Gemeinden werfen kritischen Blick auf Windkraftgebiete

Besonders betroffen sind Murrhardt, Spiegelberg, Backnang, Oppenweiler sowie Großerlach und Althütte. Sulzbach an der Murr wird sich in dieser Woche mit dem Thema auseinandersetzen.

Die in Frage kommenden Flächen sind in den Gemeinderäten stark diskutiert. Symbolfoto: Gabriel Habermann

© Gabriel Habermann

Die in Frage kommenden Flächen sind in den Gemeinderäten stark diskutiert. Symbolfoto: Gabriel Habermann

Bis 2032 muss Baden-Württemberg mindestens 1,8 Prozent der Landesfläche als Vorranggebiete für Windkraftanlagen ausweisen. Das heißt nicht, dass auf diesen Flächen tatsächlich Windräder entstehen, sondern lediglich, dass es dort ausreichend Wind gibt und keine Nutzungen mehr möglich sein sollen, die dem Bau von Windrädern entgegenstehen. Für den Rems-Murr-Kreis schlägt der Verband Region Stuttgart nun 24 mögliche Gebiete für Windkraftanlagen vor. Besonders betroffen ist Murrhardt mit acht, aber auch Spiegelberg mit fünf Vorranggebieten, Backnang mit drei, Oppenweiler mit zwei sowie Althütte und Großerlach mit je einem möglichen Standort. Die Gemeinden können eine Stellungnahme zu den Plänen abgeben, in vielen Gemeinderäten war das bereits Thema. Unter anderem auch in Kirchberg an der Murr, wobei die Gemeinde nicht wirklich betroffen ist und deshalb auf eine Stellungnahme verzichtet. Stark betroffen ist dagegen Sulzbach an der Murr mit fünf Standorten, der Gemeinderat wird sich kommende Woche damit auseinandersetzen.

Aspach schaut auf die Nachbarn

Groß war der Andrang bei der Sitzung des Aspacher Gemeinderats, denn die Initiative Walderhalt statt Windindustrie hatte zum Besuch selbiger aufgerufen. Etwa 35 Anhänger der Initiative folgten der Aufforderung und wohnten, teils in Warnwesten, teils ausgerüstet mit Plakaten und Bannern, der Sitzung bei.

In dieser präsentierte die Gemeindeverwaltung um Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff eine kritische Stellungnahme, die sich mit drei Standorten im Regionalplan auseinandersetzt. Konkret wird Bezug genommen auf das vieldiskutierte Gebiet RM-07 auf der Amalienhöhe, in welchem zeitnah mit den ersten Genehmigungsanträgen für bis zu acht Windkraftanlagen gerechnet wird (wir berichteten), sowie auf die teilweise im Nachbarlandkreis Ludwigsburg liegenden, jedoch auf die Aspacher Gemarkung ausstrahlenden Vorranggebiete LB-20 westlich von Kleinaspach und LB-22 nördlich von Kleinaspach. Neben grundsätzlichen Vorbehalten, welche etwa den Schutz von Böden, Grundwasser, Flora und Fauna sowie die Erholungsfunktion des Waldes oder die Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen an diesen Standorten betreffen, werden die Nichtberücksichtigung des Drehfunkfeuers Affalterbach, die Auswirkungen auf den Segelplatz Völkleshofen und die Modellflugplätze sowie der Abstand zum Wochenendhausgebiet Schönenbühl ins Feld geführt.

Mit Ausnahme von Gemeinderat Wolfgang Schopf (SPD/Aspacher Demokraten), der sich für Offenheit im Umgang mit den Vorranggebieten und das Abwarten der Genehmigungsverfahren aussprach, lobten die Gemeinderatsmitglieder die Stellungnahme der Verwaltung. Lediglich im Hinblick auf die Bedeutung des Walds als Teil des Naturparks und auf die Bodenverdichtung wurden Nachschärfungen gefordert. Sonja Tränkle (Freie Wählervereinigung Aspach) regte an, den ehemaligen Sandbruch, der heute Lebensraum für zahlreiche Pflanzenarten ist, in das Schreiben aufzunehmen. Hauptkritikpunkt an der Teilfortschreibung des Regionalplans ist aber der Umstand, dass in diesem ein von den Gemeinden Großbottwar, Steinheim, Pleidelsheim, Benningen, Murr, Marbach und Freiberg angedachtes Vorranggebiet im Hardtwald noch nicht enthalten ist. „Die dortige Entwicklung ist entscheidend für die Beurteilung. Nur so sehen wir, ob eine Umzingelung Aspachs gegeben ist“, betonte Sabine Welte-Hauff und kritisierte das Vorgehen als Salamitaktik. (kwi)

