Die Impfhelfer aus Stuttgart

Seit Dezember arbeiten täglich mobile Impfteams des Klinikums Stuttgart im Impfstützpunkt im Backnanger Technikforum. Sie begegnen bei jedem Einsatz unterschiedlichsten Kollegen und Einsatzorten. Der eine oder andere findet durch den Job Gefallen am medizinischen Berufsweg.

Am 15. Februar warten Jona Müller (von links nach rechts), Mehtap Cakmak, Jakob Besold, Florian Vogel und Michaela Mayr im Backnanger Impfstützpunkt darauf, möglichst viele Menschen gegen Corona impfen zu können. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Am 15. Februar warten Jona Müller (von links nach rechts), Mehtap Cakmak, Jakob Besold, Florian Vogel und Michaela Mayr im Backnanger Impfstützpunkt darauf, möglichst viele Menschen gegen Corona impfen zu können. Foto: A. Becher

Von Anja La Roche

Backnang. Jeden Morgen treffen sich die Mitarbeiter der mobilen Impfteams im Olgahospital in Stuttgart. Etwa 15 bis 30 Minuten vor ihrem Einsatz, damit genug Zeit bleibt, um alles vorzubereiten. „Wie ein Ameisenhaufen wuseln sie dort herum“, erzählt Florian Vogel. Er arbeitet als Teamleiter bei den mobilen Impfteams. Im Olgahospital testen sie sich und ziehen sich um. Dann fahren sie in einem Kleinbus zu ihrem Einsatzort, aufgeteilt in kleine Teams. Backnang lautete das Ziel für Florian Vogel an diesem Morgen. Mit an Bord hat er vier weitere Leute, die ebenfalls für das Stuttgarter Klinikum in den mobilen Impfteams arbeiten. Mit wem Vogel den Tag über zusammen arbeiten wird, ist für ihn wie jedes Mal eine Überraschung. Denn die Einsatzgruppen werden täglich neu zusammengewürfelt, so wie es eben personell passt. Um kurz vor 10 Uhr kommt die Truppe in weißer Arbeitsmontur im Backnanger Technikforum an.

Florian Vogel ist einer von vielen Freiwilligen, die sich dazu entschlossen haben, die Impfkampagne gegen das Coronavirus zu unterstützen. Nachdem er seine Anstellung als Vertriebler in der Busbranche verloren hatte – das Unternehmen hatte stark unter den Einschränkungen der Pandemie gelitten – erfuhr er durch eine Bekannte von den Stuttgarter Impfteams. Er absolvierte die zweitägige Schulung für das notwendige medizinische und technische Know-how und arbeitet seitdem in Vollzeit für die Impfteams des Klinikums. Der 49-Jährige ist so begeistert von seinem neuen Job, dass er im Anschluss der bis Ende März befristeten Stelle eine Ausbildung zum Krankenpfleger beginnen möchte.

Mal ist Vogel der Älteste, mal ist er der Jüngste in den Teams, die zwei bis fünf Leute umfassen. Gerade diese Heterogenität in den Gruppen sei so spannend, erzählt er. War es anfangs insbesondere Personal des Klinikums, das für die Impfkampagne freigestellt wurde oder zusätzliche Stunden arbeitete, so haben sich inzwischen auch viele externe Personen für die mobilen Impfteams beworben. „Es kommen Menschen in ganz unterschiedlichen Lebensphasen und beruflichen und kulturellen Hintergründen zusammen“, freut sich Vogel. Seine Kollegin bestätigt ihn: „Das bereichert einen ungemein.“ Die 44-jährige Michaela Mayr arbeitet als Kinderkrankenschwester im Olgahospital. Zu ihrer halben Stelle dort ist sie nun zusätzlich 20 Prozent für die mobilen Impfteams unterwegs – trotz familiärer Verpflichtungen. „Ich finde es gut, dass das Klinikum Stuttgart die Impfkampagne unterstützt“, sagt Mayr. Bereits im ersten Halbjahr 2021 arbeitete sie im Impfzentrum in Stuttgart.

Die Stimmung im Impfstützpunkt Backnang ist entspannt. Gerade einmal vier Personen haben sich bislang für den heutigen Tag angemeldet, dazu kommen vermutlich noch ein paar unangekündigt vorbei. Da kommt auch schon ein älterer Herr mit Impftermin durch die Halle spaziert und das Impfteam ist kurz beschäftigt: Die Vorbereitung der Impfdosen, die Dokumentation, das Aufklärungsgespräch – routiniert und ruhig läuft alles ab. Es bleibt genügend Zeit für ein lockeres Schwätzchen und zwischendurch setzt der Arzt Jakob Besold die Spritze.

