Besuche im Blow Up, bei denen sie auch zu eher klassischer Musik das Tanzbein geschwungen hat. An einen Abend erinnert sich die heute 71-Jährige besonders: „Damals hatten wir diese Schlaghosen an, die zur der Zeit modern waren. Ich hatte gerade neue Schuhe gekauft – mit hohen Absätzen – und war mit einem Begleiter dort, der sehr gut tanzen konnte.“ Damals sei sie 17 oder 18 Jahre alt gewesen, erinnert sich Ursula von Hennigs, auch wenn sie das Lokal nur sporadisch besucht hat. Schließlich sei es damals deutlich schwieriger gewesen, von Steinbach überhaupt nach Backnang zu kommen – und noch schwieriger sei es gewesen, nachts wieder eine Heimfahrtmöglichkeit zu finden. Schließlich gab es kaum öffentliche Verkehrmittel.

Nicht mehr ganz so erfolgreich wie das Blow Up war dann der Nachfolger Old Dad, in dem Rainer Böttcher unter einem neuen Inhaber auch immer wieder als DJ aufgelegt hatte. „Da fehlte aber etwas das kaufmännische Denken“, erklärt er sich das Ende des Old Dad im Jahr 1979.

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Erstellt:
1. September 2023, 06:00 Uhr

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