Die komplizierte Rückkehr in die Heimat

Die Backnanger Familie Keim ist nach 14 Jahren auf La Palma wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Aufgrund der Corona- pandemie war die Rückreise alles andere als einfach. Nun möchte sich Vater Mike Keim eine Existenz als Wanderführer aufbauen.

Die Zeit auf La Palma war schön. Aber trotzdem freuen sich Fee, Sabine, Mike und Lena Keim (von links) auf ihr neues Leben in der alten Heimat. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Die Zeit auf La Palma war schön. Aber trotzdem freuen sich Fee, Sabine, Mike und Lena Keim (von links) auf ihr neues Leben in der alten Heimat. Foto: J. Fiedler

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Vor 14 Jahren sind sie nach La Palma ausgewandert und haben sich dort eine Existenz aufgebaut. Jetzt sind Sabine und Mike Keim mit ihren beiden Töchtern nach Deutschland zurückgekehrt. Der Vater und die 15-jährige Tochter Fee bewältigten die fast 4000 Kilometer lange Strecke in sechs Tagen mit einem umgebauten Kleintransporter und dem wichtigsten Hab und Gut. Zunächst mit der Fähre, dann auf dem Landweg durch Spanien und Frankreich bis nach Backnang führte die Reise mit Hindernissen in Coronazeiten.

Ihr Leben auf La Palma war eine erfolgreiche Geschichte. Für die Pro-7-Serie „Die Auswanderer“ wurde das Ehepaar Keim mit seiner damals einjährigen Tochter Fee von einem Kamerateam begleitet. Wandern war schon immer ihre Passion, und so boten sie mit ihrem Unternehmen „Graja-Tours“ Wanderungen durch die wunderschöne Natur der kanarischen Insel hauptsächlich für deutsche Touristen an.

Der Entschluss, aus familiären Gründen nach Deutschland zurückzukehren, fiel dennoch im vergangenen Jahr. Doch so hatte sich die Familie ihre Rückwanderung nicht vorgestellt. Anfang März überschlugen sich die Ereignisse aufgrund der starken Ausbreitung der Coronainfektionen und der hohen Anzahl der Todesfälle in Spanien. Auf La Palma seien die Infektionszahlen allerdings immer relativ gering geblieben, weiß Mike Keim. „Wir waren an dem Tag noch ganz normal in der Schule“, erinnert sich Fee, die auf La Palma aufgewachsen ist. Man hatte von drei Coronafällen auf der Insel gehört und keiner wusste so recht, was nun eigentlich passiert. Mit dem Bus fuhr sie nach Hause in den kleinen Ort Los Manchas nahe Los Llanos Aridane. Am Nachmittag kam die Nachricht, dass alle Schulen ab sofort geschlossen sind. „Wir haben keine Hausaufgaben oder Lernunterlagen mitbekommen.“ Von ihren Klassenkameraden konnte sie sich nicht mehr verabschieden, denn kurz darauf kam der Lockdown mit strenger Ausgangssperre. Die bereits gebuchten Wandertouren mit Mike Keim waren natürlich abgesagt. Sorge bereitete der Familie das Gesundheitssystem, mit dem sie in all den Jahren keine besonders guten Erfahrungen gemacht hat.

Dann ging alles recht schnell. Sabine Keim konnte mit der zwölfjährigen Lena, die auf La Palma geboren ist, im Rahmen des Rückholprogramms des Auswärtigen Amtes noch im März einen Flug nach Deutschland nehmen. Mike Keim blieb mit der älteren Tochter auf der Insel, um die Rückwanderung, die teilweise schon vorbereitet war, abzuwickeln. Den Großteil ihrer Habe hatten sie verkaufen wollen, was sich nun wegen der strikten Kontakt- und Ausgangssperre als schwierig erwies. Für Fee war das Schlimmste die Ungewissheit, ob und wann sie auf dem Landweg nach Deutschland fahren konnten.

