„Bis letzte Woche war noch alles gut“

Wer sich die Haare schneiden oder stylen lassen will und noch nicht geimpft ist, muss seit Montag einen tagesaktuellen negativen Covid-19-Schnelltest vorweisen. Friseure in Backnang und Murrhardt klagen seitdem über zahlreiche Absagen von Kunden aus den unterschiedlichsten Gründen.

Friseurmeisterin Julia Hirzel, Inhaberin des Salons Gienger in Backnang, klagt über die zahlreichen Terminabsagen. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Friseurmeisterin Julia Hirzel, Inhaberin des Salons Gienger in Backnang, klagt über die zahlreichen Terminabsagen. Foto: J. Fiedler

Von Florian Muhl

BACKNANG/MURRHARDT. „Bis letzte Woche war noch alles gut, wir waren komplett ausgebucht. Aber seit Montag haben wir den Einbruch“, klagt Julia Hirzel. Die 32-Jährige, die den Salon ihres Vaters Bruno Gienger in der Backnanger Innenstadt weiterführt, hat den Montag, an dem ihr Salon geschlossen ist, dazu genutzt, um alle Kunden mit Termin anzurufen und über die am vergangenen Wochenende angeordnete Testpflicht (siehe Kasten) zu informieren. Das ernüchternde Ergebnis: „Die Hälfte hat abgesagt“, sagt die Friseurmeisterin. Von rund 30 Kunden für Dienstag und Mittwoch wollten beziehungsweise konnten rund 15 ihren Termin nicht mehr wahrnehmen.

90 Prozent ihrer Kunden seien am Telefon sehr freundlich und verständnisvoll gewesen. „Aber einige haben geschimpft und sich über die Politik aufgeregt, sie möchten das nicht unterstützen und sehen nicht ein, dass sie für den Friseur einen Schnelltest brauchen.“ Verärgert hätten zwei, drei Kunden angekündigt: Dann lassen wir’s privat machen, wie im Lockdown. Bei den älteren Kunden seien zum Glück schon viele geimpft und müssten deshalb keinen Test vorweisen. Aber die, die noch keinen Impfschutz hätten, seien nicht so geübt mit dem Internet oder hätten gar keinen Computer oder kein Smartphone und könnten so kaum einen tagesaktuellen Test vorweisen.

Am Montag habe Hirzel dann noch die Information erhalten, dass auch Kinder den Test vorweisen müssen. „Die werden ja schon zweimal in der Woche in der Schule getestet, aber da bekommen sie keinen Nachweis. Also müssen die jetzt auch zum Schnelltest beim Arzt oder in der Apotheke“, sagt die 32-Jährige. Sie halte sich penibel daran, die Nachweise zu kontrollieren, denn sie habe gehört, dass es bei Nichtbeachten der Vorschriften hohe Strafen geben soll, bis zu 30000 Euro. Noch sei sie in diesem Jahr nicht kontrolliert worden, aber im vergangenen Jahr im Herbst gleich dreimal.

„Auch die Maskenpflicht war zunächst ungewohnt.“

Der Lockdown im vergangenen Jahr hatte Julia Hirzel kräftig zugesetzt. Sie musste auf Rücklagen des Salons zurückgreifen, die eigentlich für neue Waschbecken und Stühle gedacht waren. Ab Anfang Mai vergangenen Jahres durfte sie wieder öffnen, allerdings unter den bekannten strengen Hygienevorschriften. Seitdem ist wegen der Abstandsregelung jeder zweite Platz weggefallen. Anstatt sechs Kunden dürfen jetzt nur noch drei zeitgleich bedient werden. Klar, dass sich das auf die Einnahmen niederschlug. Um etwa ein Drittel sei der Umsatz zurückgegangen.

