Die Omikron-Welle kommt im Landkreis an

Mehr Covid-19-Fälle, eine deutlich höhere Inzidenz: Die neue Coronamutante schlägt bereits an verschiedenen Stellen im Rems-Murr-Kreis auf, etwa an den Schulen. Die Krankenhäuser hat sie noch nicht erreicht. Die Rems-Murr-Kliniken rechnen jedoch bald mit mehr Hospitalisierungen.

Auch eine Folge coronabedingter Krankheitsfälle: Die gelbe Tonne ist in Backnang vergangene Woche nicht abgeholt worden.  Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Auch eine Folge coronabedingter Krankheitsfälle: Die gelbe Tonne ist in Backnang vergangene Woche nicht abgeholt worden. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

und Kornelius Fritz

Rems-Murr. Rasant ist die Sieben-Tage-Inzidenz im Rems-Murr-Kreis in den vergangenen Wochen angestiegen – und damit die Zahl der gemeldeten Neuansteckungen. Seit Ende Dezember kletterte die Inzidenz von unter 200 auf über 900, und das innerhalb von nicht einmal vier Wochen. Grund dafür ist vermutlich die Omikron-Variante. Bisherigen Erkenntnissen zufolge gilt die Mutante als hoch ansteckend. Selbst Geimpfte und Genesene sollen keinen optimalen Schutz haben. Dass die Fallzahlen steigen, wirkt sich ganz konkret auf das Leben im Rems-Murr-Kreis aus – auf Familien, Schulen und Kitas, Unternehmen, die Abfallwirtschaft, aber auch auf die Kliniken und das Gesundheitsamt, das die Zahlen der Infizierten an das Landesgesundheitsamt meldet und Kontakte nachverfolgt (seit November grundsätzlich aber nur noch bei größeren Ausbrüchen, in Einzelfällen sollen Infizierte ihre Kontakte selbst informieren).

Das Gesundheitsamt des Rems-Murr-Kreises sei aufgrund der hohen Fallzahlen sowie der Omikron-Variante weiterhin stark belastet, jedoch insgesamt nicht überlastet, teilt die Landratsamtssprecherin Martina Keck mit: „Neben den hohen Fallzahlen sorgt auch der Fachkräftemangel sowie ein aktueller Wechsel an der Spitze des Gesundheitsamts derzeit für Engpässe.“ Der erweiterte Krisenstab tausche sich auch in dieser Woche wieder eng mit den Kliniken, den Kommunen, niedergelassenen Ärzten, der Polizei, Justiz und dem Schulamt aus. Bei weiter stark steigenden Infektionszahlen gelte die Sorge vor allem einer Überlastung der medizinischen Infrastruktur.

Davon ist in den Rems-Murr-Kliniken aktuell glücklicherweise noch nichts zu spüren. Die Omikron-Welle sei noch nicht angekommen, sagt Torsten Ade, Chefarzt der Notaufnahme und Krankenhaushygieniker. Es gebe eine leicht steigende Tendenz auf der Normalstation, auf der Intensivstation seien die Zahlen eher fallend. „Derzeit behandeln wir in Winnenden auf der Normalstation 16 und auf der Intensivstation zwei Patienten mit Corona, in Schorndorf neun Patienten auf der Normalstation, vier auf der Intensivstation.“ Ade erwartet eine Zunahme der Fälle. „Viele Patienten werden ambulant bleiben können, aber es wird einen erhöhten Bedarf an Untersuchungen unter Isolationsbedingungen geben“, prognostiziert er. Dies könne zu Engpässen führen. „Ich gehe davon aus, dass die Hauptlast diesmal bei den niedergelassenen Ärzten, den Normalstationen und den Notaufnahmen sein wird“, so Ade.

Signifikant bemerkbar ist die Omikron-Welle bereits an den Schulen. Am Freitag sei die Zahl der infizierten Kinder und Jugendlichen „auf einen Schlag gestiegen“, berichtet die leitende Schulamtsdirektorin Sabine Hagenmüller-Gehring. 431 Schülerinnen und Schüler seien in Backnang am Freitag positiv gemeldet worden. „Zum Vergleich: Am 10. Januar, direkt nach den Weihnachtsferien, waren es 28.“ Insgesamt seien 81 der 140 Schulen im Raum Backnang betroffen. Und es sieht nicht so aus, als ob sich die Lage bald wieder beruhigen würde. „Heute ist es besonders schlimm“, so Hagenmüller-Gehring am Montagmittag. „Es kommen laufend Meldungen über neue Coronafälle rein.“ Die Schulen, meint sie, seien ein Spiegelbild des Infektionsgeschehens im Rems-Murr-Kreis. Die Maßnahmen seien aber gut und würden ausreichen. „Die Schulleiter wissen, was zu tun ist und handhaben das gut“, findet Hagenmüller-Gehring. Dennoch könnte auf viele Eltern eine weitere Belastungsprobe zukommen, falls es aufgrund von hohen Ansteckungszahlen oder Quarantänefällen unter den Lehrkräften wieder vermehrt zu Fernunterricht kommen sollte. „Immerhin läuft das mittlerweile ganz gut“, sagt die Schulamtsdirektorin. „Zu anderen Zeiten hätten wir wohl gar keinen Unterricht mehr gehabt.“

Entspannter ist die Situation noch an den Kindergärten und Kindertagesstätten. Bis zum vergangenen Freitag habe es bis auf ein relevantes Ausbruchsgeschehen in einer Kita nur wenige Infektionsfälle bei Mitarbeitern und Kindern gegeben, sagt Regine Wüllenweber, Leiterin des Amts für Jugend, Familie und Bildung in Backnang: „Demzufolge sind wenige Teilschließungen zu verzeichnen.“ Solange es keine neuen Vorgaben seitens des Landes gebe, sollen keine weiteren Maßnahmen dazukommen. Nur in Ausnahmefällen – „wenn es einen positiven Coronafall in der Gruppe gibt“ – würden Eltern ihre Kinder vorsorglich zu Hause lassen, sagt Wüllenweber.

Sichtbar ist die Auswirkung der neuen Mutante auf den Landkreis bei vielen gleich vor der eigenen Haustür: Wegen vermehrter Krankheitsfälle konnten in der vergangenen Woche die gelben Tonnen in Backnang nicht geleert werden. Schuld daran sei auch Corona, aber nicht nur, teilt eine Sprecherin der zuständigen Firma Remondis Süd mit, die für die Abholung der gelben Tonnen in Backnang, Leutenbach, Fellbach, Waiblingen und Winnenden zuständig ist.

Die Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM) sowie die dazugehörigen Entsorgerfirmen seien dagegen nicht von Krankheitsfällen betroffen, sodass es bei anderen Leerungen nicht zu Problemen kommen sollte, sagt AWRM-Sprecherin Stefanie Baudy.

Auch in manchen Unternehmen schlägt die Omikron-Welle schon auf. Bei der Kreissparkasse Waiblingen sind derzeit rund 30 der insgesamt 1200 Mitarbeiter wegen Coronainfektionen in Isolation. „Das ist deutlich mehr als bei den vorherigen Wellen, bringt uns aber noch nicht in die Bredouille“, sagt der neue Vorstandsvorsitzende Ralph Walter. Zumal sich die Fälle bisher auf den gesamten Landkreis verteilen und sich nicht auf eine bestimmte Filiale oder Abteilung konzentrieren. Man setze aber nach wie vor auf besondere Vorsicht, sagt Walter. Auch die geimpften Beschäftigten dürfen sich regelmäßig testen. Rund zwei Drittel der Belegschaft hat inzwischen die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten.

Bei dem Allmersbacher Maschinenhersteller Harro Höfliger ist die Anzahl der positiv getesteten Beschäftigten im Januar ebenfalls spürbar gestiegen. Laut Personalleiter Uwe Amann kommen die Infektionen ausschließlich aus dem privaten Umfeld der Mitarbeiter. „Das zeigt, dass unsere Vorsichtsmaßnahmen im Betrieb und die durch mobiles Arbeiten reduzierten Präsenzzeiten greifen.“ Eine Corona-Taskforce verfolge weiterhin jeden Fall und unterstütze die Belegschaft mit Angeboten, sich testen, erstimpfen oder boostern zu lassen. Rund 82 Prozent seien bereits geimpft, die meisten von ihnen auch geboostert. Natürlich könnten größere Personalausfälle Auswirkungen auf die laufenden Projekte haben, sagt Amann, auch wenn sich das momentan noch nicht abzeichne.

Wie die Omikron-Variante einzuschätzen ist

Aufkommen Am 24. November 2021 berichtete als Erstes das südafrikanische Gesundheitsministerium über die neue Mutante. Bereits zwei Tage später stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Omikron-Variante (B.1.1.529) als besorgniserregend ein.

Ausbreitung Nach bisherigem Kenntnisstand breitet sich die Variante dem Robert-Koch-Institut zufolge deutlich schneller und effektiver aus als die bisherigen Virusvarianten. In vielen Ländern dominiert Omikron bereits – seit Anfang Januar auch in Deutschland. Ende November wurde die Mutante erstmals bei Reiserückkehrern aus Südafrika in Bayern und Hessen nachgewiesen. Die WHO schätzt, dass sich bis Anfang März mehr als die Hälfte der Menschen in Europa mit der neuen Variante angesteckt haben werden.

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Erstellt:
25. Januar 2022, 06:00 Uhr

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