Reservebetten im Hotel Sonnenhof

Landkreis will in den Kliniken Platz für Coronapatienten schaffen – 100 Plätze für die Pflege nach Krankenhausbehandlungen

Der Landkreis schafft im Hotel Sonnenhof in Kleinaspach eine Bettenreserve für die Rems-Murr-Kliniken mit bis zu 100 Plätzen. In der Hotelanlage sollen Personen untergebracht werden, die nicht mit Corona infiziert sind, sondern am Ende ihrer Krankenhausbehandlung noch Pflege brauchen. Ziel ist es, in den Kliniken Platz zu gewinnen.

Das Hotel Sonnenhof in Kleinaspach bietet optimale Voraussetzungen für ein „Reservekrankenhaus“. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Das Hotel Sonnenhof in Kleinaspach bietet optimale Voraussetzungen für ein „Reservekrankenhaus“. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN/ASPACH. Die Entscheidung, Teile des Hotels Sonnenhof als Reserveeinrichtung zu nutzen, sei in enger Abstimmung zwischen dem Krisenstab der Kliniken, dem Landkreis, der Gemeinde Aspach und dem Rettungsdienst getroffen worden. Das machten Landrat Richard Sigel und Klinikengeschäftsführer Marc Nickel gestern in einer Telefonpressekonferenz deutlich. Bis zu 100 Plätze sollen bei Bedarf in dem „Reservekrankenhaus Sonnenhof“ (Sigel) belegt werden. Damit will der Landkreis ausreichend Bettenkapazitäten in den Rems-Murr-Kliniken Winnenden und Schorndorf für Covid-19-Patienten freimachen. Die Entscheidung des Krisenstabs sei eine Reaktion auf die steigenden Coronafallzahlen im Kreis. In der Folge werde die stationäre Krankenhausversorgung immer stärker in Anspruch genommen. Um Platz für betroffene Patienten zu schaffen, wurden laut Nickel bereits alle planbaren Operationen abgesagt. Zurzeit gebe es zwar noch keine Engpässe, versichert er. „Wir haben noch Luft.“ Aber gleichzeitig unterstreicht er: „Wir wollen vorbereitet sein.“

Man wisse nicht, wie sich das Aufkommen weiter entwickelt, ob es sich bei der Zahl der Infektionen um eine spitze, kurze Welle oder eine lang gedehnte handeln werde. Nickel fügt daher an: „Uns war es wichtig, einen Plan B zu haben, damit wir nicht in Engpässe reinkommen.“

In den Pflegeeinrichtungen gilt ein Aufnahmestopp

In den Krankenhäusern sind viele Betten mit Patienten belegt, deren Behandlung im Grunde abgeschlossen ist, die aber noch Pflege und ärztliche Aufmerksamkeit benötigen. Bei den Pflegeeinrichtungen im Kreis wiederum herrsche ein Aufnahmestopp, zugleich sei die personelle Lage angespannt. Die Heime seien „maximal belastet“, bestätigt auch Jutta Franz, stellvertretende Sprecherin der leitenden Notärzte im Kreis. Aus dieser Not heraus sei die Idee geboren worden, eine Reserveeinrichtung zu schaffen.

Das Hotel Sonnenhof sei für diesen Zweck optimal geeignet, erklärt sie und verweist unter anderem auf die Einteilung des Hotels in kleinere Einheiten und auf die barrierefreien Zimmer. „Wir haben hier alles“, sagt sie – der Betrieb könne umgehend aufgenommen werden.

Im Vorfeld hatten die Experten des Coronatherapieteams, des Rettungsdiensts und des Landratsamts unterschiedliche Objekte und Szenarien geprüft. Unter anderem war überlegt worden, das ehemalige Pflegeheim in Murrhardt-Oberneustetten zu reaktivieren (wir berichteten) oder stillgelegte Hotels für diesen Zweck neu herzurichten. Die rasche Verfügbarkeit des Sonnenhofs und dessen Infrastruktur seien, wie Franz berichtet, letzten Endes maßgeblich für die Entscheidung gewesen. Allerdings wird auch entsprechendes Personal benötigt. Anvisierte Lösung: Die Krankenpflegeschule zieht praktisch auf den Sonnenhof um. Ärztliche Unterstützung käme, so Franz, aus der Kreisärzteschaft.

