Damit Wasser nicht zur Todesfalle wird

Der Trend, dass immer mehr Kinder nicht schwimmen können, hat sich durch die Pandemie noch verstärkt. Schwimmunterricht und Schwimmkurse sind ausgefallen, die Hallen- und Freibäder waren lange Zeit geschlossen.

Fachleute befürchten eine Zunahme von Badeunfällen. Die Schwimmschule der TSG Backnang im Wonnemar möchte das verhindern. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Fachleute befürchten eine Zunahme von Badeunfällen. Die Schwimmschule der TSG Backnang im Wonnemar möchte das verhindern. Foto: A. Becher

Von Annette Hohnerlein

BACKNANG. Endlich, der Sommer ist da, die Freibäder sind offen, der Sprung in die kühlen Fluten ist eine wunderbare Abkühlung. Gleichzeitig mehren sich, wie immer zu Beginn der Saison, die Meldungen über Badeunfälle. Vor allem in Seen und Flüssen kommen immer wieder Menschen ums Leben, die die Gefahr unter- oder sich selbst überschätzt haben. 378 Badetote meldet die DLRG für 2020. Gut möglich, dass es in diesem Jahr noch mehr gefährliche Zwischenfälle am Wasser gibt. Denn die Zahl der Nichtschwimmer unter Kindern hat zugenommen, weil der Schwimmunterricht für Schüler in diesem und im vergangenen Jahr pandemiebedingt zu großen Teilen ausfiel, ebenso wie die Kurse in Vereinen.

Sabine Kerber, die bei der DLRG Backnang Schwimmkurse für Kinder ab sechs Jahren gibt, hat festgestellt: „Schon vor Corona gab es immer mehr Kinder, die noch nie ein Schwimmbad besucht haben. Das macht die Wassergewöhnung schwierig.“

Als Kerber kürzlich wieder mit den Schwimmkursen im Wonnemar beginnen konnte, bemerkte sie, was die mehr als einjährige Pause mit ihren Schwimmschülern gemacht hatte: „Da ist einiges an Schwimmfähigkeit und Ausdauer verloren gegangen.“ Den Eltern macht sie keinen Vorwurf: „Wo hätten sie mit ihren Kindern üben können? In der Badewanne kann man nicht schwimmen lernen.“ Prinzipiell rät die Rettungsschwimmerin den Eltern, sich am Wasser immer in der Nähe ihrer Kinder aufzuhalten und sie ständig im Auge zu behalten. Zwar fänden die meisten Badeunfälle an unbewachten Flüssen und Seen statt, aber auch die Anwesenheit einer Badeaufsicht sei kein Freibrief für Leichtsinn: „Wenn der Badesee voll ist, kann man nicht alle im Auge behalten.“

Kathrin Bartsch ist bei der TSG Backnang für die Schwimmschule zuständig. Als die Kurse noch stattfanden, tummelten sich dienstagabends rund 100 Kinder in den Becken des Wonnemars, aufgeteilt in verschiedene Gruppen. Seit dem Beginn des ersten Lockdowns im März vergangenen Jahres ging fast nichts mehr in Sachen Schwimmkurs. Mit dem Rückgang der Infektionszahlen können die Kurse inzwischen wieder stattfinden. Allerdings ist die Zahl der Kinder auf zehn pro Bahn, also insgesamt 60, begrenzt. Und de facto sind es deutlich weniger, denn im Moment ist nur das Schwimmer-, nicht aber das Nichtschwimmerbecken gefüllt, sodass nur diejenigen Kinder zum Kurs kommen können, die schon einigermaßen „seetüchtig“ sind. Das alles führt dazu, dass die Warteliste der TSG-Schwimmschule lang und länger wird. „Wir arbeiten jetzt die Kinder aus den vergangenen Jahren ab. Für jeden, der einen Schwimmkurs sucht, wird es schwierig“, bedauert Bartsch. Zumal sie festgestellt hat, dass es nicht ideal ist, wenn Eltern ihren Kindern selbst das Schwimmen beibringen. Sie wünscht sich, dass möglichst bald das Nichtschwimmerbecken im Wonnemar wieder in Betrieb geht. Bis es so weit ist, weichen sie und ihre Kollegen von der TSG mit ihren Kursen in die Lehrschwimmbecken an den Schulen in Großaspach und Unterweissach aus.

Einer, der sich auf politischer Ebene für den Sport- und Schwimmunterricht an Schulen starkmacht, ist der Landtagsabgeordnete und sportpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Gernot Gruber. Ende 2019 richtete er eine Anfrage an die Landesregierung, wie es mit dem Schwimmenlernen an den Schulen im Rems-Murr-Kreis aussieht. Die Übersicht ergab, dass nur etwas mehr als zwei Drittel der Grundschulen Schwimmunterricht anbieten. „Die schlechte Schwimmfähigkeit der Kinder war vor Corona schon ein Problem“, merkt der Politiker an. „Jetzt sind Defizite da, die es aufzuholen gilt.“

Am 12. Mai dieses Jahres richtete er deshalb im Namen seiner Fraktion einen Antrag an den Landtag. Dieser solle unter anderem darauf hinwirken, dass die grün-schwarze Landesregierung ein gesondertes Budget für Übungsleiter und Trainer einrichtet, die aus den Vereinen zum Schwimm- und Sportunterricht an die Schulen kommen. „Der Sport bietet viele Vorteile, Schwimmen aber ist lebenswichtig“, schreibt Gruber in einer Stellungnahme zu seiner Initiative.

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Erstellt:
1. Juli 2021, 16:00 Uhr

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