„Die Leute wollen reisen“

Busunternehmer im Rems-Murr-Kreis verzeichnen Interesse an Reisen, doch oft erschweren kurzfristige Änderungen der Coronabestimmungen Kalkulation und Organisation. Dem Virus wird mit höchsten Hygienestandards der Kampf angesagt.

Auch Elfie Trostel von der Firma Pfizenmaier aus Heiningen hat die Pandemie hart getroffen, auf 2022 schaut sie aber optimistisch. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Auch Elfie Trostel von der Firma Pfizenmaier aus Heiningen hat die Pandemie hart getroffen, auf 2022 schaut sie aber optimistisch. Foto: A. Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Rems-Murr. Die Coronapandemie bedeutet für den Reiseverkehr einen starken Einbruch. Während sich beispielsweise der Busbestand auf deutschen Straßen seit 2011 auf einem leichten Anstieg befand und noch 2020 einen neuen Höchststand von über 81000 Fahrzeugen verzeichnete, waren es im vergangenen Jahr rund 6000 Fahrzeuge weniger. Auch die Busunternehmen im Kreis waren von den plötzlichen Einschränkungen durch die Pandemie betroffen. Nun ist etwas Erholung in Sicht, mit höchsten Hygienestandards sorgen die Unternehmer für die Sicherheit ihrer Gäste. Dennoch bleibt Unsicherheit, denn (kurzfristige) Änderungen der geltenden Coronaverordnungen nicht nur im Ländle, sondern auch in anderen Bundesländern oder gar im Ausland stellen die Reiseveranstalter vor nicht zu unterschätzende organisatorische Herausforderungen.

Helmut Friz aus Murrhardt ist schon seit über 30 Jahren im Geschäft. Er bietet organisierte Reisen an, etwa die Hälfte seines Umsatzes macht er mit Studien- und Klassenfahrten. „Am 2. November 2020 habe ich die letzte Fahrt des Jahres gemacht, am 2. Juli 2021 dann die nächste“, berichtet der Unternehmer. Es ging dann eher „bröckelesweise“ weiter. Im September und Oktober konnte er einen kleinen Reiseboom verzeichnen, doch seit dem 24. November stehen die beiden Busse, bis auf eine Silvesterfahrt, still.

Bis Anfang April sind sämtliche Reisen wieder storniert worden, ein Auftrag hängt jedoch noch in der Schwebe. Es soll nach Südtirol gehen, doch Fahrten ins Ausland sind wegen der sich oft ändernden Bestimmungen nicht immer leicht zu realisieren.

Die nicht realisierten Fahrten sollen in vielen Fällen nachgeholt werden

Von den Schulen aus ging im vergangenen Jahr gar nichts, sämtliche Ausfahrten waren gestrichen worden. Dabei besteht jedoch durchaus Interesse von Schulseite aus. Allerdings – noch dürfen sie nicht, zumindest nicht bis Ende März. Ab Mai sieht es dafür wieder ganz gut aus, die Schulen planen, die noch nicht realisierten Fahrten nachzuholen. Friz schaut optimistisch in die Zukunft, zumindest was Schulfahrten betrifft geht er gar von einem regelrechten Boom aus: „Jetzt schauen wir mal, was das Beste ist.“

Elfie Trostel führt das Busunternehmen Pfizenmaier aus Backnang-Heiningen bereits in dritter Generation, ihr Mann sitzt dabei hinter dem Steuer. Fast 100 Jahre alt ist die Firma, die ihr Großvater gegründet hat. Sie ist auf Vereinsfahrten spezialisiert. Dem ersten Lockdown folgte zunächst eine große Stornierungswelle – und ungeplante Untätigkeit. „Es hat mich persönlich sehr getroffen, auf einmal nicht mehr zu arbeiten. Ich bin schon immer ein Macher gewesen. Da war auf einmal ein Loch.“ Um dieses zu füllen, engagiert sie sich seither ehrenamtlich bei Sternentraum.

Im vergangenen Jahr hat sich die Reisesituation etwas erholt, von Ende August bis November ist es ganz gut gelaufen. Aktuell ist der Reisebus jedoch aus Kostengründen abgemeldet. Neben dem Reiseverkehr fährt Pfizenmaier mit einem Linienbus unter der Woche für die Paulinenpflege.

Für 2022 ist Elfie Trostel optimistisch. Manche der abgesagten Reisen wurden auf das aktuelle Jahr verlegt. „Die Kundschaft bleibt uns treu“, freut sie sich. Wie bei anderen Reiseunternehmen auch werden die Sicherheitsanforderungen und Hygienemaßnahmen aufs Genaueste eingehalten. Sie geht davon aus, dass das Reisegeschäft im Frühjahr wieder anziehen wird: „Dann wird durchgearbeitet.“

Auch Roland Braun vom Busunternehmen Strohmaier Reisen in Auenwald steht in den Startlöchern für die neue Saison. Das Familienunternehmen bietet sowohl organisierte Reisen wie auch Vereins- oder Schulfahrten an. Braun, der das Unternehmen seit über 20 Jahren führt, weiß: „Die Leute wollen reisen.“ Im Jahr 2020 war sein Betrieb fast fünf Monate stillgelegt, im vergangenen Jahr habe er von Januar bis Anfang April ganze acht Fahrten realisieren können. Im Schnitt fährt er zwischen 80000 und 90000 Kilometer im Jahr, im vergangenen Jahr seien es nur 14000 gewesen. Für dieses Jahr sieht es wieder besser aus, es kommen Anfragen von Vereinen, und auch das Reiseprogramm für das aktuelle Jahr steht bereits. Für Roland Braun tragen die geselligen Busreisen erheblich zur Lebensqualität der oft älteren Kundschaft bei. Und diese weiß sein Programm zu schätzen, viele hätten sich in der letzten Zeit persönlich bei ihm gemeldet, um zu fragen, wie es denn weitergehe.

Für selbstständige kleine Unternehmen können die Einbußen in den letzten knapp zwei Jahren durchaus das Ende bedeuten, besonders wenn sie erst frisch investiert haben. Wohl dem, der im Laufe der Jahre Rücklagen bilden konnte, von denen sich nun zehren lässt – auch wenn diese eigentlich als Altersvorsorge gedacht waren. Verschiedene staatliche Stellen haben den Unternehmern durch Unterstützungsgelder geholfen, außerdem sei so manche Versicherung oder Bank Unternehmern ebenfalls entgegengekommen.

Schwierig zu kalkulieren sind die Coronaregelungen und die Kosten, die aus den Auflagen resultieren – man kann nicht vorhersagen, ob Bestimmungen, die am Buchungstag gelten, auch noch am Abfahrtstag gültig sind, erschwert wird die Einschätzung dazu für Fahrten ins Ausland, in dem womöglich wieder ganz andere Verordnungen gelten. Und die Frage, wer bei kurzfristiger Absage einer Fahrt die Stornogebühren zu tragen hat, birgt für die Veranstalter ebenfalls ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Dazu kommen die Reisepartner, etwa Hotels, die ebenfalls verunsichert seien.

Dennoch klagen die Unternehmer nicht, sie sehen die Situation eher pragmatisch. Und loben dabei auch die gute Zusammenarbeit und Organisation ihrer Reisepartner, die ebenfalls alles daransetzen, den Gästen ein – den Umständen entsprechendes – sicheres und optimales Reiseerlebnis zu ermöglichen.

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Erstellt:
24. Januar 2022, 06:00 Uhr

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