Katrin Boysen-Ferber, Mitglied der Geschäftsleitung des Hotels Sonnenhof, erklärt zu dem Vorhaben, das nach ersten Kontakten mit Vertretern des Landratsamts und der Kliniken zunächst intern besprochen wurde: „Besitzerfamilie, Geschäftsleitung und Mitarbeiter waren sich sofort darüber einig, dass sie selbstverständlich in dieser Krisenzeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten helfen.“

Unterstützung signalisiert auch die Gemeinde Aspach. Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff wird in einer Pressemitteilung des Landratsamts zitiert: „Solidarität ist das Gebot der Stunde. Wir sehen die Bereitschaft der Geschäftsführung des Hotels Sonnenhofs als vorbildlichen Akt der Menschlichkeit in dieser Extremsituation.“

Die Kliniken haben unterdessen nach Angaben von Marc Nickel die Zahl ihrer Beatmungsplätze von 32 auf 85 erhöht. Dazu wurden zum einen die eigenen Reserven aktiviert, die es in den OP-Sälen gab, und zum anderen wurden bei Herstellern noch Möglichkeiten aufgetan – dank guter Kontakte, so Nickel.

Auch aus der Bevölkerung verzeichnet der Klinikenchef eine enorme Solidarität. Auf den Aufruf an Freiwillige, sich für medizinisch-pflegerische Dienste registrieren zu lassen, seien bereits rund 300 Bewerbungen eingegangen. Zudem wurden in rund 100 E-Mails Unterstützungsangebote gemacht. Sorge bereitet dem Landrat, dass noch keine Verlässlichkeit besteht, was den Nachschub an Schutzausrüstung betrifft. In der Bundes- und Landespolitik werde viel versprochen, doch vor Ort würden die Akteure allein gelassen.

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„Spahns Antwort auf die Pandemie ist Bürokratie.“ Mit diesen Worten kritisieren die Landräte der Region Stuttgart und die Geschäftsführer von sechs kommunalen Kliniken die Politik des Gesundheitsministers und fordern konkretere Unterstützung.

Die Unterzeichner des offenen Briefs an Jens Spahn fordern Änderungen am geplanten Gesetzesentwurf zur Unterstützung der Krankenhäuser in Deutschland: „Der derzeitige Gesetzesentwurf ist für uns und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Weitem nicht ausreichend.“ Es bestehe die Gefahr, dass Krankenhäuser ohne die Unterstützung der Landkreise in wenigen Monaten in die Insolvenz gehen.

Konkret fordern die Kliniken, die insgesamt jährlich 360000 Patienten stationär versorgen und für einen Umsatz von 1,97 Milliarden Euro stehen, eine wesentlich unbürokratischere und konkretere Hilfe für die Behandlung der mit Covid-19 infizierten Patienten. So sollten Gelder zur Sicherung der Liquidität transferiert werden. Um kurzfristig und flexibel auf die personellen Engpässe reagieren zu können, müsse die Dokumentationspflicht aus dem Personalstärkungsgesetz und die Qualitätsdokumentation auf das Notwendigste reduziert werden. Und für die dringend benötigte medizinische Schutzkleidung, ohne die das Personal nicht handlungsfähig wäre, müsse es einen adäquaten Zuschlag geben. Rehakliniken und Pflegeeinrichtungen sowie niedergelassene Ärzte bekämen seit Wochen keine Schutzkleidung. „Auf dem Höhepunkt der Krise sind wir nackt,“ mahnen die Klinikleiter und kommunalen Politiker.

Für die von der Bundesregierung geforderte Verdopplung der Intensivbetten müsse es eine ausreichende Gegenfinanzierung geben. Und: Auch Eltern, bei denen nur ein Elternteil in der Klinik arbeitet, bräuchten dringend die Kita, den Kindergarten oder die Schule: „Wir brauchen unsere Mitarbeiter vor Ort“, heißt es in dem Brief.

Zum Schluss der Appell: „Die Krankenhäuser sind das Rückgrat der Gesundheitsversorgung. Lassen Sie uns nach der Krise gerne über nachhaltige Strukturen sprechen, die auch krisenfest sind. Damit wir auch in Zukunft für so eine Situation gerüstet sind.“

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Erstellt:
24. März 2020, 06:00 Uhr

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