Alarmstufe: Shoppen nur noch mit 3G

Die Alarmstufe in Baden-Württemberg gilt seit gestern, auch unter Geimpften und Genesenen steigt die Angst vor einer Ansteckung. Und für Ungeimpfte wird es nun noch ungemütlicher: Wer beim Einkaufen keinen Test vorweisen kann, muss vom Einzelhändler abgewiesen werden.

Händler wie Martin Windmüller müssen nun 3-G-Nachweise ihrer Kunden prüfen und am Eingang auf die Regeln hinweisen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Händler wie Martin Windmüller müssen nun 3-G-Nachweise ihrer Kunden prüfen und am Eingang auf die Regeln hinweisen. Foto: A. Becher

Von Anja La Roche

und Kristin Doberer

Backnang. An der Ladentür des Betten- und Wäschehauses in Backnang hängt seit gestern ein neues Schild: Nur Kunden, die geimpft, genesen oder getestet sind dürfen zwischen Betten, Schlafanzüge und Kissen stöbern. Denn das dreistufige System der Coronapolitik schaltete auf rot, seit gestern gilt in Baden-Württemberg die Alarmstufe. Denn die Intensivbetten im Land sind mit deutlich mehr als 390 Covidpatienten belegt. Shoppen gehen darf daher nur noch, wer seinen 3-G-Status nachweisen kann. Zuvor gab es für Kunden in Einzelhandelsgeschäften keine weiteren Regelungen, abgesehen von den üblichen Kontakt- und Hygieneregeln. Jetzt heißt es für alle ungeimpften und nichtgenesenen Personen: Vor dem Shoppen ab zum Testanbieter und einen Antigenschnelltest machen lassen, der 24 Stunden gültig ist, oder einen PCR-Test, der 48 Stunden gültig ist.

Martin Windmüller ist Geschäftsführer des Betten- und Wäschehauses. Wie setzen seine Angestellten die neuen Regelungen um? „Wir fragen die Kunden, bei denen es zum Verkaufsgespräch kommt, ob sie die 3G erfüllen“, sagt Windmüller. Die Händler müssen in der Alarmstufe zum einen am Eingang auf die neuen Regeln hinweisen und zum anderen die Nachweise kontrollieren. Laut Einzelhandelsverband des Landes genügt hier aber eine stichprobenartige Kontrolle am Eingang, an der Kasse oder bei Aufnahme eines Verkaufsgesprächs. Es muss also nicht zwingend Personal am Eingang des Geschäfts extra für die Nachweiskontrolle abgestellt werden.

Lieber strengere Maßnahmen

als ein weiterer Lockdown

Martin Windmüller ist auch stellvertretender Vorsitzender des Stadtmarketingvereins. Er ist „zutiefst froh, dass die strengeren Regeln nun gelten“. Zum einen begrüße er jede Maßnahme, die das Infektionsgeschehen eindämmt und dadurch einen weiteren Lockdown verhindert. Denn eine weitere Ladenschließung wäre fatal für viele Geschäfte, so Windmüller. Zum anderen trage er als Geschäftsführer Verantwortung für die Gesundheit seiner Angestellten. Gestern habe es trotz der eingetretenen Alarmstufe regen Betrieb im Bettenhaus gegeben. Mit dabei eine Kundin, die keinen Testnachweis dabei hatte — und bei Verweis auf die Testpflicht für Ungeimpfte wutentbrannt und Verschwörungstheorienzitierend den Laden verlassen habe. „Sie hat zu meinen Angestellten gesagt, dass es eine Frechheit sei, was wir uns erlauben würden. Obwohl wir nur die Verordnung des Landes umsetzen“, erzählt Windmüller.

Auch bei dem Fachgeschäft Lochmann Berufskleidung mussten gestern rund 70 Prozent der Kunden abgewiesen werden, weil sie keinen 3-G-Nachweis vorzeigen konnten, wie Tobias Sellmaier von dem Unternehmen mitteilt. „Viele Kunden sind da echt sauer, obwohl der Einzelhändler gar nichts dafür kann“, meint er. Auch ein Angestellter von „Goldmann Trauringstudio“ empfindet die Lage als sehr schwierig: „Seit die Zahlen so hoch sind, bleiben die Kunden wieder weg“, sagt er. Denn Hochzeiten feiern nur wenige bei hohem Infektionsgeschehen. Dass nun die Alarmstufe gilt, sei auch ein Problem. „Viele Händler, die ich kenne, beschweren sich. Sie wünschen sich eine bessere Aufklärung über die Regelungen“, sagt der Angestellte.