Gegen Ende Mai war es dann so weit. Den Kleintransporter hatten sie mit ihren wichtigsten persönlichen Dingen beladen, dass kaum noch Platz für Vater, Tochter und Hündchen Lucy blieb, darin zu übernachten. Für Mike Keim bot sich ein unwirkliches Bild am Hafen von Santa Cruz de La Palma: „Überall war die Guardia Civil und Männer in Schutzanzügen haben alles desinfiziert.“ Vater und Tochter mussten die Gründe für die Reise angeben. Mit ihren deutschen Pässen konnten sie passieren. Von La Palma ging es mit der Fähre nach Teneriffa und von dort zum spanischen Festland nach Huelva. Auf den Inseln seien die Kontrolleure noch gut informiert gewesen, erzählt Mike Keim. Aber auf dem Festland wollte man sie nicht einreisen lassen und mit dem Schiff zurückschicken. Der Polizist habe einen aggressiven Tonfall gehabt, der Fee Angst machte. Erst nach längerem Telefonieren gab der Mann die Weiterfahrt frei.

Die spanischen Autobahnen waren gespenstisch leer.

Eigentlich waren mehrere Zwischenstopps auf der langen Fahrt geplant. Einen Campingkocher zum Zubereiten von Kaffee und kleinen Speisen hatten sie dabei. Doch der Vater entschied sich, die rund 1200 Kilometer weite Strecke durch Spanien durchzufahren. „Die Autobahn war gespenstisch leer. Fast nur Lkw waren unterwegs“, berichtet Mike Keim. Die französische Grenze passierten sie nach Barcelona. Mit dem spanischen Führerschein und Autokennzeichen wurden sie von der Polizei an der Mautstation aufgefordert, umzukehren, konnten dann aber doch die Weiterfahrt erreichen. In Frankreich herrscht auch Maskenpflicht. Umso erstaunter waren sie, dass dies vielerorts einfach ignoriert wurde und in den Shops an den Raststätten niemand einen Mund-Nasen-Schutz trug. Auch das Personal nicht. Kontakt haben die Rückwanderer auf ihrer Fahrt weitgehend vermieden. Sie übernachteten an Raststätten, wo sie auf den Parkplätzen manchmal ganz allein waren.

Als sie Deutschland erreichten, wurden sie an der Grenze mit einem freundlichen „Hola“ begrüßt. Nachdem sie sich als Deutsche zu erkennen gaben, war der Beamte weniger an Formalitäten interessiert, als daran, ihre Geschichte zu hören. „Man hat sich willkommen gefühlt“, sagt Fee. In Backnang ist sie schon oft mit ihren Eltern in den Sommerferien gewesen. Jetzt freut sie sich, nahe ihrer Oma und anderer Familienmitglieder zu leben. „Es hat sich angefühlt, als würde ich nach langer Reise nach Hause kommen“, sagt die 15-Jährige. Obwohl sie auf der Insel im Atlantischen Ozean aufgewachsen ist und fließend Spanisch spricht, hatte sie manchmal das Gefühl, als Deutsche nicht richtig dazuzugehören.

Nachdem die Pfingstferien nun vorbei sind, wird sie, wie bereits ihre Schwester Lena, in Backnang zur Schule gehen. Mike Keim will sich in Deutschland eine Existenz mit Wandertouren aufbauen. Seine Erfahrungen von der bergigen kanarischen Insel könnte er einfließen lassen. So ist etwa angedacht, den Umgang mit einem historischen Fortbewegungsmittel aus La Palma zu vermitteln, mit dem man große Höhenunterschiede überwinden kann. „Salto del pastor“ heißt die 3,5 Meter lange Lanze, was „Sprung des Hirten“ bedeutet. An Steilwänden kann man an ihr hinaufklettern oder bergab von Absatz zu Absatz schwingen. Mehrere Originalstangen hat er mitgebracht. Die WDR-Sendung „Wunderschön“ hat über ihn und dieses Thema bereits auf La Palma berichtet. Obwohl es spannende Jahre der Auswanderung waren, ist die Familie jetzt doch froh, wieder in Deutschland angekommen zu sein.

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Erstellt:
16. Juni 2020, 06:00 Uhr

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