Absage an Liebesszenen mit Visier und Maske

Die Theater und Indoor-Spielstätten in Backnang und Umgebung bleiben weiterhin geschlossen. Der verhaltene Neustart des kulturellen Lebens bezieht sich vor allem auf Ausstellungen und Open-Air-Events. Veranstalter setzen vor allem auf kleine Formate.

Auch nach den Updates der Coronaschutzverordnung sieht die Situation nach der Phase der kompletten Einstellung des Spielbetriebs der Kulturstätten nicht rosig aus. Wann und wie es etwa mit den Vorstellungen im Bandhaus-Theater weitergeht, ist noch unklar. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Auch nach den Updates der Coronaschutzverordnung sieht die Situation nach der Phase der kompletten Einstellung des Spielbetriebs der Kulturstätten nicht rosig aus. Wann und wie es etwa mit den Vorstellungen im Bandhaus-Theater weitergeht, ist noch unklar. Foto: A. Becher

Von Ingrid Knack

BACKNANG. Sie ist mit unter den ersten, die im Raum Backnang jenseits der Autokinos nach dem Lockdown eine Kulturveranstaltung anbieten: die Gemeinde Oppenweiler. „Wir wagen ein Open-Air-Konzert im Schlossgarten“, so Cornelia Köhnlein-Bass von der Verwaltung, zu deren Aufgabenbereich auch die Kultur gehört. Es handelt sich um eine „Sonntags-Matinee zur Sonnwende“ am 21. Juni um 11 Uhr auf der Rathausinsel. Die Stuttgarter Saloniker, die unter anderem bereits im Villa-Franck-Areal in Murrhardt zu hören waren, präsentieren leichte Klassik, Straußwalzer und Early Jazz der Roarin’ Twenties. Im Rentamtskeller soll es erst im Oktober weitergehen. „Wir sind gespannt, ob es dazu kommen wird“, erklärt Köhnlein-Bass.

Obwohl schon seit dem 1. Juni in Baden-Württemberg öffentliche Veranstaltungen mit festen Sitzplätzen für weniger als 100 Menschen erlaubt sind, ist die Realisierung oft schwierig oder gar unmöglich. Vor allem für kleine Theater sieht es nicht rosig aus. Denn besonders hier steckt der Teufel im Detail. Jasmin Meindl vom Bandhaus-Theater hat sich bei Online-Terminen des Amateurtheaterverbands über die Hygienevorschriften für Spielstätten schlau gemacht. Nun müssen sich die Bandhaus-Leiterinnen Jasmin Meindl und Juliane Putzmann mit Themen wie „Stoß- und Querlüften“ (Meindl: „Das ist im Theater nicht so einfach.“) und der Coronaschutztauglichkeit der Lüftungsanlage befassen. Sollte in diesem Punkt Entwarnung gegeben werden können, ist da immer noch das Problem der Wirtschaftlichkeit: Werden die Abstandsregeln eingehalten, dürfen gerade mal 24 Besucher je Vorstellung zugelassen werden. Auch die Zahl der Schauspieler ist ein großes Thema. Für jeden Darsteller müsse man zehn Quadratmeter Raum haben, weiß Meindl. Dies bedeutet: Es könnten nur vier Darsteller gleichzeitig auf der Bandhaus-Bühne stehen. Würden die vorgeschriebenen 1,5 Meter Abstand etwa bei Liebesszenen unterschritten, müssten die Schauspieler ein Visier und eine FFP2-Maske tragen, so Meindl. Das hört sich eher nach Satire oder Peinlichkeit an.

Für die Theaterleute ist deshalb klar: Das Volkstheaterstück „Die letzte Sau“, das eigentlich Ende April Premiere gehabt hätte und bei dem bis zu zehn Personen auf der Bühne agieren sollten, kann bis auf Weiteres nicht präsentiert werden. Zumal die Proben für das Stück durch den Lockdown jäh unterbrochen wurden. Hinzu kommt laut Meindl, „dass alles, was angefasst wird, desinfiziert werden muss. Auch die Bühne muss jedesmal desinfiziert werden“. Wobei dies für sie nicht das größte Problem wäre.

