Coronahotline des Kreises: „Manchmal flossen Tränen“

Das Interview: Seit etwa 16 Monaten ist die Hotline des Rems-Murr-Kreises für Fragen rund um die Coronapandemie geöffnet. Gesundheitsdezernent Peter Zaar und Hotline-Mitarbeiterin Patricia Alexander-Joos berichten von ihren Erfahrungen.

Patricia Alexander-Joos und Peter Zaar haben in Sachen Coronahotline einiges erlebt. Foto: B. Büttner

Patricia Alexander-Joos und Peter Zaar haben in Sachen Coronahotline einiges erlebt. Foto: B. Büttner

Rems-Murr. Der Umgang mit Covid-19 warf in der Bevölkerung viele Fragen auf. Das Gesundheitsamt Rems-Murr versucht dem mit einer speziell zu diesem Thema eingerichteten Bürgerhotline gerecht zu werden. In den etwa 16 Monaten Laufzeit hat sich einiges getan, davon berichten Gesundheitsdezernent Peter Zaar und Hotline-Mitarbeiterin Patricia Alexander-Joos.

Mitte März 2020 hat der Landkreis die Coronahotline eingerichtet. Was hat Sie damals dazu bewogen?

Zaar: Wir hatten da schon wahnsinnig viele Anrufe von Bürgerinnen und Bürgern und früh festgestellt, dass das Informationsbedürfnis so groß ist, dass es durch die normalen Strukturen gar nicht abzubilden ist. Wir sind immer bemüht, dienstleistungsorientiert für die Menschen da zu sein. Deshalb haben wir mehr Kräfte zur Verfügung gestellt.

Nach welchen Kriterien hat man die Mitarbeiter dafür ausgewählt? Sprich, wer ist da eingesetzt worden?

Zaar: Es war ein Gemeinschaftswerk, alle haben mitgemacht. Wir zwingen natürlich keinen, sondern fragen, wer Interesse hat. Und da war die Bereitschaft zum Glück sehr groß bei uns im Haus. Dann hat man eben aus den Kollegen, die sich gemeldet haben, ausgewählt und hat es auch so gestaltet, dass diese nicht jeden Tag acht Stunden am Telefon waren. Schließlich waren die Gespräche angesichts der Pandemie sehr intensiv und nicht immer einfach. Dadurch kommt es eben auch zu dieser sehr großen Zahl an Mitarbeitern, die eben immer wieder getauscht haben.

Frau Alexander-Joos, wie sind Sie zur Hotline gekommen?

Alexander-Joos: Mein Arbeitgeber, die Kreissparkasse, hat beschlossen, ein paar Mitarbeiter für die Coronahotline freizustellen.

Wie wurden denn die Mitarbeiter auf diese Arbeit bei der Hotline vorbereitet?

Zaar: Ein bisschen war es „Learning by Doing“. Wir haben in diesem großen Raum mehrere Kollegen im Einsatz gehabt, die sich gegenseitig fragen konnten. Es war ein Mix zwischen erfahrenen Kräften, die das schon länger gemacht haben, und Mitarbeitern, die neu in das Team eingelernt wurden. Es gab dann auch täglich Updates, weil die Gesetzeslage sich immer sehr schnell verändert hat. Insofern war das ein sehr kommunikativer Prozess.

Alexander-Joos: Uns hat eine Mitarbeiterin der Personalabteilung eingewiesen und sie hat uns auch Infos dazu an die Hand gegeben, was gefragt werden könnte. Alles andere hat man dann unter den Kollegen besprochen.

Sie sind schon neun Monate dabei. Da erlebt man sicher einiges. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Alexander-Joos: Es war ja sehr, sehr emotional. Wenn ältere Leute angerufen haben, die Angst hatten vor der Quarantäne, vor Corona, davor, dass die Familie nicht mehr vorbeikommen darf. Das waren natürlich sehr zeitintensive Gespräche. Die Zeit hat man sich dann aber auch genommen und geschaut, was wir machen können und wie wir sie wieder beruhigen können. Auf der anderen Seite gab es auch viele Lacher.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Alexander-Joos: Da war zum Beispiel ein Mann, der für seine Kinder ein Paddelboot gekauft hat und fragen wollte, ob er damit auf die Rems darf. Wir hätten auch hier für die Führerscheinstelle und die Zulassungsstelle Termine ausmachen können. Auch diese Leute sind bei uns aufgeschlagen. Das waren zum Teil sehr nette Situationen.

Was waren die meistgestellten Fragen?

Alexander-Joos: Das war immer von der Inzidenz und dem Geschehen abhängig. Wenn die Zahlen hochgegangen sind oder neue Verordnungen herausgekommen sind, gab es dazu viele Nachfragen. Von verschiedenen Seiten: ob der Betreiber einer Wirtschaft oder eines Hotels oder auch ein Arzt. Die haben alle hier angerufen. Manchmal waren es positiv Getestete, die nicht wussten, was sie machen müssen. Dann wollten manche wissen, ob sie noch eine Maske tragen müssen.