Die Friseurmeisterin hat die Situation seither gut gemeistert, letztlich dank ihres guten, verständnisvollen Teams, wie sie sagt. Aber wegen der aktuellen Terminabsagen musste sie jetzt auch schon einen Teil ihrer Beschäftigten nach Hause schicken. Trotzdem hat die 32-Jährige ihr Lachen nicht verloren, und auch nicht ihren Optimismus. Sie hofft, dass sich das mit den neuen Vorschriften einspielen wird. „Als das mit der Maskenpflicht im vergangenen Jahr kam, war’s auch zunächst ungewohnt. Mittlerweile ist das für unsere Kunden normal.“

Ähnliche Erfahrungen wie Julia Hirzel hat auch Niki Kogiou gemacht. Sie betreibt ihren Salon „Hairlight Niki“ in der Hauptstraße in Murrhardt bereits seit 20 Jahren mit derzeit vier Beschäftigten. Seit vergangenem Jahr darf sie wegen der Coronamaßnahmen zwei ihrer acht Plätze nicht mehr besetzen. Es sei ein Mix, sagt die 51-jährige Friseurmeisterin auf die Frage, wie ihre Kunden auf die aktuellen Vorschriften reagiert hätten. Sie teilt ihre Kundschaft grob in drei Gruppen ein. „Den Jüngeren fällt es leicht, die machen online einen Termin in einem Testzentrum und dann sind die da.“ Dann gebe es die Älteren, die geimpft sind und ihren Impfpass vorweisen könnten. „Und dann gibt’s die, die es überhaupt nicht einsehen, sich testen zu lassen. Es gibt viele Absagen“, sagt Kogiou. Etwa ein Drittel der Kunden hätten ihren Termin nicht mehr wahrgenommen. Die Konsequenz: „Wir haben viel, viel weniger zu tun, die Mitarbeiter sind nicht ausgelastet. Wenn’s so weitergeht, muss ich den einen oder anderen Mitarbeiter wieder in die Kurzarbeit schicken. Das ist natürlich furchtbar.“

Erheblichen Mehraufwand sehe sie in der Dokumentationspflicht. „Wir müssen eine Anwesenheitsliste führen wie bisher und jetzt die Nachweise abfotografieren oder kopieren und abheften.“ Aber die 51-Jährige resigniert nicht: „Wir sind auch dankbar, dass wir aufhaben dürfen, aber gleichzeitig ist es unter diesen Umständen sehr schwer.“ Die Kreativität bei der Arbeit leide auch unter den Umständen, weil die Beschäftigten den Kunden viel erklären und sich um die Dokumentationsarbeit kümmern müssten. Zudem, so klagt Kogiou, gebe es in Murrhardt zu wenige Testmöglichkeiten.

„Kein Wunder, dass die Schwarzarbeit mehr wird.“

Der Großteil ihrer Kunden seien Stammkunden, die sehr einsichtig seien und ihren Salon und damit ihre Beschäftigten unterstützen würden. Aber die Laufkundschaft zeige mitunter wenig Verständnis. An einen „ganz negativen Fall“, wie sie sagt, erinnere sie sich ungern. Am Mittwoch sei ein Herr gekommen: „Der war richtig sauer und hat gesagt: Kein Wunder, dass die Schwarzarbeit mehr wird.“ Und das befürchtet auch Kogiou, dass die Schwarzarbeit enorm zunehmen wird.

Friseurmeister Jan Manhalter zeigt Verständnis für die Testpflicht, findet sie sogar gut. Warum? „Weil ich jetzt die Erfahrung gemacht habe, dass ich einige Kunden gehabt habe, die an Covid erkrankt sind und symptomfrei waren, was ohne Testung niemals rausgekommen wäre, die dann einfach weiter gelebt hätten und womöglich viele andere Leute angesteckt hätten.“ Der 38-Jährige ist seit 2008 selbstständig mit seinem Salon „Haare&Wohlfühlen“ in der Sulzbacher Straße in Backnang, seit zwei Jahren am neuen Standort neben dem Media-Markt.

Am vergangenen Samstag hatte der 38-Jährige, der in Murrhardt aufgewachsen ist, begonnen, seine Kunden über die geänderten Vorschriften zu informieren. „Die erste Reaktion war Entsetzen und Ablehnung“, sagt Manhalter. „Im ersten Moment wurden über 70 Prozent der Termine abgesagt.“ Aber schon am Montag habe sich dieser Wert relativiert, denn einige Kunden haben sich nochmals gemeldet, haben gesagt, sie hätten das mit dem Test organisiert und sie würden gerne, wenn der Termin noch frei ist, doch kommen. Effektiv habe dann der Ausfall am Dienstag 50 Prozent betragen. Den Rest der Woche musste der Friseurmeister, der den Salon allein betreibt, auf ein bis drei Kunden pro Tag verzichten.

Am Mittwoch hatte Manhalter erstmals eine Kundin, die im Januar an Covid erkrankt war, die wieder gesund ist, ein entsprechendes ärztliches Attest vorzeigen konnte und somit von der Testpflicht befreit war beziehungsweise ist. Der 38-Jährige erinnert sich an Kunden, die er im Mai hatte, die gesagt hätten, dass sie niemals mit Maske zum Friseur gehen würden, sie würden lieber warten, bis man wieder keine Maske bräuchte. „Das ist heute indiskutabel, heute geht man mit einer Maske zum Friseur. Vielleicht wird’s bald auch so sein, dass das mit dem Testen so ist. Das ist jetzt neu, Aufschrei erst mal groß, wird sich vielleicht einpendeln“, hofft Manhalter. Und mehr noch: „Vielleicht kriegt man dadurch auch noch mehr Freiheiten und kann dann auch mal wieder essen gehen im Restaurant. Vielleicht ist das eine Vorstufe davon, dass man sagen kann: Ich bin heute negativ, ich kann in ein Lokal oder ins Kino gehen oder ich kann an anderen Aktivitäten wieder teilnehmen, die das Leben ja auch ein bisschen lebenswert machen.“ Wenn da das Testen ein Baustein dazu wäre, dann sei das eine gute Sache.

„Bei mir springen gar nicht so viele Kunden ab“, freut sich Jasmina McKie. Die selbstständige Friseurmeisterin, die ihren Hairstyling-Salon allein in der Backnanger Uhlandstraße betreibt, beziffert die Anzahl der Absagen auf zehn Prozent, „wenn überhaupt“. Vom Grundsatz her findet die 42-Jährige den Schnelltest gut, denn er diene ja der eigenen Sicherheit und der anderer Leute. Sie hofft aber auch, dass es keine dauerhafte Forderung ist. McKie ist enttäuscht von den Leuten, die den Test strikt ablehnen. Sie findet auch nicht alles toll, was die Politik beschließt, aber wenn man Termine absage, schneide man den Friseuren ins Fleisch.

Planungssicherheit gefordert

Die aktuelle Anpassung der Coronaverordnung stellt Friseurbetriebe vor große Herausforderungen: Kunden müssen bei Friseurbesuchen entweder einen Nachweis eines negativen Covid-19-Schnelltests, der nicht älter sein darf als 24 Stunden, oder einer Impfdokumentation oder einer bestätigten Infektion vorlegen. Die Tests müssen laut Landesregierung/Sozialministerium in offiziellen Teststellen/Testzentren vorgenommen werden.

Die Handwerkskammer fordert Planungssicherheit für Friseurbetriebe. „Für die zirka 3020 Friseurbetriebe aus dem Bezirk der Handwerkskammer Region Stuttgart bedeutet das eine enorme Belastung“, warnt Hauptgeschäftsführer Thomas Hoefling. Die Coronaverordnung des werfe viele Fragen auf, die die Mitarbeiter an den Servicetelefonen der Handwerkskammer abfangen müssen. „Interpretationsspielraum besteht beispielsweise hinsichtlich der Testung von Kindern, die eine Friseurdienstleistung in Anspruch nehmen, oder des notwendigen Nachweises der Schnelltests“, so Hoefling. In Gesprächen mit dem Sozialministerium setze sich das Handwerk dafür ein, dass diese Unsicherheiten schnellstmöglich ausgeräumt werden.

Weitere Informationen findet man unter: www.hwk-stuttgart.de/friseure

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Erstellt:
24. April 2021, 06:00 Uhr

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