Die App als Eintrittskarte

Seit Kurzem probieren Schulen und Unternehmen die App RMK-Cosima für beaufsichtigte Selbsttests aus. Mit ihr möchte das Landratsamt eine Lücke beim Thema Testen schließen. Die ersten Rückmeldungen sind durchweg positiv. Doch mit der neuesten Änderung der Coronaverordnung sind Unklarheiten aufgekommen.

RMK-Cosima ist im Google Play Store sowie im App Store verfügbar. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

RMK-Cosima ist im Google Play Store sowie im App Store verfügbar. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

BACKNANG. Mindestens zwei Infektionen mit dem Coronavirus hat die App RMK-Cosima bereits aufgedeckt und dadurch möglicherweise weitere Infektionen verhindert. Dabei ist die Anwendung des Landratsamts Rems-Murr, die kostenfrei im Google Play Store und im App Store verfügbar ist, aktuell noch in der Pilotphase. In dieser ersten Testphase geht es darum, herauszufinden, wo es noch hakt und wie etwaige Anwendungsschwierigkeiten beseitigt werden können.

Warum es neben der Corona-Warn-App und der Luca-App noch eine dritte Smartphone-Anwendung braucht, darauf hat Landrat Richard Sigel eine einfache Antwort: „Wir meinen, dass es Lücken im System gibt. Und die wollten wir schließen.“ Seiner Ansicht nach sind die Apps Luca und Cosima „ein perfektes Paar“. Denn die Anwendungen erfüllen verschiedene Funktionen: Mit Luca könnten – sobald entsprechende Lockerungen möglich sind – Kontakte leicht nachverfolgt werden, wenn sich etwa nach einem Kinobesuch herausstellen würde, dass ein Kinobesucher im selben Saal nachträglich positiv getestet wurde. Die Cosima-App bietet die Möglichkeit, einen beaufsichtigten Selbsttest als Eintrittskarte, zum Beispiel zum Friseurbesuch, zu nutzen. Mit RMK-Cosima wäre ein Friseurbesuch also auch dann möglich, wenn man nicht die Zeit hat, ein Schnelltestzentrum aufzusuchen, aber schon morgens von einem geschulten Dritten getestet wurde, beispielsweise in der Schule oder in der Firma. Oder aber, wenn man noch keinen Test gemacht hat, ein Friseursalonmitarbeiter jedoch geschulter Dritter ist, unter dessen Aufsicht man sich vor Ort testen lassen kann.

Wer geschulter Dritter werden möchte, muss zum einen an einer theoretischen Online-Schulung, zum anderen an einer praktischen Einweisung teilnehmen. Das Schulungskonzept haben die Rems-Murr-Kliniken mit dem Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes entwickelt. Das Angebot gilt momentan nicht für Privatpersonen. Nur Schulen, Unternehmen, Behörden oder sonstige Institutionen können geschulte Dritte ausbilden lassen.

Unter den Schulen und Unternehmen, die an der Pilotphase teilnehmen, ist die Friseursalonkette Scholz Haare, die mehrere Filialen in der Region hat. Er habe das Konzept den Mitarbeitern in einer Videokonferenz erklärt, so Inhaber Oliver Scholz, wiederum bei einer Videokonferenz am Mittwoch. Seither haben sich 74 zu geschulten Dritten ausbilden lassen. 51 weitere Mitarbeiter haben sich für eine Schulung angemeldet.

Seit dem 19. April bieten mehrere Scholz-Haare-Filialen beaufsichtigte Selbsttests zum Selbstkostenpreis von fünf Euro an. In den zwei Wochen, die seither vergangen sind, haben rund 850 Kunden das Angebot wahrgenommen, berichtet Scholz. Das entspreche 36 Prozent. Bisher sei nur ein Test positiv zurückgekommen.

Auch bei einem Partnerunternehmen der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr sei ein positiver Fall bei einem Selbsttest mit RMK-Cosima entdeckt worden, berichtet deren Präsident Claus Paal. „Wir sind froh, dass wir somit weitere Infektionen verhindern konnten.“ Den Nutzen der App hält Paal für sehr groß: Zum einen gehe es darum, positive Fälle möglichst schnell zu erkennen, zum anderen stelle RMK-Cosima mit der Möglichkeit des Testnachweises eine Vorbereitung auf die Lockerungen dar, „die hoffentlich bald möglich sein werden. Und so kann jeder Unternehmer aktiv dazu beitragen, aus dieser Situation herauszukommen.“

Paal zufolge habe sich eine mittlere dreistellige Anzahl von Unternehmen aus dem Rems-Murr-Kreis schon registriert oder Interesse angemeldet.