Jetzt machen sich die Bandhaus-Theater-Chefinnen Gedanken über kleinere Formate wie Lesungen, zu denen eingeladen werden könnte, „wenn es mit der Lüftung klappt“. Nachgedacht wurde überdies, einen Teil des Programms ins Bürgerhaus zu verlegen. Sicher ist aber noch nichts. „Man braucht eine maximale Flexibilität. Die haben wir. Und wir hoffen, dass alle anderen, mit denen wir zusammenarbeiten, diese auch haben.“

Große Lust haben die Bandhaus-Theater-Leiterinnen aber auf das Amateurtheaterfestival unter dem Motto „Vereinigt Euch“ zwischen 1. und 4. Oktober, das sie zum ersten Mal ausrichten. Damit dies möglich wird, bekamen sie von Kulturamtsleiter Martin Schick zugesagt, „das Bürgerhaus zu bespielen“, freut sich Meindl. Aber sie sagt auch: „Wir werden noch andere Räume brauchen.“ Diese müssten „eine gewisse Größe“ haben, um die Abstände einhalten zu können. Die Zusage Schicks sei aber eine gute Basis. Obendrein passen die Theaterleiterinnen das Konzept des Festivals an den Coronaschutz an. „Die Aufführungen sollten eh nur 60 Minuten dauern“, sagt Meindl. Nun ist die Überlegung, lediglich Ausschnitte davon zu zeigen und den Fokus auf den Blick hinter die Kulissen zu richten. „Es ist eigentlich der totale Wahnsinn, es zu machen. Aber gerade das macht es reizvoll.“ Dass auch die Gruppen (drei aus dem östlichen und drei aus dem westlichen Deutschland) für das Festival zum Thema 30 Jahre Wiedervereinigung brennen, macht die Sache leichter. Und Meindl unterstreicht die Wichtigkeit eines solchen Unterfangens in Zeiten, in denen Vorbehalte zwischen Ost und West alles andere als Vergangenheit sind. Sie spricht von den Chancen, die darin liegen, sich über die Bühne, über kreative Dialoge kennenzulernen. Wie Besucher am Festival teilnehmen könnten, ist noch eine offene Frage. Stand heute wird es jedenfalls nicht möglich sein, die ursprünglich geplante Wiedervereinigungsparty zu feiern.

In einer etwas privilegierteren Lage sind die Macher des Backnanger Bürgerhaus-Programms, immerhin könnten im Walter-Baumgärtner-Saal nach den Worten Martin Schicks trotz der den Coronaauflagen entsprechend ausgedünnten Sitzreihen immerhin noch 180 Menschen Platz finden. Da die Bürgerhaus-Saison 2019/2020 ohnehin vorbei ist und auch das classic-ope(r)n-air, das am Samstag auf dem Marktplatz über die Bühne gehen sollte, abgesagt ist, geht es jetzt um die Saison 2020/2021 ab Ende September. Immer mit dem Vorbehalt: „Was bis dahin passiert, wissen wir nicht“, schränkt der Kulturamtsleiter ein. Auch er hat sich mit Fragen zu befassen, wie eng zum Beispiel Musiker auf der Bühne zusammensitzen oder -stehen dürfen oder wie viele Bläser dabei sein können. Denn wie bei den Sängern geht es insbesondere bei diesen um die Frage, wie stark sie im Fall einer Infektion die Viren in ihrer Umgebung verteilen. Schick hat für jede Veranstaltung einen Plan B. Auch wurde die Idee geboren, stark nachgefragte Konzerte zweimal vor einer reduzierten Zuschauerzahl zu spielen. In der ersten Hälfte der Spielzeit liegt der Schwerpunkt der Programmgestalter auf eher kleineren Formaten. Wie es mit den Kombi-Abos in Zusammenarbeit mit der Kulturgemeinschaft Stuttgart aussieht, „da hängen wir noch ein bissle in der Luft“, sagt Schick. „Von Stuttgart haben wir nicht viele Informationen.“ Das neue Bürgerhaus-Programm wird im Juli veröffentlicht. Darin nicht enthalten sein werden die Flauschohrenkonzerte für Kinder. Das Konzept der Reihe lässt sich an den Coronaschutz nicht anpassen.

Weniger problematisch sind die Ausstellungen in der Galerie der Stadt Backnang. Anna Ingerfurth zeigt dort vom 19. Juni bis 6. September „Bewegungsmuster“. Geschlossen bleibt dagegen das städtische Graphik-Kabinett im Helferhaus. Die klimatischen Bedingungen, die in den kleinen Ausstellungsräumen zum Schutz der empfindlichen Exponate stabil gehalten werden müssen, lassen einen regelmäßigen Luftaustausch nicht zu. Celia Haller-Klingler, die Leiterin des Graphik-Kabinetts, lädt deshalb zu einer Online-Präsentation ein.

„Wir hoffen, dass es im September weitergehen kann“, ist die Aussage von Barbara Böhle-Burr vom Verein Kulturgut auf dem Hofgut Hagenbach in Backnang. Der Verein hat die Kulturnacht am 24. Juli und den Jazzfrühschoppen am 26. Juli mit Musikern der Jugendmusikschule abgesagt. Denn er sieht sich laut Homepage „auch in der Verantwortung für unsere Ehrenamtlichen, unser Publikum und die Künstler“. Vorsitzende Böhle-Burr ergänzt: „Konzerte zu veranstalten in der heutigen Krisenzeit ist uns allen zu heiß.“ Außerdem habe die Band Rosario Smowing aus Argentinien, die bei der Kulturnacht aufgetreten wäre, ihre Deutschlandtour ohnehin abgesagt.

