Bauernhaufen trifft Keltenfürstin

Beim historischen Handwerkermarkt am Limes in Grab tummeln sich engagierte Vertreter verschiedener Epochen

Der historische Handwerkermarkt am Limes ist so etwas wie eine Zeitreisemaschine. Auf einem großen Gelände am Rande des Großerlacher Teilorts Grab lagern 64 historische Gruppen und haben 70 Händler und Gastronomen ihre Zelte aufgeschlagen, um den Besuchern ihre Epoche, ihre Helden und besonderen Gerichte nahe zu bringen. Mal erklingt eine Harfe, mal aufeinandertreffende Klingen von Römern und Kelten.

„Der Neue Haufen“ mit Oliver Mahler (vorne) als Hauptmann Oswald Meder lässt die Menschen in die Zeit des Bauernkriegs eintauchen. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

„Der Neue Haufen“ mit Oliver Mahler (vorne) als Hauptmann Oswald Meder lässt die Menschen in die Zeit des Bauernkriegs eintauchen. Fotos: A. Becher

Von Christine Schick

GROSSERLACH. Es ist ein ganzes Dorf aus Lagerstätten mit kleinen und größeren Zelten, Sitzgelegenheiten und Arbeitsstätten sowie Marktständen: Insgesamt sind es 700 Mitstreiter aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und England, die die Besucher von Freitag bis Montag auf dem Gelände empfangen, berichtet Jan Vogel. Er ist Initiator und Vorsitzender des Vereins für historisches Handwerk und lebendige Geschichte, der im Schulterschluss mit der Gemeinde Großerlach das Eintauchen in Zeiten erlaubt, die Lichtjahre entfernt scheinen. Die Spanne ist breit. Sie reicht von der Hallstattkultur, also der vorrömischen Eisenzeit, bis ins Spätmittelalter.

Bauernhaufenhauptmann Oswald Meder: Vor dem Lager der „D’Buure 1524“ hängt ein großes Wildschwein über dem Feuer. Für die Mitglieder des Bauernhaufens ein ungewöhnliches Festessen, normalerweise standen Graupensuppe und Gemüse auf dem Speiseplan. „Wir, die untertänigen Villinger Bauern, sind gegen unsere Stadtherren aufgestanden“, sagt Oliver Mahler. „Es ging darum, wieder jagen, Holz schlagen und fischen zu dürfen.“ Als 1524 Missernten die Lage der Bauern verschlechterte, zog die Obrigkeit sie ab, um deren Felder zu bestellen. Mahler verkörpert Oswald Meder. „Er wurde wie Hans Hecht und Blasi Pfaff zu einem Hauptmann gewählt, um die Forderungen der Bauern durchzusetzen. Wir stellen das Lagerleben während des Kriegs dar.“ Oliver Mahler kam schon Ende der 1980er-Jahre mit dem Thema in Kontakt, als er mit anderen zu einer Feier ein historisches Theaterstück über den Bauernkrieg im Brigachtal auf die Bühne brachte. 2015 haben sich „D’Buure 1524“ gegründet. „Ich finde es spannend, sich mit der damaligen Politik zu befassen, es schärft auch den Blick für heute“, sagt er. Bewusst hat er sich für eine Gruppe entschieden, mit der sich die Geschichtsschreibung lange nicht befasst hat. Durch das Quellenstudium weiß er, wie hart die Zeit war, gleichzeitig ist das aktuelle Lagerleben für ihn wie progressive Muskelentspannung. „Kein Handy, abschalten. Mein Tinnitus ist weg“, sagt der 53-jährige Maurermeister, der als Ausbilder für handwerkliche Berufe tätig ist.

Christian Döscher als römischer Optio.

© Pressefotografie Alexander Beche

Christian Döscher als römischer Optio.

Römer Flavius Vorenus Germanicus: „Heute Morgen standen schon Frühsport und Exerzitien auf dem Programm“, sagt Christian Döscher von der Gruppe Cambodunum Redivivum. Er ist als Optio und stellvertretender Centurio für etwa 20 Römer vor Ort verantwortlich.

Die Zeit hat ihn schon im Geschichtsunterricht fasziniert. Als er 2011 die Möglichkeit hatte, sich eine Römerausrüstung zu besorgen, zögerte er nicht lange, später schloss er sich der Kemptener Römergruppe an, stieg vom einfachen Soldaten zum Optio auf. „Ich möchte den Leuten auch das eine oder andere Detail jenseits von Asterix und Hollywoodfilmen vermitteln“, sagt er und zeigt seine Ausrüstung, eine Investition im Wert eines Gebrauchtwagens, um die 7000 Euro. Angefangen bei den ledernen Sandalen mit einer Art Spickes, Tunika und Untertunika, lederner Unterrüstung, dem Halsschal zum Schutz, über das Kettenhemd, Kurz- und Langschwert, Dolch bis hin zu Truppenausweis, Orden, prachtvollem Helm, Optio-Stab, Kampfspeer und Ausbilderpfeife. „Das reine Kampfgewicht liegt bei etwa 25 Kilo, die Hauptaufgaben des Optio sind Ausbildung, Kampf und Schreibkram.“ Seine Figur Flavius hat er im ersten Jahrhundert nach Christus angesiedelt, was auch einen pragmatischen Grund hat: „In der Zeit gibt es die größte Auswahl bei der Ausrüstung“, sagt der 28-Jährige, für den auch im heutigen Leben Anleitung und militärische Strukturen ein Thema sind. Als Oberfeldwebel bildet er bei der Bundeswehr Rekruten aus. „Mir ist es schon mal passiert, dass ich beim Befehl ausversehen ins Latein gerutscht bin.“