„Das war nicht immer so“, erinnert sich Besold an den vergangenen Dezember zurück, als die Nachfrage nach Boosterimpfungen enorm hoch war. „Aber das Impfen hat auch unter stressigen Bedingungen immer gut funktioniert. Weil alle in den Teams so motiviert waren“, sagt er. Der 27-jährige hat 2021 sein Medizinstudium abgeschlossen und nutzt nun seine Arbeit bei den mobilen Impfteams als eine Art Überbrückungszeit. Arzthelferin Mehtap Cakmak erinnert sich ebenfalls an den Stress im Dezember zurück. „Da habe ich zusätzlich zum Arzt auch selbst geimpft, damit es schneller geht“, erzählt sie. Die 45-Jährige unterstützt die Impfteams neben ihrer 80-Prozent-Stelle in einer Praxis.

In der Mittagspause gibt es Vesper, die Stadtverwaltung hat etwas vorbereitet; das sei nicht an allen Einsatzorten so, sagt Florian Vogel. „Hier werden wir besonders gut umsorgt“, lobt er die Stadt. Auch, dass die Anmeldung der Impfwilligen am Eingang der Halle von städtischem Personal übernommen wird, sei nicht selbstverständlich. Das muss je nach Einsatzort oft vom Impfteam übernommen werden. In Hochphasen sei das eine zusätzliche Belastung gewesen.

In ihrer Arbeit gestärkt sehen sich alle fünf Mitarbeiter des mobilen Impfteams auch durch die positiven Rückmeldungen, die sie von denjenigen erhalten, die sie gegen Corona impfen. „Man bekommt viel Anerkennung“, sagt Michaela Mayr. Es gebe nur sehr wenige negative Erlebnisse. Gleichwohl erlebt Jakob Besold in den Aufklärungsgesprächen auch viele Menschen, welche die Impfung skeptisch sehen. „Ich sehe meine Aufgabe auch darin, mir Zeit für diese Menschen zu nehmen und sie ernst zu nehmen“, sagt er. Er möchte das Vertrauen in die Medizin und das medizinische Personal stärken, welches bei manchen Menschen ins Wanken geraten sei. „Momentan ist es auch zeitlich möglich, solche Gespräche zu führen.“

Jakob Besold appelliert an alle Menschen, die noch unsicher sind, ob sie sich impfen lassen sollen: „Kommt vorbei. Man muss sich nicht impfen lassen, man kann auch nur reden.“ Die Dunkelziffer der Impfskeptiker zu verkleinern, das sei eines seiner Ziele. Denn die meisten würden sich gar nicht erst zu einem Gespräch wagen, vermutet er. Nach der Mittagspause wird das Team noch bis 15 Uhr weiterimpfen. Dann geht es zurück nach Stuttgart. Wenn sie sich am Olgahospital verabschieden, wissen sie nicht, ob sie jemals wieder in diesem Team zusammenarbeiten. Dafür konnten sie sich einen Tag lang austauschen. So führt die Arbeit der mobilen Impfteams auch dazu, neues medizinisches Personal zu gewinnen. Die 21-jährige Jona Müller zum Beispiel, die das Team an diesem Tag komplett machte, will nach ihrer Anstellung bei den Stuttgarter Impfteams eine Ausbildung zur Arzthelferin beginnen.

Die Stuttgarter Impfteams

Impfteams Seit Oktober 2021 stellt das Klinikum Stuttgart erneut mobile Impfteams, um die zunächst große Nachfrage nach Drittimpfungen zu deckeln. Bis zu 30 Teams waren zu Hochzeiten täglich im Einsatz, teilt Annette Seifert mit, Sprecherin des Klinikums. Die Impfnachfrage ist zwar gesunken, aber die Bereitschaft, für die mobilen Impfteams zu arbeiten, ist nach wie vor hoch. Für die Kosten kommt das Land auf.

Einsatzort Die Impfteams werden aktuell in den Landkreisen Rems-Murr, Böblingen und Ludwigsburg sowie dem Stadtkreis Stuttgart eingesetzt. Dort versorgen sie rund zehn Impfstützpunkte. Zusätzlich unterstützen sie einzelne mobile Aktionen, unter anderem in Pflegeheimen, Sozialeinrichtungen und Schulen.

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Erstellt:
22. Februar 2022, 06:00 Uhr

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