Corona-Therapieplätze in Oberneustetten?

Landratsamt prüft zurzeit mehrere Liegenschaften zur Unterbringung Betroffener mit leichten Beschwerden

Vor-Ort-Termin in Murrhardt-Oberneustetten (von links): Kreisbrandmeister René Wauro, DRK-Kreisgeschäftsführer Sven Knödler, Stefan Gräter (Klinikum Winnenden), Kliniken-Geschäftsführer Marc Nickel, Landrat Richard Sigel und der Corona-Krisenstabsleiter, Baudezernent Stefan Hein. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Vor-Ort-Termin in Murrhardt-Oberneustetten (von links): Kreisbrandmeister René Wauro, DRK-Kreisgeschäftsführer Sven Knödler, Stefan Gräter (Klinikum Winnenden), Kliniken-Geschäftsführer Marc Nickel, Landrat Richard Sigel und der Corona-Krisenstabsleiter, Baudezernent Stefan Hein. Foto: J. Fiedler

Von Armin Fechter

MURRHARDT/WAIBLINGEN. Der Landkreis sucht nach Möglichkeiten, die Kliniken in Sachen Corona zu entlasten und Therapieplätze zu schaffen. Er prüft dazu mehrere Liegenschaften, die für ein Therapiezentrum infrage kommen. Eine davon ist das frühere Pflegeheim in Oberneustetten. Gestern haben Landrat Richard Sigel und Vertreter des Rettungsdienstes das Gebäude in Augenschein genommen, das bereits in der Flüchtlingskrise als Unterkunft diente. Wie die Pressesprecherin des Landratsamts, Martina Keck, erläutert, ist an die Unterbringung von Corona-Betroffenen gedacht, die isoliert, aber nicht in der Klinik intensiv behandelt werden müssen.

„Wir müssen schnell, geschlossen und angemessen auf die dynamische Lage reagieren“, erklärt Sigel. Angesichts steigender Fallzahlen könnte es nötig sein, ein zusätzliches Therapiezentrum für Corona-Patienten zu schaffen, um die Rems-Murr-Kliniken stationär zu entlasten. Patienten mit leichten Beschwerden, die aber medizinisch versorgt werden müssen, könnten so stationär ärztlich betreut werden. Schwer erkrankte Patienten sollen aber nach wie vor in den Rems-Murr-Kliniken behandelt werden.

Damit will sich der Landkreis wappnen für den Fall, dass die Krankenhausbetten – wie aktuell in manchen Nachbarländern – knapp werden. Sigel weiter: „Uns war zudem wichtig, die Versorgung des gesamten Landkreises im Blick zu haben. Daher richten wir unseren Blick bewusst zuallererst auf den Backnanger Raum, um Reservekapazitäten zu schaffen – eng verzahnt mit den Rems-Murr-Kliniken und abgestimmt mit dem Rettungsdienst.“ Eine solche potenzielle Unterkunft müsse sich aber optimal für den besonderen Zweck eignen.

Im Kreis sei, so der Landrat, eine große Hilfsbereitschaft zu spüren. Mehrere Hoteliers hätten ihre Häuser als Therapiezentrum angeboten. Auch von Banken und aus der Bürgerschaft habe es konkrete Unterstützungsangebote gegeben. Sigel: „Wir sind dankbar, dass dieses Netzwerk auch in Krisenzeiten trägt.“

Aus Gründen der Hygiene – die Räume müssen beispielsweise, wie Pressesprecherin Keck erläutert, leicht zu desinfizieren sein – wäre auch eine frühere Pflegeeinrichtung geeignet. Vor diesem Hintergrund gab es den Vor-Ort-Termin in dem Murrhardter Teilort. Vorab war dies mit der Stadt Murrhardt und einem Vertreter der Bürgerschaft in Oberneustetten abgestimmt worden. Das frühere Pflegeheim ist nun, wie das Landratsamt mitteilt, eine von mehreren Optionen.

Medizinisch seien die Rems-Murr-Kliniken auf einen Anstieg der Fallzahlen vorbereitet, erklärt Geschäftsführer Marc Nickel: „Wir verfügen in Schorndorf und Winnenden zusammengenommen über 32 Beatmungsplätze.“ Die Kapazitäten für schwer erkrankte Patienten sollen aber rasch weiter ausgebaut werden, kündigt er an. An beiden Standorten seien abgetrennte Stationen eingerichtet worden, wie vom Robert-Koch-Institut (RKI) empfohlen. Zudem wurde veranlasst, dass geplante Operationen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, um Platz für Corona-Patienten zu schaffen. Alle in Schorndorf oder Winnenden eingelieferten Notfälle würden aber weiterhin mit der gleichen Priorität behandelt wie bisher. Die medizinische Versorgung und die Notfallversorgung seien, so Nickel, weiterhin sichergestellt.

Die Rems-Murr-Kliniken lehnen sich bei ihren Planungen an den Pandemieplan für Krankenhäuser des Sozialministeriums Baden-Württemberg an. Danach sind die Kliniken nicht mehr in der sogenannten „Containment-Phase“ (Eindämmung), sondern bereits in der „Protection-Phase“ (Schutzphase). Auch werde mit Hochdruck daran gearbeitet, eigene Laborkapazitäten zu schaffen, um Abstriche vor Ort auf das Virus zu prüfen. Derzeit gebe es aber Lieferengpässe bei den Drittanbietern der Analysegeräte. Wegen Engpässen der Labordienstleister komme es zudem zu Wartezeiten bei den Ergebnissen von mehreren Tagen.

Das am 4. März eingerichtete Testzentrum Corona an der Klinik in Schorndorf hat inzwischen 646 Abstriche gemacht. Drei diensthabende Ärzte kümmern sich um die Betroffenen. Der administrative Prozess wurde vereinfacht: Bisher wurden negative Testergebnisse über den Hausarzt oder das Gesundheitsamt mitgeteilt. Das hat zu zahlreichen Beschwerden wegen verzögerter Benachrichtigung geführt. Deshalb wurde die Abwicklung neu organisiert. In Zukunft informiert das Testzentrum sowohl über positive als auch über negative Testergebnisse direkt.

Die Hausarztpraxen im Landkreis und das Gesundheitsamt werden derzeit, wie das Landratsamt weiter informiert, von telefonischen Anfragen überrannt. Daher wurde der dringende Appell erneuert, dass sich zum Schutz aller nur die Patienten an die Hausärzte oder das Gesundheitsamt wenden sollen, die Kontaktperson eines Corona-Erkrankten waren oder im Risikogebiet waren und überdies auch akute Beschwerden haben.

Das Landratsamt weitet ab Mittwochnachmittag die Kapazitäten der Corona-Hotline (07151/501-3000) aus: Unter der Woche stehen von 8 bis 17 Uhr zusätzliche Leitungen und mehr Mitarbeiter zur Verfügung. Außerdem wird für Notfälle eine Erreichbarkeit am Wochenende eingerichtet: Die Hotline ist dann samstags und sonntags jeweils von 10 bis 14 Uhr erreichbar. Das Landratsamt bittet darum, dass sich Anrufer vorab auf www.rems-murr-kreis.de informieren, wo tagesaktuell Antworten auf die wichtigsten Fragen bereitgestellt werden.

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Erstellt:
19. März 2020, 06:00 Uhr

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