„Das ist zumindest ein Anfang“

Seit Montag dürfen kleinere Geschäfte wieder öffnen – Ladenbesitzer und Kundschaft freuen sich über die Entwicklung

Nach wochenlangen Schließungen durften die ersten Geschäfte gestern unter bestimmten Hygienevorschriften wieder öffnen. Das haben viele Stammkunden zwar zum Einkaufen genutzt, doch insgesamt war in den Läden der Backnanger Innenstadt doch vergleichsweise wenig los.

In der Buchhandlung Kreutzmann wird nun mit Mundschutz gearbeitet. Kleinere Läden in der Innenstadt haben seit gestern wieder geöffnet. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

In der Buchhandlung Kreutzmann wird nun mit Mundschutz gearbeitet. Kleinere Läden in der Innenstadt haben seit gestern wieder geöffnet. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Bücherauslagen stehen vor der Buchhandlung, Kleidungsständer vor Modegeschäften, ein Straßenmusiker spielt auf seinem Akkordeon, und Menschen laufen mit einem Eis durch die Innenstadt. Nach wochenlangen Schließungen erinnert die Schillerstraße gestern schon fast wieder an die Zeit vor Corona, denn seit Montag dürfen kleinere Geschäfte wieder öffnen. Nur hin und wieder sieht man Menschen mit Mundschutz durch die Stadt eilen.

„In der Stadt ist heute auf jeden Fall wieder mehr los“, sagt Marta Hartusch vom Weltladen Backnang. Das Geschäft darf jetzt auch wieder Kleidung und Accessoires verkaufen. Ein wichtiger Schritt, der vor allem etwas Erleichterung bringt. „Wir können die Kollektionen ja nicht einfach wieder zurückschicken“, sagt Hartusch. „Jetzt haben wir wieder die Möglichkeit, die Produzenten in anderen Ländern zu unterstützen, die wirtschaftlich nicht so gut aufgefangen werden wie wir hier.“ Doch obwohl schon der ein oder andere Kunde da war, bleiben viele Stammkunden weiterhin aus. Vor allem ihre ältere Kundschaft werde wohl auch weiterhin Zuhause bleiben, vermutet Hartusch. Für diese bietet sie auch weiterhin einen Lieferservice an.

Anders beim Betten- und Wäschehaus Windmüller. Die ersten Kunden waren am Montag gleich ein älteres Ehepaar. „Ich musste sie immer wieder auf die Abstandsregeln hinweisen“, sagt der Betreiber Martin Windmüller. „Die wussten gar nicht, weshalb wir wochenlang geschlossen hatten. Aber ich denke, wir alle müssen uns erst an die neue Situation gewöhnen.“ Er freue sich auf jeden Fall, dass er sein Geschäft wieder öffnen kann, auch wenn zumindest am ersten Tag der Wiedereröffnung noch nicht allzu viele Kunden kamen. „Wir merken das auch an unserem Parkhaus. Unter normalen Umständen war es montagmorgens voll, heute war vielleicht die Hälfte der Parkplätze belegt.“

Und auch viele seiner Kunden seien erleichtert gewesen. „Es gibt eben auch dringende Bedarfe, die man nicht im Supermarkt decken kann“, sagt Windmüller. So erzählt er von einer Familie, die dringend ein Bett für die neue Pflegefachkraft im Haus gebraucht hat. Oder von dem Ehemann, der noch passende Nachtkleidung für seine Frau kaufen wollte, weil sie unerwarteterweise ins Krankenhaus musste.

„Einige Stammkunden waren da, insgesamt ist es aber sehr ruhig“

Auch bei der Buchhandlung Kreutzmann drücken die Kunden ihre Freude über die Wiedereröffnung deutlich aus. „Wir hatten eigentlich mit sehr wenig Kundschaft gerechnet, aber es ist doch das fast normale Geschäft“, sagt Bernhard Kreutzmann. „Viele Leute gehen eben doch gerne in einen Laden zum Einkaufen. Besonders nachdem man lange zu Hause bleiben musste.“ Die Buchhandlung musste vor der Eröffnung etwas umgebaut werden, um mehr Platz zu schaffen: Regale wurden entfernt, zum Teil umgestellt, und eine Scheibe wurde an der Kasse angebracht, damit die neuen Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden können. „Die Vorschriften kamen sehr kurzfristig, und es ist schon eine Umstellung. Aber wir freuen uns einfach, dass wir wider geöffnet haben.“

Auch Andrea Hailer vom Modegeschäft Ananas ist froh über die Lockerungen. „Einige Stammkunden waren schon da, aber insgesamt ist es doch sehr ruhig.“ Laufkundschaft sei schon vor der Coronakrise nicht allzu viel gekommen, dafür sei die Parksituation in der Backnanger Innenstadt zu schwierig. Aber auch viele Stammkunden seien noch vorsichtig und zögerlich, wieder ganz normal einkaufen zu gehen. „Da muss man sich jetzt erst wieder dran gewöhnen.“ Ob in den nächsten Tagen mehr Menschen zum Einkaufen kommen, kann sie schwer einschätzen. Schließlich sei auch zu bedenken, dass viele Leute gerade weniger Geld zu Verfügung haben.