Momentan ist unklar, ob auch Vereine und Ehrenamtliche die App nutzen können.

Landrat Sigel hätte sich gewünscht, dass auch Vereine und Ehrenamtliche wie die freiwilligen Feuerwehren von der App profitieren können. „Wenn die Leute sich abends beim Verein hätten testen lassen und morgens zum Friseur gehen können, hätten sie einen echten Mehrwert gehabt.“ Doch die neueste Version der baden-württembergischen Coronaverordnung erwähnt diese nicht mehr im Paragrafen über die Anforderungen an den Nachweis von Covid-19-Schnelltests. Zudem wurde die Bezeichnung „geschulter Dritter“ durch „geeigneter Beschäftigter“ ersetzt. Das Landratsamt habe beim Land nachgehakt, ob das bedeute, dass Vereine und Ehrenamtliche von der Nutzung der App ausgeschlossen sind, sagt Juliane Jastram vom Landratsamt. Bisher liege noch keine Antwort vor.

Momentan ist die App nur im Rems-Murr-Kreis nutzbar. Nach der Pilotphase sei es aber vorstellbar, dass RMK-Cosima auch für andere Landkreise zugänglich gemacht werde, sagt Maiju Zoé Wilhelm, die zusammen mit Tamara Bürtsch das Projekt Cosima beim Landratsamt leitet. Die Entwicklung der App habe keine großen Kosten verursacht, sagt Landrat Richard Sigel, aber es stecke „sehr viel Manpower“ dahinter.

Die App wurde mit dem Gedanken entwickelt, dass die Ergebnisse der Selbsttests, die in Schulen und Betrieben gemacht werden, „nicht für die Katz sind“, erklärt Sigel. Außerdem könne so viel Bürokratie und „Zettelwirtschaft“ vermieden werden. Dass RMK-Cosima irgendwann überflüssig sein wird, das ist dem Landrat bewusst. „Wenn wir sie nicht mehr brauchen, sind wir nicht böse. Aber es wird sicher eine Übergangsphase geben, bis genug Leute geimpft sind.“

Kommentar
Zu viele Apps

Von Melanie Maier

Die App RMK-Cosima ist sinnvoll, keine Frage. Die Ergebnisse der Selbsttests, die ohnehin an Schulen und in Betrieben gemacht werden, an das Gesundheitsamt weiterzuleiten und sie als Nachweis – zum Beispiel für den Friseurbesuch am Abend – zu nutzen, erspart den Schnelltest im Testzentrum durch Fachpersonal, der bisher dafür nötig war.

Auch die Umsetzung ist sehr gut: Die App ist einfach in der Handhabung. Dass sich die späteren Tester zwei Schulungen unterziehen müssen, greift Fragen vor, die ansonsten sicher oft gestellt werden würden: Was ist zu tun, wenn ein Test tatsächlich einmal positiv ausfällt? Wie geht man vor, wenn man aus Versehen das falsche Ergebnis eingetippt hat? Dazu kommt die Wichtigkeit des Wissens um die richtige Ausführung.

Fraglich ist jedoch schon: Wieso muss dafür ein Landkreis eine App entwickeln? Wäre es nicht sinnvoller, die Corona-Warn-App würde alle Funktionen in sich vereinen: den Alarmhinweis nach einer Risikobegegnung, die automatische Kontaktnachverfolgung und die Beaufsichtigung von Selbsttests? Sicher, RMK-Cosima ist – wie die Luca- und die Corona-Warn-App – bis zum Ende der Pandemie nur eine Zwischenlösung. Aber: Wie viel Speicherplatz sollen die Bürger bis dahin für Tests und Nachweise noch auf ihren Smartphones freiräumen? Es wäre am Bund gewesen, zu liefern.

m.maier@bkz.de

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Erstellt:
6. Mai 2021, 06:00 Uhr

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