Auf die Schnelltestzentren kommt nun wieder deutlich mehr Arbeit zu. Schon seit ein Bürgertest pro Woche wieder kostenlos gemacht werden kann, habe sich die Zahl der Kunden erhöht. Das teilt Stefanie Gebhardt von Minessa Medical mit, die das Testzentrum in der Backnanger Grabenstraße leitet. Auch am ersten Tag der Alarmstufe sei wieder deutlich mehr los gewesen. Allein am gestrigen Vormittag waren etwa 70 Menschen für einen Schnelltest in dem Container. In den vergangenen Wochen seien es den ganzen Tag über etwa 80 Personen gewesen, berichtet der Angestellte Marco Daiß. Sie gehen davon aus, dass sich die Nachfrage noch weiter erhöht. Die Öffnungszeiten des Testcenters wurden deshalb wieder deutlich ausgeweitet (Montag bis Samstag von 6.30 bis 20.30 Uhr, Sonntag von 9 bis 15 Uhr).

Trotz der neuen Einschränkungen gibt es aber auch weiter viele Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen. In der Schlange vor dem Testcenter steht zum Beispiel ein 23-jähriger Schüler der Volkshochschule. Er erzählt, dass er sich nicht impfen lassen möchte, weil er Angst hat. „Ich weiß gar nicht, was da alles drin ist“, sagt er. An Corona zu erkranken bereite ihm hingegen keine Angst. Auch eine junge Frau steht vor dem Testcenter an, um fürs Shoppen einen Testnachweis zu erlangen. „Ich finde es besser so, weil man mit den Tests weiß, wer infektiös ist“, begrüßt sie die neuen Regelungen. Vor der Alarmstufe — als noch keine Regelungen für den Einzelhandel galten — sei sie dennoch ohne Test shoppen gegangen, auch ohne Impfung.

Angst vor der Ansteckung: 20 bis 30 Prozent weniger Kinogäste

Die Alarmstufe bedeutet nicht nur für den Einzelhandel strengere Regeln. So werden die Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte weiter verschärft, treffen darf sich ein Haushalt nur noch mit einer weiteren Person. Und bei öffentlichen Veranstaltungen, in Freizeiteinrichtungen, Gastronomien und Kultureinrichtungen gilt nun grundsätzlich 2G. So können Ungeimpfte zum Beispiel nicht mehr ins Kino gehen. Für die Betreiber bedeutet das deutlich weniger Gäste. „Als noch die Schnelltests möglich waren, hatten wir ein größeres Publikum“, sagt Heinz Lochmann, der das Kino Traumpalast in Backnang betreibt. Er schätzt, dass es durch 2G etwa 20 bis 30 Prozent weniger Kinobesucher geben wird. Dabei habe es auch in der Warnstufe kaum Leute gegeben, die mit einem PCR-Nachweis in Kino gekommen sind. Vor allem aber die gestiegenen Coronazahlen würden Besucher abschrecken, weil allgemein wieder mehr Angst vor einer Ansteckung da sei – auch unter Geimpften und Genesenen –, meint Lochmann. „Bis letzte Woche waren die Besucherzahlen eigentlich sehr erfreulich“, sagt er. „Und dann hat mit den steigenden Infektionen die Zahl der Kinobesucher wieder abgenommen.“

Diese Ausnahmen gelten in der Alarmstufe

Grundversorgung Die 3-G-Regel im Einzelhandel gilt nicht für Geschäfte der Grundversorgung. Dazu zählen der Lebensmitteleinzel- und Getränkehandel, Hofläden, Verkaufsstände für Obst und Gemüse, Metzgereien und Bäckereien. Auch Märkte im Freien sowie Abhol- und Lieferangebote sind ausgenommen.

Drogerien und Co. Auch Tafeln, Apotheken, Reformhäuser, Drogerien, Sanitätshäuser, Orthopädieschuhtechniker, Hörgeräteakustiker, Optiker, Babyfachmärkte und der Zeitschriftenverkauf sind ohne Einschränkungen zugänglich.

Schüler Von der 2-G- beziehungsweise 3-G-Regelung befreit sind Kinder, die noch nicht eingeschult sind. Schülerinnen und Schüler sind in der „Alarmstufe“ ebenfalls von 2G ausgenommen. Allerdings gilt in der Alarmstufe in den Schulen nun wieder Maskenpflicht am Platz.

Keine Impfempfehlung Personen, für die es keine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gibt, sind ausgenommen. Ebenso Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Schwangere und Stillende sind aktuell noch befreit, da es für sie erst seit dem 10. September eine Impfempfehlung gibt.

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Erstellt:
18. November 2021, 06:00 Uhr

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