Im Kabirinett in Großhöchberg gibt es bis zum 31. August keine Theaterveranstaltungen. Theaterleiter Thomas Weber: „Mit den derzeitigen Auflagen sehen wir uns nicht in der Lage, unserem Publikum eine Kabaretttheaterveranstaltung anbieten zu können, die dem Stil unseres Hauses gerecht wird. Wir hoffen auf bessere Zeiten und halten noch eine Weile durch.“ Zu den Lümmelpicknicks können Kulturhungrige indes kommen, zudem hat Weber „Sandkastenfestspiele“ im neuen Biergarten aus der Taufe gehoben. „Hier können wir auf die Einschränkungen eingehen und auch kurzfristig auf die Maßnahmen der jeweilig gültigen Coronaverordnung des Landes reagieren.“

Charley Graf, Chef der Gruschtelkammer Auenwald, winkt ebenfalls ab, was die Veranstaltungen in der Sängerhalle in diesem Jahr anbetrifft. „Wenn das Hygiene-/Abstandsgebot bleibt, bekämen wir maximal 50 bis 55 Personen rein. Damit könnten wir nicht überleben.“ Die einzig sinnvolle Alternative als Veranstaltungsort sei die Auenwaldhalle. „Hier wären 200 Zuschauer machbar.“ Doch vor September wird auch dort nichts gehen. Das Programm 2020/2021 der Gruschtelkammer steht komplett. Graf: „Alle Verträge sind schon lange unterschrieben. Ich will das Programm unbedingt durchführen. Nicht nur wegen der Unterhaltung der Besucher, sondern vor allen Dingen auch wegen der Künstler. Die brauchen Einnahmen und wollen auf die Bühne. Weil aber noch nichts klar ist, ist das im Moment Wunschdenken. Sobald das kleinste Signal kommt, dass es eine Möglichkeit gibt, fange ich sofort an zu überlegen, wie wir das alles am besten umsetzen können und dürfen.“

Die Klassikkonzertreihe in Spiegelberg-Großhöchberg startet hingegen noch vor den Sommerferien: Beim Konzert am 12. Juli konzertiert das Posaunenquartett Trombanda im Garten des Klosterhofs.

Im Schlössle in Sulzbach an der Murr wird vorerst kein Kulturprogramm angeboten. „Wir warten erst einmal ab“, gibt Bürgermeister Dieter Zahn Auskunft.

Eine Auswahl von Veranstaltungen und Ausstellungen

Ausstellungen gibt es in der Galerie der Stadt Backnang (Anna Ingerfurth ab 19. Juni) sowie im Helferhaus („Ans Licht“ mit Neuerwerbungen aus der Sammlung des Heimat- und Kunstvereins und „Backnang im Zeitspiegel“ mit historischen Fotos im Helferhaus-Kabinett).

Weitere Infos zum Konzert der Stuttgarter Saloniker am 21. Juni in Oppenweiler sind über Telefon 07192/9366931 zu erfragen.

Die Grafikausstellungen im Helferhaus Backnang werden vorerst ins Digitale verlegt. Mit je einer Grafik pro Woche wird die Online-Ausstellung bis 4. Oktober schrittweise aufgebaut und gewährt so einen etwas anderen Blick auf die Kunst auf Papier. Die derzeitige Ausstellungsreihe „Kinderreich“ legt in drei kleinen Kabinettschauen mit jeweils rund zwölf ausgewählten Grafiken aus dem Bestand der Ernst-Riecker-Sammlung den Blick auf die Rolle des Kindes in der Kunst. In der zweiten Ausstellung des Jahres mit dem Titel „Kinderreich – bewegt“ stehen Darstellungen von Kindern in ihrem Kindsein im Vordergrund. Die Grafiken werden immer samstags unter der Adresse www.graphik-kabinett-backnang.de um eine weitere Arbeit ergänzt.

Das Kabirinett in Großhöchberg lädt zu folgenden Open-Air-Events ein: Am 20. Juni ist Stefan Hiss zu Gast, am 27. Juni das Christof-Altmann-Duo, am 4. Juli Mike Janipka, am 11. Juli James Geier, am 18. Juli kommen die Lenz Brothers, am 25. Juli Hearts&Bones, am 1. August gastiert dort Jens Heckermann, am 8. August The Sophisticated Orchestra, am 15., 22. und 29. August ist noch offen, wer kommt. Weitere Informationen auf www.kabirinett.de.

Sommerkonzert am Sonntag, 12. Juli, mit dem Posaunenquartett Trombanda im Garten des Klosterhofs in Spiegelberg-Großhöchberg. Nähere Infos auf www.kultur-klosterhof.de.

Zum Artikel

Erstellt:
18. Juni 2020, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen