Corona: Drei Euro und mehr für den Bürgertest

Von heute an sind Coronaschnelltests nicht mehr kostenfrei. Mindestens drei Euro müssen symptomfreie Bürgerinnen und Bürger bezahlen, wenn sie sich testen lassen wollen. Kurz vor der Umstellung wissen die Anbieter selbst noch nicht, wie die Abrechnung konkret ablaufen soll.

Steffen Haerer (links) und Arijan Karacic leiten die Teststation „am Tante Emma“ in Backnang. Dort werden momentan täglich rund 40 Schnelltests ausgeführt. Doch schon heute könnte die Anzahl zurückgehen, da die Tests nicht mehr kostenlos sind.  Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Steffen Haerer (links) und Arijan Karacic leiten die Teststation „am Tante Emma“ in Backnang. Dort werden momentan täglich rund 40 Schnelltests ausgeführt. Doch schon heute könnte die Anzahl zurückgehen, da die Tests nicht mehr kostenlos sind. Foto: Tobias Sellmaier

Von Melanie Maier

Rems-Murr. Wegen der angespannten Haushaltslage der Bundesrepublik sollen Schnelltests von heute an von den Bürgerinnen und den Bürgern mitfinanziert werden. Mindestens drei Euro Eigenbeteiligung werden ab morgen pro Schnelltest fällig. Nur Risikogruppen sind von der Zuzahlung befreit (siehe Infokasten). Das hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schon Ende der vergangenen Woche verkündigt – mehr Informationen dazu haben selbst die Anbieter von Schnelltests bisher allerdings nicht erhalten. Die aktualisierte Coronatestverordnung liegt noch nicht vor (Stand Mittwoch). Wie genau die Abrechnung vonstatten gehen soll und welche Nachweise eingeholt werden müssen, das wissen die Betreiber der Teststationen noch nicht.

Testzentren haben noch keine Informationen

„Wir haben im Moment noch absolut keine Informationen von städtischer Seite“, sagt Stefanie Gebhardt, Stationsleiterin der Firma Minessa Medical in Backnang. „Wir müssen abwarten.“ Bis jetzt habe sie die Planung nicht umgestellt, alles laufe weiter wie bisher. Die Teststation in Backnang sei momentan zwar nicht mehr ganz so stark frequentiert wie noch vor Kurzem, das führt Gebhardt aber auf den Standortwechsel von der Grabenstraße vor die Volksbank zurück. Vorher seien zirka 90 Tests pro Tag durchgeführt worden, jetzt seien es noch 30 bis 40 täglich. Gebhardt geht davon aus, dass die Zuzahlung daran nicht viel ändern wird. „Ich denke, es wird einen überschaubaren Rückgang geben.“

Dass die Mehrheit derjenigen, die sich testen lassen möchten, nicht nur drei Euro, sondern mehr bezahlen muss, lässt eine Pressemitteilung des Apothekerverbands vermuten. Darin steht, den testenden Einrichtungen werde vom Bund die Kontrollaufgabe zugewiesen, die anspruchsberechtigten Gruppen von denen mit Eigenbeteiligung und den Vollzahlern zu unterscheiden. Personen, die sich anlassfrei auf eine Infektion testen lassen möchten, müssen demnach vermutlich mit höheren Preisen rechnen. Auch deshalb bemängeln der Apothekerverband und der Deutsche Hausärzteverband die Regelung (siehe Infokasten).

Weitere Kritik an der neuen Testverordnung

Landrat Richard Sigel schließt sich der Kritik an. „Was mich an der neuen Testverordnung stört, ist, dass wieder einmal ein Bürokratiechaos droht. Unterschiedliche Kategorien von befreiten Personengruppen und schwer zu erbringende Nachweise sorgen bei mir und meinem Team mit Blick auf die praktische Abwicklung der Tests für Skepsis“, sagt er. „Einige Regelungen der neuen Verordnung könnten sich nach unserer Erfahrung als nicht praxistauglich erweisen.“ Dazu komme ein weiteres Déjà-vu: „Die neuen Regelungen stehen wieder einmal erst kurz vor dem Start fest. Das erschwert den Teststellen die Vorbereitung auf die Umsetzung und sorgt dann auch für Unmut der Nutzer.“

„Wir sind es ja schon gewohnt“, kommentiert Aileen Häberle die kurzfristigen Anordnungen des Bundes. Häberle ist Geschäftsführerin der Firma Kaiserberg International Trading, die unter anderem eine Teststation am Edeka in Backnang und eine am Rewe in Oppenweiler betreibt. „Herr Lauterbach hat ja gesagt, dass die Tests dann auch qualitativ angepasst werden sollen, aber auch da warten wir noch auf Infos“, fügt sie hinzu. Änderungen am Ablauf oder an den Bestellungen neuer Tests wird Häberle vorerst nicht vornehmen. Falls die Nachfrage sinken sollte, werde sie die Öffnungszeiten anpassen. „Das ist die einzige Konsequenz, die wir ziehen“, sagt sie. Durchschnittlich 40 Personen je Teststation kann sie momentan verzeichnen, zu Höchstzeiten waren es gut 200.

Es könnten sich weniger Leute testen

Auch Steffen Haerer, der die Testzentren neben dem Café Tante Emma in Backnang und am Maubacher Bahnhof leitet, hat vor, die Öffnungszeiten, falls es notwendig wird, anzupassen. Die Station in Maubach soll gegebenenfalls später als um 6 Uhr öffnen, wie es derzeit der Fall ist, die in der Backnanger Innenstadt könnte von 13 bis 16 Uhr eine Mittagspause einlegen. Im Moment ist sie noch durchgängig offen. Haerer rechnet mit einem kleinen Rückgang der Nachfrage. „Die Leute werden es sich bestimmt zweimal überlegen, ob sie einen Termin wahrnehmen oder nicht – das ist doch immer so, wenn etwas kostet, auch wenn es nur ein Euro ist.“

Mounir Touma, der Betreiber des Testzentrums neben dem Aspacher Rathaus, geht dagegen allenfalls von einem kleinen Rückgang aus. „Dadurch, dass es in Aspach keine andere Möglichkeit mehr gibt, sich testen zu lassen, werden die Kunden weiterhin zu uns kommen“, ist er sich sicher.

Mounir Touma kennt seine Kundschaft

Er öffnete seine Teststation im Februar dieses Jahres. Ursprünglich war sie vor allem für Kindergartenkinder gedacht, denn auch Touma musste seine eigene Tochter immer zum Testen nach Backnang fahren, bevor er sie in den Kindergarten brachte. Tatsächlich seien etwa 70 Prozent der Kundinnen und Kunden ältere Menschen, vor allem Pflegeheim- und Altenheimbesucher. Daher bereitet es Touma keine Sorgen, dass er womöglich überprüfen muss, wer von der Eigenbeteiligung ausgenommen ist: „Ich kenne die meisten meiner Kunden.“

Wegen der steigenden Infektionszahlen würde gerade wieder mehr getestet, fügt er an. Tatsächlich wäre es Touma lieber, wenn dem nicht so wäre. In dem Gebäude, in dem seine Teststation sich befindet, möchte er eigentlich ein Eiscafé eröffnen, die Genehmigung hat er schon. „Die Teststation wird aber so lange offen bleiben, bis die Nachfrage nachlässt“, versichert er. Das Eiscafé muss wohl bis zur Eissaison 2023 warten.

Von der Zuzahlung befreite Gruppen und Kritik an der neuen Regelung

Ausnahmen Besonders vulnerable Personengruppen haben weiterhin Anspruch auf kostenfreie Schnelltests. Dazu gehören Kinder bis fünf Jahre, Frauen zu Beginn der Schwangerschaft sowie Besucherinnen und Besucher von Kliniken und Pflegeheimen. Die Bundesländer haben die Möglichkeit, die Eigenbeteiligung von drei Euro für weitere Gruppen zu übernehmen.

Zuzahlung Drei Euro Eigenbeteiligung sollen die Tests voraussichtlich für einige weitere Personengruppen kosten, darunter beispielsweise diejenigen, die in der Corona-Warn-App ein erhöhtes Risiko angezeigt bekommen. Für alle weiteren Personen dürften die Kosten höher liegen.

Kritik Der Deutsche Hausärzteverband hat die neue Zuzahlungsregel kritisiert. Der Vorsitzende Ulrich Weigeldt nennt die Pläne „ein Bürokratiemonster mit zum Teil haarsträubenden Regelungen“. Es sei nicht Aufgabe der Praxisteams, zu kontrollieren, ob jemand anspruchsberechtigt sei. Weigeldt befürchtet, dass es zu einem vermehrten Aufwand, vielen Nachfragen und Unklarheiten kommt. Auch der Apothekerverband kritisiert die neue Testverordnung. Verbandspräsidentin Tatjana Zambo erklärt: „Es steht zu befürchten, dass sich viele Menschen angesichts der ohnehin durch hohe Energie- und Lebensmittelpreise belasteten Geldbörsen gar nicht mehr testen lassen. Mit dieser Entscheidung verabschiedet sich der Bund de facto aus der bislang erfolgreichen Teststrategie und vernichtet das gut etablierte und wirkungsvolle Kontrollsystem zur Früherkennung des Infektionsgeschehens.“

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Erstellt:
30. Juni 2022, 06:00 Uhr

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