Hartmut Hawelka verkörpert einen Druiden.

© Pressefotografie Alexander Beche

Hartmut Hawelka verkörpert einen Druiden.

Druide Druwis Olloudios: Als Hartmut Hawelka aus dem bayerischen Gunzenhausen sich um 2003 auf die Suche nach einer historischen Darstellerfigur machte, bekam er gesagt, dass er von seinem Aussehen her, perfekt an das eines Druiden anknüpfen könnte. „Eigentlich wollte ich Wikinger werden, aber dann hab ich mich ernsthaft mit Druiden befasst“, erzählt der 60-Jährige. Er bereut es nicht, ist seither fasziniert von der Kultur der Kelten in der vorrömischen Latènezeit um 300 vor Christus. Hawelka recherchiert an Universitäten und bei Historikern. „Die Druiden waren die obersten Richter, ihre Ausbildungszeit währte 30 Jahre“, sagt er. „Sie haben ihr Wissen aber nicht aufgeschrieben, zum einen, damit ihre Schüler das Gedächtnis trainieren, zum anderen, damit sie entscheiden konnten, wen sie unterrichten“, berichtet er. Das gesellschaftliche System beschreibt er als demokratisch und hierarchisch zugleich. Auch die Religion beeindruckt ihn. Nicht an die einzelnen Götterbilder, aber an die Überzeugung, dass die Natur über enorme Kräfte verfügt, knüpft er in seinem Alltagsleben an. Der gelernte Buchbinder und Heilerziehungspfleger ist zurzeit in einem Sozialwarenladen tätig und bereitet sich schon einmal einen Tee mit Eichenrinde zu, sollten ihn Gelenkschmerzen plagen. „Das Hobby baut mich richtig auf, tut mir gut“, sagt er. Soweit möglich, stellt er auch Kleider, Schmuck und Ausrüstung selbst her. „Was ich noch nicht geschafft habe, ist, ein Rundrock, da bräuchte man einen runden Webstuhl“, sagt er.

Katja Gandras stellt eine keltische Fürstin dar.

© Pressefotografie Alexander Beche

Katja Gandras stellt eine keltische Fürstin dar.

Fürstin aus der Hallstattzeit: Katja Gandras verkörpert die Epoche, die am weitesten in der Zeit zurückreicht. Als keltische Fürstin entstammt sie der Hallstattkultur ab etwa 800 vor Christus. Die 40-jährige Sozialarbeiterin ist durch ihren Lebenspartner zu diesem besonderen Hobby gekommen und zur österreichischen Gruppe Schlamaunii gestoßen. „Ich muss auch zugeben, dass mir der Schmuck der Hallstattzeit unheimlich gut gefallen hat“, sagt sie. Ihr Schleier ist mit glasperlenbestickten Nadeln befestigt, über ihrem Kleid mit Borde trägt sie eine Kette ebenfalls aus Glasperlen mit zeittypischen Symbolen und Mustern wie Widderkopf oder Schlangenlinien. Pauken-Fibeln sind an den Schulterpartien befestigt. Gerade eingetroffen sind frisch eingefasste Eberzähne, die die Kette ergänzen. Als Keltenfürstin war sie aber keine reine Zierde eines keltischen Herrschers, sondern lebte für damalige Verhältnisse vergleichsweise gleichberechtigt, hat das Geld verwaltet und die Möglichkeit, zu kämpfen, erzählt die Gruppe. Ihr Wissen stützt sich vor allem auf die Funde von Hallstatt im oberösterreichischen Salzkammergut, wo ein Gräberfeld der älteren Eisenzeit entdeckt wurde. Die Möglichkeit, die Kultur zu vermitteln, verbindet sich beim Lagern mit gemeinsamen Kochen, Genießen, Handwerken und Draußen-Sein, das Katja Gandras sehr genießt. „Ich finde bei unserem Hobby auch so klasse, dass es generationsübergreifend ist. Alle Altersgruppen sind vertreten und man kann sich austauschen.“

Historischer Handwerkermarkt in Großerlach-Grab

64 historische Gruppen und 70 Händler und Gastronomen haben in Großerlach ihre Zelte aufgeschlagen.

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Erstellt:
11. Juni 2019, 06:00 Uhr

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