Spiegelberg lehnt die Planung im Gesamten ab

Spiegelberg sieht sich durch die Konzentration von Windkraft-Vorranggebieten auf der Gemeindefläche derart übermäßig belastet, dass die Kommune die aktuelle Planung des Verbands Region Stuttgart im Gesamten ablehnt. Mit einem einstimmigen Votum verlieh der Gemeinderat am Freitagabend dieser Ablehnung Nachdruck. So befürchtet man in Spiegelberg eine Umzingelung und moniert, dass Möglichkeiten zur Einschätzung der Gesamtbelastung fehlen, weil die Planungssituation in der angrenzenden Region Heilbronn-Franken unbekannt ist.

Bereits ohne die Planung der Nachbarregion einzubeziehen, entfallen 4,3 Prozent der Gesamtfläche der Gemeinde auf die Vorranggebiete RM-01, RM-02 und RM-03, die vollständig auf Spiegelberger Gemarkung liegen. Inklusive der Teilflächen der gemarkungsübergreifenden Gebiete RM-04 und RM-07 kommt Spiegelberg auf rund fünf Prozent. „Irgendwo ist das Maß verloren“, sagte Bürgermeister Max Schäfer in Richtung Regionalplaner Thomas Kiwitt, der die aktuelle Planung in der Gemeinderatssitzung vorstellte. Schäfer führte aus, dass die Vorranggebiete so zerklüftet zwischen den Teilorten positioniert seien, dass die Erschließung weit höhere Kollateralschäden anrichten würde, als es bei einer geringeren Anzahl größerer Gebiete der Fall wäre. „Und es erwischt jedes Mal den Wald.“ Die Gemeinde ist außerdem der Auffassung, dass die Regelung zu Sichtfeldern, die von Windkraftanlagen freizuhalten sind, mehrfach verletzt worden sein könnte.

Auch die Spiegelberger haben Bedenken hinsichtlich des Grundwasserschutzes. Schäfer plädierte dafür, dieses Thema höherrangiger zu stellen. Befürchtet wird, dass die Gebiete RM-01, RM-03 und RM-07 in Wasserschutzzonen vordringen, die der Trinkwasserversorgung dienen – also der lebensnotwendigen Grundversorgung der Bevölkerung. Schäfer sieht außerdem die Landmarke Juxkopf verletzt, weil sich das RM-03 in nur 550 Metern Entfernung befindet. Massiv eingeschränkt sieht sich die Gemeinde dadurch, dass regelmäßig nur der Mindestabstand von 800 Metern zum Ort eingehalten wird. „Das bedeutet für den Bereich der jeweiligen Ortsrandlage das Ende einer Ausweisung von Wohnbauflächen.“ Schäfer appellierte an Regionalplaner Kiwitt: „Reduzieren Sie die Menge. Wenn es kleiner wird, werden wir es schlucken. Aber so nicht. Sie haben Luft, nutzen Sie das, damit Spiegelberg nicht unter die Windräder kommt.“ Von den fast 50 Zuhörern, die der Sitzung beiwohnten und für Überfüllung im Sitzungssaal des Rathauses sorgten, gab es Applaus. (nis)

Oppenweiler befürchtet Umzingelung

„Wir können und wollen uns der Sache nicht komplett verschließen“, bemerkte Oppenweilers Bürgermeister Bernhard Bühler. Allerdings, fügte er in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats an, seien manche Aspekte im Regionalplan nicht ausreichend gewürdigt. Daher fiel die Stellungnahme, welche der Gemeinderat einstimmig unterstützte, durchaus kritisch aus. Zwei Vorranggebiete – RM 07 im Nordwesten und RM 12 im Südosten – liegen zum Teil auf der Gemarkung der Gemeinde Oppenweiler. Zwei weitere – RM 06 und RM 08, jeweils in Sulzbach – beeinflussen das Gemeindegebiet ebenfalls. Für die Teilorte Schiffrain, Rohrbach und Wilhelmsheim wäre damit die Anforderungen einer „Umzingelung“ erfüllt. Ob die in Magdeburg erarbeiteten Kriterien hierfür der Situation im Rems-Murr-Kreis gerecht werden, zweifelt Bühler darüber hinaus an.