Obwohl Cafés und Gaststätten weiterhin geschlossen bleiben müssen, ist seit heute zumindest eine Sache wieder erlaubt: der Straßenverkauf. Dadurch kann das Eiscafé Dolomiti nun wieder Eis über die Außentheke an Passanten verkaufen. „Das ist zumindest ein Anfang. Ein erster Schritt zur Normalität“, sagt Chefin Rosalia Moriello. Zwar lief auch der Abholservice, den das Eiscafé in den vergangenen Wochen angeboten hat, erstaunlich gut. Doch sie freue sich nun sehr über einen persönlichen Kontakt mit ihren Kunden. „Klar, man kann niemanden trösten und in den Arm nehmen, aber zumindest haben wir wieder persönlichen Kundenkontakt. Jetzt merkt man erst, was früher selbstverständlich war.“ Das würden auch viele ihrer Kunden ausdrücken, viele hätten gemerkt, was einem fehlt, wenn man sich nicht in einem Café mit Freunden treffen kann.

Trotz des guten Wetters verlief der erste Tag, an dem sie wieder Eis über die Theke verkaufen konnte, eher ruhig. Schlangen vor dem Cafe haben sich kaum gebildet. Ist es doch passiert, haben die Leute vorbildlich Abstand gehalten. „Ich sehe den Tag heute als Neuanfang“, sagt Moriello. Doch trotzdem macht sie sich Gedanken über die Zukunft. Der Straßenverkauf decke kaum die laufenden Kosten, doch eigentlich müsste sie sich jetzt Rücklagen für den Winter schaffen. „Den Straßenverkauf können wir höchstens bis Oktober machen, deshalb müssen wir jetzt vorarbeiten.“ Denn sie befürchtet, dass das Café für längere Zeit nicht normal geöffnet werden kann. „Mit Mundschutz in einem Café zu sitzen macht ja wenig Sinn, wenn man ihn zum Essen und Trinken abnehmen muss.“

Doch nicht alle Geschäfte können wieder öffnen. Liegt die Ladenfläche über 800 Quadratmetern, müssen die Türen vorerst verschlossen bleiben. Ausnahmen gibt es für Auto- und Fahrradhändler sowie für Baumärkte. Doch Einrichtungshäuser müssen zum Beispiel geschlossen bleiben. „Das ist Wettbewerbsverzerrung“, sagt Michael Föst, Betreiber von Opti-Wohnwelt in Backnang. „Dass Baumärkte öffnen dürfen und wir nicht, macht virologisch doch gar keinen Sinn.“ Dass er das Geschäft bis auf Weiteres nicht öffnen kann, war für ihn eine große Enttäuschung. „Baumärkte und Möbelhäuser sind sich sehr ähnlich, bei uns kann man die Abstandsregeln sogar leichter einhalten.“ Er hatte eigentlich mit einer positiven Nachricht gerechnet, weshalb die Hygienekonzepte bereits stehen, Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung stehen auch schon bereit.

Einrichtungshäuser bleiben unter Protest weiter geschlossen

Die Bundesregierung hat die 800-Quadratmeter-Regel damit begründet, dass so nur eine begrenzte Zahl von Läden öffnen kann und dementsprechend nur eine begrenzte Zahl an Menschen in die Innenstädte strömt. „Auch das macht keinen Sinn. Wo stehen denn Möbelhäuser für gewöhnlich? Außerhalb, nicht in den Innenstädten“, sagt Föst. Er hofft nun auf eine Ausnahmeregelung, wie sie in Nordrhein-Westfalen der Fall ist. Hier dürfen auch Möbelhäuser öffnen. „Aber hier im Süden fehlt uns eine Lobby, um diese Ausnahme durchzusetzen.“ Auch deshalb hat er selbst die Initiative ergriffen und einen Brief an die Stadt Backnang geschrieben, in dem er zumindest für einen weiteren verkaufsoffenen Sonntag im Herbst plädiert. Das könne zwar die momentanen Verluste nicht wett machen, wäre aber zumindest ein kleiner Anfang.

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Erstellt:
21. April 2020, 06:00 Uhr

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