Zaar: Die Fragen haben sich fast täglich gewandelt. Es war irre, wie schnell sich die Dinge geändert haben. Im Moment ist wieder Ferienzeit, da stehen insbesondere Fragen zu Reisen auf der Tagesordnung.

Gab es denn Fälle, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Alexander-Joos: Ja, zum Beispiel ein Obdachloser aus Fellbach, der positiv getestet wurde und nicht weiterwusste. Er hatte keine Bleibe, um sich in Quarantäne zu begeben. In Zusammenarbeit mit der Stadt Fellbach haben wir einen Platz für ihn gesucht. Dann war das Problem, dass er niemanden hatte, der sich um seinen Hund kümmert. Auch das haben wir lösen können. Er war darüber total glücklich und hat sich überschwänglich bedankt. Solche Fälle ziehen sich über ein paar Tage und hinterlassen Spuren.

Wie haben Sie denn die Stimmung der Anrufer wahrgenommen?

Alexander-Joos: Eigentlich querbeet, teils aggressiv, teils freundlich. Da flossen auch manchmal Tränen bei den Anrufern, weil sie mit der Situation nicht klarkamen. Letzte Woche hat eine junge Frau angerufen, die ein Baby hat und auf ihr Au-pair-Mädchen aus Brasilien wartet, weil sie im September eine Ausbildung anfängt. Sie war total fertig. Für solche Gespräche hat jeder sich Zeit genommen .

Nun geht die Hotline in den Sommermodus. Warum?

Zaar: Es wird weiter eine Besetzung geben, die wir aber relativ schlank halten. Aus den Erfahrungen des letzten Jahres war während der Sommerferien wenig los. Außerdem sind die Fragen der Anrufer meistens nicht mehr kreisspezifisch. Es gibt schließlich auch immer noch die Landeshotline, die man anrufen kann, und auf unserer Homepage finden sich zudem tagesaktuell die wesentlichen Infos.

Welche Bilanz ziehen sie aus der bisherigen Laufzeit der Hotline?

Zaar: Allein die Zahl der Anrufe – 45000 seit April 2020 – bestätigt, dass das ein wichtiges Angebot war. Das waren 45000 Menschen, die Sorgen, Nöte und Fragen hatten. Es war wichtig, dass man in solchen Situationen kompetente Ansprechpartner hatte. Wir hatten auch viele Anrufe aus benachbarten Kreisen. Insofern scheinen wir da doch ein ganz gutes Angebot zu haben, da wurde gute Arbeit geleistet.

Alexander-Joos: Es hat mir Spaß gemacht, auch wenn die Umstände nicht so erfreulich waren. Es war emotional, aber es war sehr schön. Und ich würde es auch wieder machen. Wir waren ein tolles Team und haben auch viel Unterstützung im Hintergrund erfahren. Dafür meinen herzlichen Dank. Viele Bürger haben sich nach dem Gespräch bedankt und einem alles Gute gewünscht. Das hat einen bestätigt in der Arbeit.

Das Gespräch führte Lorena Greppo.

In der Hochphase waren es 2000 Anrufe am Tag

Sommermodus Weil das Aufkommen an Anrufen in den Sommermonaten stark zurückgeht, geht die Coronahotline des Rems-Murr-Kreises in den Sommermodus. Für kreisspezifische Fragen ist sie weiterhin Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr unter 07151/5013000 erreichbar, ab August aber nur noch mit einer Leitung. Für allgemeine Fragen ist die Coronahotline des Landes unter der Nummer 0711/90439555 von Montag bis Sonntag von 8 bis 22 Uhr erreichbar . Zudem finden sich tagesaktuelle Informationen unter www.rems-murr-kreis.de.

Aufkommen Seit April 2020 hat der Landkreis etwa 45000 Anrufe über die Coronahotline verzeichnet. In der Hochphase waren es bis zu 2000 Anrufe am Tag. Insgesamt waren 39 Mitarbeiter im Einsatz, 31 von ihnen sind Angestellte des Landkreises – sie wurden aus anderen Ämtern abgezogen, unter anderem aus dem Baurechtsamt, dem Straßenbauamt und dem Jugendamt –, hinzu kommen acht externe Kräfte. Sie haben die große Masse der Anrufe abgearbeitet und so dem medizinischen Personal den Rücken freigehalten. Das Aufkommen war laut Zaar sehr unterschiedlich, „von absoluter Überlastung bis Langeweile“. Für die Hotline wurden bis zu zehn Leitungen freigeschaltet.

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Erstellt:
24. Juli 2021, 06:00 Uhr

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