Weitere Aspekte hebt die Stellungnahme der Gemeinde Oppenweiler hervor, etwa das Vorkommen mitunter sehr ursprünglich erhaltener Wälder, vor allem im Bereich des RM 07. Diese erscheinen der Verwaltung besonders schützenswert und „sollten erhalten bleiben“. Ebenfalls wurden Bedenken bezüglich des Grundwasserschutzes geäußert. Angesichts des Klimawandels müssten aktuell bestehende Schutzzonen der Quellen ausgeweitet werden, lautet die Auffassung. „Wir brauchen künftig mehr Wasser“, so Bühler. Die Planungen und insbesondere der Bau der Anlagen in den Vorranggebieten RM 07 und RM 12 ließen befürchten, dass der Quellschutz dann nicht mehr verbessert werden könne. Und auch die Erschließung möglicher Windparke wird kritisch gesehen. Diese Thematik sei bisher nicht in die Planung eingeflossen, sondern auf die Vorhabenebene verschoben. Bühler befürchtet, dass die damit einhergehenden Eingriffe in diesem Stadium nicht mehr ausreichend gewürdigt und ergebnisoffen diskutiert werde. Nicht zuletzt verweist die Gemeinde auch auf die Bedeutung der Burg Reichenberg als Landmarke. Im Umweltbericht werde sie fälschlicherweise als Ruine bezeichnet. Die Burg sei „in gleichem Maße prägend für das Murrtal, wie es die Burg Lichtenberg für das Bottwartal ist“ und verdiene daher das Prädikat „in höchstem Maße raumbedeutsames Kulturdenkmal“. Die Gemeinde Oppenweiler schlägt folgendes Vorgehen vor: Die Gebiete RM 07 und RM 08 sollten mindestens flächenmäßig verkleinert werden, die Gebiete RM 12 und RM 06 sollten wegen starker optischer Beeinträchtigung gar komplett entfallen. (log)

Murrhardt stimmt für vier von acht Standorten

Mit acht ausgewiesenen Flächen auf der Gemarkung weist die Stadt Murrhardt im Regionalplan zur Festlegung von Vorranggebieten für Windkraftanlagen die meisten Gebiete auf. Nicht alle davon machen nach Ansicht der Stadtverwaltung und des Gemeinderats Sinn. In der jüngsten Sitzung des Gremiums wurde über die Stellungnahme zu den einzelnen Standorten beraten und jeweils einzeln abgestimmt. In der Folge wurde vier Gebieten mehrheitlich zugestimmt, die anderen wurden abgelehnt. „Im Gebiet des Naturparks Schwäbisch-Fränkischer Wald, dessen Zentrum Murrhardt ist, sollten Windkraftanlagen möglichst konzentriert auf Windparks beschränkt werden“, so die Forderung der Stadt Murrhardt. So könne eine visuelle Überlastung vermieden und die charakteristische Landschaft für eine harmonische Erholungsnutzung erhalten werden. Gefordert wurde zudem, die Standortkarte um bestehende Windkraftanlagen und potenzielle Standorte in den Nachbarregionen Heilbronn-Franken und Ostwürttemberg zu ergänzen. Nur so könne eine mögliche Überlastung ordnungsgemäß abgewägt werden. „Die Stadt Murrhardt sieht es jedoch auch als ihre Aufgabe, ihre naturräumlichen Ressourcen zu schützen und nicht jeden auch nur im entferntesten denkbaren Standort im grundsätzlich doch windschwächeren Gebiet zur Erstellung von Windenergieanlagen zur Verfügung zu stellen beziehungsweise zu tolerieren“, heißt es in der Stellungnahme. Die Realisierung der Gebiete RM-10 Harnersberg, RM-13 Kohl (Siebenknie), RM-16 Ochsenhau und RM-15 Rotenbühl/Steinhäusle gehe mit einem „Verzicht auf die natürliche Ressource Landschaftsbild“ einher. Diese vier Standorte wurden nach kontroverser Diskussion am Ende vom Gremium auch mehrheitlich abgelehnt.

Ganz verschließen wollte man sich der Sache aber nicht. „Wir sind gefordert, konstruktiv mitzuwirken“, mahnte auch Bürgermeister Armin Mößner an. Zustimmung erteilte das Gremium den bereits im Regionalplan als Vorranggebiete enthaltenen Gebieten RM-11, RM-12, der sogar weiterhin um den Standort Springstein ergänzt bleiben soll, und RM-14. Auch der neue Standort RM-09 fand mehrheitliche Zustimmung, sodass die Walterichstadt insgesamt 75 Hektar anbietet. Grundsätzlich kritisch angemerkt wurde zudem, dass „in einem überproportionalen Umfang genau dort schwerpunktmäßig in der Region Stuttgart Windräder unterstützt werden, wo seither gerade der Landschaftsschutz eine große Rolle gespielt hat“. Den Landschaftsraum im Schwäbisch-Fränkischen Wald sehe man als überlastet an. (log)

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Erstellt:
22. Januar 2024, 16:08 Uhr

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