US Open der Tennisprofis
Mit 35 Jahren: Struff überrascht bei den US Open erneut
Struff drohte bei den US Open schon in der Qualifikation das Aus. Nun steht er vor einem Highlight-Spiel um den Einzug ins Achtelfinale. Und das im reifen Tennis-Alter. Boris Becker ist angetan.

© Frank Franklin/AP/dpa
Jan-Lennard Struff überrascht bei den US Open mit einem Sieg gegen Holger Rune.
Von Kristina Puck, dpa
New York - Die Frage an Jan-Lennard Struff nach dem überraschenden Drittrunden-Einzug bei den US Open war als Kompliment gedacht. Sie spielte aber auch auf sein Alter an - und der 35 Jahre alte Tennis-Routinier konterte verschmitzt. Noch auf dem Platz konfrontierte ihn eine Interviewerin damit, dass er nun der älteste deutsche Tennisprofi sei, der bei einem Grand-Slam-Turnier einen Top-20-Spieler besiegte. "Du willst mir also sagen, dass ich alt bin?", entgegnete Struff. "Ich bin glücklich, solches Tennis zu spielen."
Sein packendes 7:6 (7:5), 2:6, 6:3, 4:6, 7:5 gegen den dänischen Weltranglisten-Elften Holger Rune war einer seiner größten Siege in diesem Jahr. Doch damit soll in New York nicht Schluss sein. Da gehe noch mehr, so der Qualifikant.
Vom Beinahe-Aus in der Qualifikation in die zweite Woche?
Am Freitag spielt der Sauerländer gegen den US-Amerikaner Frances Tiafoe - und vermutlich einen größeren Teil des New Yorker Publikums - um das Erreichen des Achtelfinales. Mit einer weiteren Überraschung kann er in einem für ihn sportlich sehr komplizierten Jahr sein bestes Grand-Slam-Resultat egalisieren.
"Verrückt manchmal", sagte Struff. "Es hängt sehr nah alles zusammen." Schließlich wäre das Turnier beinahe ohne ihn abgelaufen. In der zweiten von drei Qualifikationsrunden stand der Warsteiner schon vor dem Aus. Der Regen rettete ihn, die Partie wurde auf den nächsten Tag verschoben und Struff konnte das Match drehen.
Gegen Rune gelang Struff, der auch in Wimbledon in die dritte Runde eingezogen war, sein erster Sieg gegen einen Top-20-Spieler in diesem Jahr. Er bestätigte damit auch seine eigene These, dass die Leistungsdichte immer "krasser" werde. Im Sommer 2023 hatte er selbst daran geschnuppert, in die Top 20 aufzusteigen. Momentan ist er bis auf Platz 144 der Weltrangliste durchgereicht worden und muss sich deshalb bei einem Turnier wie den US Open durch die Qualifikation mühen.
Boris Becker ist von Struff begeistert
Immer wieder musste der Davis-Cup-Spieler in dieser Saison Rückschläge und frühe Niederlagen wegstecken. Das Match gegen Rune entwickelte sich auf Court 17, dem viertgrößten Platz der Anlage, zu einem Auf und Ab. Nach dem gewonnenen ersten Durchgang im Tiebreak konnte er sein Niveau nicht halten, gab den zweiten Satz klar ab.
Ein Break fast aus dem Nichts ermöglichte ihm wieder, mit einem Satz vorzulegen. Dann führte er im vierten Abschnitt sogar erneut, ließ dann aber bei eigenem Aufschlag nach. So musste der fünfte Satz und dort das späte Break zum 6:5 die Entscheidung für seinen ersten Top-20-Erfolg in diesem Jahr bringen. Mit Kampfgeist, Leidenschaft und seinem Mut zum aggressiven Spiel entnervte Struff den Dänen Rune.
"Sagenhaft", lobte Tennisikone Boris Becker, einst Kurzzeit-Coach von Rune, als Experte bei Sporteurope.tv. Er bewundere Struffs "Kaltschnäuzigkeit": "Er ist von sich überzeugt". Eine bemerkenswerte Aussage in einem sportlichen Krisenjahr.
Gegen Tiafoe wartet ein Highlight-Spiel
Cool hatte Struff nach dem verwandelten Matchball erst nur die Hand zur Faust geballt. Erst nach dem Handschlag mit dem Kontrahenten legte er dann doch noch einen kleinen Freudensprung hin, klopfte sich auf seine Brust. Später in einer kleinen Presserunde strahlte er keine Begeisterung aus, sondern wirkte schon wieder nüchtern.
Dabei hatte es ihm die "verrückte und unglaubliche Atmosphäre" auf dem Court gegen Rune angetan. Der extrovertierte Tiafoe ist Weltranglisten-17., US-Open-Halbfinalist vom 2022 und 2024 und ein mitreißender Publikumsliebling. Es dürfte noch stimmungsvoller werden.
"Holger (Rune) hat heute das Publikum so ein bisschen auf seine Seite gezogen, nachdem er zurückgekommen ist. Da musste ich dem Publikum im fünften auch mal zeigen: Passt auf, ich bin auch noch da", sagte Struff. "Das wird, glaube ich, nicht so klappen gegen Frances."
Nur eine von drei bisherigen Partien gegen den US-Amerikaner hat Struff gewonnen. Die Niederlage im Tiebreak-Drama nach einem vergebenen Matchball im "Wahnsinnsfinale" 2023 in Stuttgart findet Struff noch immer bitter. Und dennoch schob er nun hinterher: "Gehen wir es an."

© Frank Franklin/AP/dpa
Jan-Lennard Struff spielt am Freitag in New York um den Achtelfinaleinzug.

© Seth Wenig/AP/dpa
Frances Tiafoe reißt oft das Publikum mit.